Donnerstag6. November 2025

Demaart De Maart

GroßbritannienTrump auf Staatsbesuch: Kein öffentlicher Streit mit Premier Starmer

Großbritannien / Trump auf Staatsbesuch: Kein öffentlicher Streit mit Premier Starmer
Dem britischen Premierminister Keir Starmer (r.) ist es gelungen, den Staatsbesuch des US-Präsidenten Donald Trump in Großbritannien einwandfrei über die Bühne zu bringen Foto: Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Gewaltige Investitionsankündigungen und „der größte Deal in der britischen Geschichte“, flotte Hüte und einige freundliche Meinungsverschiedenheiten – auch am zweiten Tag seines zweiten Staatsbesuchs in Großbritannien hielt Donald Trump seine Gastgeber und die Öffentlichkeit in Atem.

Worüber wollten der US-Präsident und Premierminister Keir Starmer reden?

Über ein neues Abkommen, den sogenannten „Tech Prosperity Deal“. Es soll der Insel Milliarden-Investitionen durch amerikanische Firmen sichern. Die dafür genannten Summen wurden in den vergangenen Tagen immer höher, am Donnerstag war von umgerechnet 173 Milliarden Euro die Rede. Das Timing blieb unklar.

Im Zentrum stehen Firmen der High-Tech, Rüstungs- und Pharma-Branche. Bereits am Mittwoch hatte Microsoft neue Datenzentren und andere Projekte im Königreich im zweistelligen Milliarden-Bereich angekündigt. Dabei geht es um Künstliche Intelligenz (KI), von der Microsofts Vorstandschef Satya Nadella eine Produktivitätssteigerung und Wachstum für die britische Wirtschaft vorhersagt. Den Plänen zufolge werde die Insel zukünftig zu einer „KI-Supermacht“, glaubt Nvidia-Boss Jen-Hsun Huang. „Hoffentlich wisst Ihr, was Ihr da macht“, scherzte Trump an die versammelten CEOs gerichtet.

Im Rüstungssektor gehört eine neue Ausrüstung für die britischen Streitkräfte zu der Vereinbarung. Die Daten-Auswertungsfirma Palantir liefert Technik im Wert von 864 Millionen Euro/806 Mio. Franken; etwa das Doppelte will das Unternehmen in den kommenden fünf Jahren auf der Insel investieren.

Was sagen die Skeptiker?

Der Palantir-Deal sei zu einseitig, glaubt der frühere Verteidigungsminister Ben Wallace. Wirkliche Zusammenarbeit würde darin bestehen, gemeinsam Jobs in der verarbeitenden Industrie zu schaffen.

Grundsätzlichere Einwände hat der frühere liberale Kabinettsminister und Meta-Vizepräsident Nick Clegg: Seine Heimat schwebe in der Gefahr, „ein Vasall der USA zu werden“. Bei den versprochenen KI-Investitionen handele es sich um „Brosamen von der Tech-Herren Tische“, glaubt Clegg und verweist auf den ungeheuren Energie-Bedarf der geplanten neuen Tech-Zentren. Derzeit verfüge das Königreich über Strom-Kapazität von 1,8 Gigawatt, dies solle bis 2030 auf sechs Gigawatt ausgebaut werden. „Genau so viel braucht ein einziges Datenzentrum, wie es meine alte Firma Meta gerade in Louisiana baut“, erläuterte Clegg der BBC.

Worüber wollten die Journalisten reden?

Bei der abschließenden Pressekonferenz kamen Meinungsverschiedenheiten aufs Tapet: über das beste Vorgehen, um Russlands Krieg gegen die Ukraine zu beenden; über Israels Krieg im Gaza-Streifen; über die beste Energie- und Migrationspolitik. Starmer brauche sich nicht zu scheuen, „das Militär einzusetzen“, empfahl Trump im Kampf gegen die irreguläre Einwanderung. Auch solle das Königreich weiterhin die Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee ausbeuten anstatt auf erneuerbare Energien zu setzen: „Windenergie ist ein teurer Witz.“ Der Premierminister lobte seine Rückführ-Abkommen mit Albanien und Frankreich sowie einen „pragmatischen“ Energie-Mix.

In Bezug auf Israel sprach Trump ausdrücklich von „Meinungsverschiedenheiten“. Während er die Rückkehr der noch in Haft gehaltenen Geiseln des 7. Oktober 2023 in den Vordergrund stellte, betont Großbritannien das Interesse an einer Lösung für die Region. Dazu soll die fürs Wochenende geplante Anerkennung Palästinas als Staat dienen.

Erstaunlich diplomatisch ließ Trump andere kontroverse Themen links liegen. Dazu gehörte die Meinungsfreiheit im Königreich, die US-Vizepräsident James „JD“ Vance für gefährdet hält. Ebenso wenig ging der Präsident auf die vergangene Woche erfolgte Abberufung des britischen Botschafters in Washington ein: Er kenne Peter Mandelson gar nicht.

Und die Ukraine?

Als einer der Anführer der sogenannten „Koalition der Willigen“ arbeitet Starmer seit Monaten an der Möglichkeit einer Friedenstruppe für das überfallene Land; dazu bedürfte es amerikanischer Garantien bei wichtiger logistischer Unterstützung wie Luftaufklärung und Transportkapazität. Washingtons Bereitschaft dazu bleibt, gelinde gesagt, unklar. Trump scheint seinen öffentlichen Äußerungen zufolge nicht einmal klar zu sein, wer den Konflikt vom Zaun gebrochen hat. „Putin hat mich enttäuscht“, wiederholte er am Donnerstag, betonte aber, der Konflikt habe keine Auswirkungen auf die USA.

Hingegen sehen die Briten die Sicherheit des westlichen Bündnisses in Gefahr, wie Starmer verdeutlichte. Einen Vorgeschmack auf solche Argumente des Premierministers hatte Trump bereits am Mittwochabend in der Bankettrede des Königs erhalten. Wie die beiden Staaten in zwei Weltkriegen gemeinsam gegen die Mächte der Tyrannei gefochten hätten, so seien sie heute, „da Tyrannei wieder Europa bedroht“, vereint in ihrem Beistand für die Ukraine, sagte Charles an seinen Besucher gewandt und fuhr fort: „Unsere Länder unterstützen gemeinsam die wichtigen diplomatischen Bemühungen, nicht zuletzt Ihren eigenen persönlichen Einsatz, Friedenslösungen zu finden.“

Wie wirkte das Verhältnis der beiden Regierungschefs?

Starmer sprach von seinem Besucher als einem „Regierungschef, den ich respektiere und mag“, ja von Freundschaft. Trump schwärmte von den „unbezahlbaren Beziehungen“ und der „unzerstörbaren Bindung“ zwischen den beiden anglo-amerikanischen Staaten. Die hohe Ehre eines zweiten Staatsbesuches sei „einzigartig“, freute sich der Anhänger aller Superlative. Am Morgen hatte sich der Präsident auf Schloss Windsor von König Charles verabschiedet und den drei Jahre Jüngeren dabei „einen großartigen Gentleman und guten König“ genannt; der Monarch reagierte verlegen.

Charles und seine Gattin Camilla hatten den Gästen am Mittwoch mit allen Freuden eines royalen Besuchs aufgewartet: Kutschfahrt, klingendes Spiel der Militärkapellen, eine Parade der Garderegimenter „mit so vielen Soldaten wie noch nie“, worauf die Briten stetig hinwiesen, zuletzt ein feierliches Staatsbankett.

Dass Melania auch in der Schatzkammer des Schlosses bei der Betrachtung anglo-amerikanischer Dokumente ihren breitkrempigen Hut aufbehielt, sorgte auf den unsozialen Medien für Heiterkeit. Die First Lady sei wohl „in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen“ worden, witzelte ein Humorist.

Trump will zwischen „Aber-baijan“ und Albanien vermittelt haben

Es ist kein Versprecher, es ist keine Verwechslung: Vermutlich staunten nicht wenige unter der Zuhörerschaft, als US-Präsident Donald Trump während der Pressekonferenz am Donnerstag mit dem britischen Premierminister Keir Starmer sich damit brüstete, den Krieg zwischen „Aber-baijan“ und Albanien beendet zu haben. Tatsächlich hatte Trump im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien vermittelt. Allerdings hatte er mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan im August im Oval Office ein Abkommen unterzeichnet, das den Bau einer Transitstrecke, die aserbaidschanische Territorien über armenisches Gebiet verbinden soll, besiegelt. Trumps Darstellung während der Pressekonferenz ist allerdings kein Versprecher. Bereits einige Male zuvor hatte der US-Präsident erklärt, zwischen „Aber-baijan“ und Albanien vermittelt zu haben. Offensichtlich traut sich niemand in Trumps Entourage ihn auf den Fehler hinzuweisen.