Sonntag21. Dezember 2025

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Mit GschmäckleWolfgang Schorlaus politischer Kriminalroman „Black Forest“ ist gewohnt spannend

Mit Gschmäckle / Wolfgang Schorlaus politischer Kriminalroman „Black Forest“ ist gewohnt spannend
Wolfgang Schorlau dürften auch in Zukunft nicht die Themen für seine Krimis ausgehen Foto: Timo Kabel

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Der deutsche Schriftsteller Wolfgang ist für seine Romanreihe um den Privatdetektiv Dengler bekannt geworden – und für stilsichere wie auch gut recherchierte Krimiliteratur mit politischen Themen. Auch im elften Buch der Serie kann er die Qualität halten.

Etliche Jahre habe ich keinen Kriminalroman mehr gelesen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Dazu gehörten etwa die US-Amerikaner James Ellroy und Elmore Leonard sowie der Südafrikaner Deon Meyer – Autoren, deren Schreibstile kaum unterschiedlicher sein können, die sich aber durch die gute Kenntnis und Beschreibung der jeweiligen Milieus überzeugt haben. Dass ich in meiner Jugend außer Agatha Christie die Roman-Dekalogie von Maj Sjöwall und Per Wahlöö verschlang, verleiht mir – neben meiner Vorliebe für Krimiserien im Fernsehen und Filme der Schwarzen Serie – vielleicht die nötige „Crime Credibility“.

Übriggeblieben ist vor allem die Begeisterung für die realistische Beschreibung in den gesellschaftskritischen Kriminalromanen des schwedischen Autorenpaares. Von dezidiert politischen Krimis ließ ich jedoch weitgehend die Finger. Gut recherchierte journalistische Bücher und Reportagen erschienen mir spannender. So war ich, als ich mir das aktuelle Buch „Black Forest“ von Wolfgang Schorlau zulegte, eher skeptisch, obwohl mir die bisherigen Verfilmungen der Geschichten um den Privatdetektiv Georg Dengler mit Ronald Zehrfeld und Birgit Minichmayr gut gefallen hatten. Das einzige Buch des Autors, das ich bisher gelesen hatte, fand ich recht überzeugend und war kein Krimi: In „Rebellen“ (2013) ging es um die Studentenbewegung, die Schorlau einst miterlebte – der Plot ist autobiografisch geprägt.

Skeptischer war ich bei der Figur Dengler. Vor vielen Jahren hatte ich in Luxemburg eine Reportage über den Beruf des Privatdetektivs geschrieben. Bei den Recherchen, die unter anderem daraus bestanden, drei gänzlich verschiedene Vertreter des Berufes zu begleiten, kam ich zur Erkenntnis, dass die Tätigkeit des Privatschnüfflers vor allem eintönig und desillusionierend war. Wie konnte sich also ausgerechnet ein früherer Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA), der Georg Dengler ist, sich selbstständig machen, um zum Beispiel Frauen und Männer beim Fremdgehen zu beobachten und Beweismaterial gegen sie zu sammeln? Ein berufsmäßiger Spanner etwa? Diesen Argwohn legte ich bereits nach wenigen Seiten der Lektüre von „Black Forest“ ab, als der Ich-Erzähler Dengler über seine Arbeit reflektiert: „Warum sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, denn schließlich war es mein Beruf, untreuen Ehepartnern auf die Schliche zu kommen. Was mich beunruhigte, war, dass mein Job darin bestand, den Untoten zu helfen“, heißt es. Dengler beschreibt seine Auftraggeber als „Untote“.  Er fühle sich dabei „unwohl“.

Plot als Vehikel für politische Themen

Von Denglers erstem Fall an, „Die blaue Liste“ (2003), dient die Geschichte dem Autor als Vehikel zur Auseinandersetzung mit politischen Themen oder Ereignissen der jüngeren und nicht ganz so jungen deutschen Geschichte. In einem Nachwort unter dem Titel „Finden und Erfinden“ erklärt er, wie er für das jeweilige Buch recherchiert und welche Quellen er dafür benutzt hat. Die behandelten Themen reichen von den Aktivitäten der letzten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) über die Lynchjustiz an alliierten Soldaten im Zweiten Weltkrieg, die Privatisierung der Wasserwirtschaft und den Wasserkrieg in Bolivien um das Jahr 2000, über die Bundeswehr im Afghanistankrieg, das Bombenattentat aufs Münchner Oktoberfest 1980, die kriminellen Machenschaften der Pharmaindustrie, den Protest gegen Stuttgart 21, die Intensivtierhaltung und die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Werkvertragsarbeiter, über die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), von Eurorettung und Griechenlandkrise, bis hin zur Pandemie und den Querdenkerprotesten in Stuttgart.

Schließlich „Black Forest. Denglers elfter Fall“. Dass dieser Fall mich besonders interessiert hat, liegt zum einen an der Tatsache, selbst am Rande des Schwarzwaldes zwischen diesem und den Ausläufern des Kraichgauer Hügellandes aufgewachsen und von familiärer Seite für Windkraft engagiert zu sein, was den „Gegenwind“ von Windkraftgegnern hervorrief. Wie es der Zufall will, besitzt die fiktive Familie Dengler auf dem Feldberg ein Stück Weideland, das sich bestens für eine Anlage eignet. Lokale Windkraftgegner und der Energiekonzern VED sind dagegen. Nachts treiben sich fremde Gestalten auf dem Hof von Denglers Mutter herum. Auf dem Feldberg taucht Auerhahnkot auf, obwohl die Tiere schon seit Jahren nicht mehr dort gesichtet wurden. Denglers Jugendliebe, eine Heilpraktikerin aus Freiburg, wird ermordet. Dengler selbst reist, weil er sich um seine Mutter sorgt, in seine Heimat, zu der er eine zwiespältige Beziehung hat: „Wenn ich mir das Paradies vorstelle, sehe ich das Haus, in dem ich geboren wurde. (…) Wenn ich mir die Hölle vorstelle, sehe ich das gleiche Bild.“ Denglers Sorgen sind berechtigt: Nach einem Sturz liegt seine Mutter im Koma.

Wenn ich mir das Paradies vorstelle, sehe ich das Haus, in dem ich geboren wurde. (…) Wenn ich mir die Hölle vorstelle, sehe ich das gleiche Bild.

Georg Dengler, Romanheld

Ein Vorwurf gegenüber Schorlau lautete, er vermische „ungehemmt Fakten und Fiktion“. Doch darin liegen gerade die Stärken seiner Bücher. Dass Schorlau für „Black Forest“ auch mit Windkraftgegnern gesprochen hat, war für ihn wohl selbstverständlich. Dass er zudem eine akribische Schauplatzrecherche – etwa mit einem Feldberg-Ranger – betrieben hat, gehört ebenso zur Routine des Autors wie die intensive Auseinandersetzung mit historischen Gegebenheiten und die ausführliche Quellenangabe. Ja, Fiktion vermischt sich mit Fakten, das ist das Metier des Krimischriftstellers aus Stuttgart, der 1951 im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein geboren wurde und ab elf Jahren in Freiburg aufwuchs, über einen langen Umweg über West-Berlin nach Stuttgart kam und dessen fiktiver Held Dengler im beschaulichen Bohnenviertel der Schwabenmetropole lebt.

Gut zwei Jahre hat er an „Black Forest“ gearbeitet. Daraus ist schließlich ein Buch zum Klimawandel geworden, der zwar das „zentrale Thema der Menschheit überhaupt“ sei, wie er in einem Interview betonte, der aber auch in letzter Zeit viel zu sehr in den Hintergrund getreten ist. Im Vordergrund stehen in der Politik heute einmal mehr die Themen wie Inflation, Rente, Aufrüstung – und jene, bei denen es um die von politischer Seite geschürte Angst vor dem Fremden (gegen Migranten) und dem Neuen (gegen die Energiewende) geht.

Keine Eulen nach Athen getragen

Schorlaus Lebensweg schien in gewöhnlichen südwestdeutschen Bahnen zu verlaufen, als er in Freiburg eine Lehre zum Großhandelskaufmann absolvierte. Doch eine Zeit lang war er beim Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW), was schon nicht mehr zum typischen Kaufmann passte. Auf dem zweiten Bildungsweg holte er das Abitur nach und las unterdessen Marx. „Langweilig“, wie er später zugab. Schorlau wurde Informatiker und gründete in Ludwigsburg eine Software-Firma. Schließlich begann er Kriminalromane zu schreiben und beschloss mit Ende 40, freier Schriftsteller zu werden – ein Spätzünder.

Wolfgang Schorlau: Black Forest. Denglers elfter Fall. Kiepenheuer & Witsch. Köln 2024. 448 Seiten. 18 Euro.
Wolfgang Schorlau: Black Forest. Denglers elfter Fall. Kiepenheuer & Witsch. Köln 2024. 448 Seiten. 18 Euro.  

Sein Alter Ego wurde Georg Dengler, der mindestens drei Dinge mit ihm gemeinsam hat: die Recherche sowie die Vorliebe für Bluesmusik und Weißburgunder. Der erste Fall verkaufte sich zuerst schleppend, die Kritiken waren gut. Später landeten die Dengler-Geschichten in den Bestsellerlisten, und Schorlau heimste Preise ein, unter anderem den Deutschen Krimipreis und den Stuttgarter Krimipreis. Weitere Bücher sind zum Beispiel „Das brennende Klavier“ über die Stuttgarter Jazzlegende Wolfgang Dauner und – zusammen mit Claudio Caiolo – die Venedig-Krimis um den Commissario Morello.

In Baden-Württemberg ökologisch und klimapolitisch angehauchte Romane zu schreiben, mag manchen Lesern etwa so erscheinen, wie Eulen nach Athen zu tragen, mit dem heiligen Segen der noch gründominierten Landesregierung unter dem schwäbischen Landesvater Winfried Kretschmann. Sozusagen mit „Gschmäckle“, würden böse Zungen behaupten. Dies ist aber nicht so. Der Wind weht selbst im grünen Stammland wieder aus anderer Richtung. Ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen ist die CDU wieder deutlich obenauf, und den Grünen sitzt die AfD im Nacken. Das „Gschmäckle“ liegt im Musterländle heute wie eh und je zwischen Gschaftlhuberei, Filz und Kumpanei, zwischen Kehrwoche und, wie man an den einen oder anderen politischen Skandal in der Landesgeschichte sieht, krimineller Energie. Weil das so ist, dürfte Georg Dengler auch in Zukunft viel zu tun haben. Wolfgang Schorlau, übernehmen Sie!