Am Mittwoch wirkte Michel Ries kurz nach Mittag erstaunlich frisch. Von Müdigkeit keine Spur – und das, obwohl der 27-Jährige erst am Montag aus Kanada zurückgekehrt war, mit zwei harten Rennen in den Beinen. „Ich habe mich gut erholt“, sagt Ries. „Man muss versuchen, die Erholung zu optimieren. Wir saßen eine Stunde nach dem Rennen am Sonntag schon im Bus zum Flughafen. Um 21 Uhr sind wir geflogen, im Flugzeug habe ich geschlafen. Um 9 Uhr war ich in Paris, am Nachmittag dann zu Hause.“
Beim Grand Prix in Québec belegte Ries am Freitag Rang 105, den Grand Prix von Montréal am Sonntag beendete er vorzeitig. Der Luxemburger ist jedoch nicht der Einzige, der die Reise von Nordamerika nach Luxemburg auf sich genommen hat: Auch Brandon McNulty (UAE), der den GP von Montréal gewann, Matias Skjelmose (Lidl-Trek) und Mikkel Frølich Honoré (EF Education-EasyPost) starteten am Mittwoch am Knuedler. „Ich muss zugeben, dass die Tour de Luxembourg für mich eine Extramotivation ist“, sagt Ries. „Würde ich an einem anderen Rennen nach den beiden kanadischen Rennen teilnehmen, hätte ich schon gesagt, dass es hart ist. Aber Luxemburg ist zu Hause – da vergisst man die Strapazen leichter.“
Über Kanada und Luxemburg nach China
Sechs Stunden Zeitunterschied müssen die Fahrer verkraften, die in Kanada gestartet sind. „Ob ich die Reise und die Rennen komplett verdaut habe, werden wir nach Sonntag sehen“, meint Ries. 2022 war er zuletzt bei der Luxemburg-Rundfahrt dabei, 2023 und 2024 passte er wegen der Spanien-Rundfahrt. „Vuelta und Tour de Luxembourg zu kombinieren, ist fast unmöglich. In den vergangenen beiden Jahren war ich daher nur als Zuschauer hier. Das hat wehgetan. Dieses Jahr fiel die Vuelta für mich aus, also war klar: Ich will unbedingt hier fahren.“
Mit den Rennen in Kanada und Luxemburg leitet Ries sein Saisonfinale ein. Vom 14. bis 19. Oktober wird er bei der Tour of Guangxi (2.UWT) in China am Start stehen und dort seine Saison beenden. 49 Renntage hat er bislang absolviert – ein Jahr, das ganz anders lief als geplant. „Es war für mich eine sehr schwere Saison“, sagt Ries. „Bis zum Giro d’Italia lief alles gut. Dann bin ich dort gestürzt, das war mental extrem schwer. Man arbeitet monatelang auf ein Rennen hin, geht drei Wochen ins Höhentrainingslager – und sitzt nach sechs Tagen wieder zu Hause.“
Etwas mehr als einen Monat nach seinem Sturz in Italien kehrte Ries beim Critérium du Dauphiné zurück und belegte Rang 49. Eigentlich sollte es anschließend zur Vuelta gehen, doch kurz vor dem Start entschied das Team anders. „Es kam in diesem Jahr immer etwas dazwischen. Ich bin nie in einen Rhythmus gekommen, in dem ich hätte sagen können: Jetzt läuft es.“
Dazu kommt die ungewisse Zukunft seines Teams Arkéa-B&B Hotels. Schon im Juni wurde bekannt, dass die beiden Hauptsponsoren aussteigen. Bis zum 1. Oktober müsse das Team eine Bankgarantie vorlegen, erklärte Manager Emmanuel Hubert in Le Parisien. Sonst „ist es vorbei“. Mit Raúl García Pierna (Movistar), Luca Mozzato (Tudor), Martin Tjøtta (Uno-X Mobility) und Jenthe Biermans (Cofidis) haben bereits mehrere Fahrer ihren Abschied angekündigt.
Team vor der Auflösung
Für Ries ist das eine schwierige Situation. „Das ist sicher nicht einfach, aber als Sportler darf man sich nicht zu sehr darauf fokussieren. Die gesamte Lage im Radsport ist kompliziert. Auch andere Teams haben eine ungewisse Zukunft. Wenn ich mich im Peloton umhöre, dann sind viele Radsportler unsicher, was ihre Zukunft anbelangt.“ Gerade für Fahrer wie Ries, die als Helfer im Team fungieren, ist es schwer, sich für andere Teams zu empfehlen. „Es ist sicher einfacher, ein Team zu finden, wenn man fünf Rennen im Jahr gewonnen hat. Als Helfer hast du keine Resultate, das macht es definitiv komplizierter. Wenn man dann noch keine super Saison fährt, wird es noch schwieriger.“ Fürs kommende Jahr hält sich Ries alle Optionen offen. „Momentan ist für mich nichts entschieden. Ich weiß nicht, wie es für mich weitergeht. Ich habe nichts unterschrieben und mir stehen insgesamt alle Türen offen.“
Zunächst liegt sein Fokus auf der Heimat-Rundfahrt: „Ich will dieses Rennen hier genießen“, sagt Ries. „Gerade in solchen Situationen lernt man, die kleinen Dinge zu schätzen.“ Zu was Ries in Luxemburg fähig sein wird, wusste er vor dem Start noch nicht ganz. Am Mittwoch verlor er als 43. 17 Sekunden auf Tagessieger Romain Grégoire (Groupama-FDJ). „Es ist schwer zu sagen, ob die Gesamtwertung für mich Sinn ergibt. Das Zeitfahren hat großen Einfluss und da gehöre ich nicht zu den Besten. Auch die Etappe am Freitag ist schwierig, die kurzen, steilen Anstiege liegen mir nicht besonders. Aber ich habe zuletzt genau daran gearbeitet. Der Parcours ist nicht ideal für mich, trotzdem will ich mich von meiner besten Seite zeigen.“ Und vielleicht ist das heimische Rennen noch mal die Chance, auf sich aufmerksam zu machen.
De Maart
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