Freitag7. November 2025

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EditorialKulturkritik und Pressefreiheit stehen in Luxemburg unter Druck

Editorial / Kulturkritik und Pressefreiheit stehen in Luxemburg unter Druck
Symbolbild zu Pressefreiheit Foto: Stefanie Eisenschenk, CC BY 2.0

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Die Lichter im Kinosaal sind erloschen. Der Filmkritiker haut in die Tasten. Es folgen drei kurze Sätze und ein vernichtendes Urteil: Der Debütfilm eines Teenie-Regisseurs enttäuscht. Der fühlt sich von der Kritik diskriminiert und kontert mit Drohgebärden. Monate nach dem Konflikt zweifelt er die Pressefreiheit in Luxemburg an. Was als Kulturaustausch begann, kippt in eine Grundsatzdebatte: Was bedeutet Kulturjournalismus? Und wie frei ist die Presse wirklich?

2023 beschmierte der Choreograph Marco Goecke eine Tanztheater-Kritikerin mit Kacke, weil sie seine Arbeit schlechtredete. Ein solcher Vorfall steht in Luxemburg noch aus. Die Betonung liegt auf „noch“, denn wie aus Les cahiers du ministère de la Culture zur Kulturpresse hervorgeht, sind Angriffe auf Kulturjournalist*innen auch hierzulande keine Seltenheit. „Viele luxemburgische Kritiker*innen können von ähnlichen Anekdoten berichten“, schreibt Josée Hansen, ehemalige Journalistin, im Vorwort. Es ist von Shitstorms, Wortgefechten und körperlichen Attacken die Rede. Übergriffe, die sich sowohl gegen die Betroffenen als auch gegen die Pressefreiheit richten.

Stellen wir eins klar: Kulturjournalismus muss unter denselben Bedingungen möglich sein wie jede andere Berichterstattung auch. Herzensprojekte, Egos oder die Ambitionen junger Nachwuchstalente dürfen dem nicht im Weg stehen. Das Kulturressort lebt von kritischen Berichten über politische Entscheidungen, von Verrissen sowie lobenden Rezensionen, von Interviews, Analysen, Porträts und Meldungen. Diese Vielfalt und Gründlichkeit ist es seinem potenziellen Publikum schuldig: Immerhin schreiben 82 Prozent der luxemburgischen Bevölkerung der Kultur eine wichtige Rolle in ihrem Leben zu („La vie culturelle au Luxembourg“, 2025). 

Schlagen manche Kulturjournalist*innen manchmal unter die Gürtellinie? Bestimmt. Kunstschaffende haben allgemein das Recht, ihrem Frust Luft zu machen oder die Kritik abzulehnen. Auch über den Tonfall mancher Kritiken lässt sich streiten, genauso wie über die Einhaltung des Code de déontologie des Presserats. Dort sind die Spielregeln für Journalist*innen klar definiert. Die Infragestellung der Pressefreiheit geht aber zu weit und ist hier fehl am Platz. An ihr hängt nämlich weit mehr als das Recht, eine „böse“ Filmkritik zu schreiben – und sie ist in Gefahr.

„Reporter ohne Grenzen“ erklärte 2025 zum „historischen Tiefstand“ der Pressefreiheit weltweit. Die Arte-Dokumentation „Unter Druck: Wie frei sind Europas Medien?“ führt eindrücklich vor, wie stark die Aggressivität gegenüber Journalist*innen auch in unseren Gegenden steigt. 2018 wurde der slowakische Journalist Jan Kuciak, der über Korruption berichtete, ermordet. Zwei Jahre später wurde der griechische Finanzjournalist Thanasis Koukakis überwacht. In Luxemburg erkannte der Journalistenverband ALJP die Slapps („Strategic lawsuit against public participation“) – Klagen zur Einschüchterung kritischer Medienschaffender – dieses Jahr als wachsendes Problem an. 

Zwischen Kacke-Attentat und Mord liegen natürlich Welten. Beides offenbart jedoch, unter welchen Bedingungen Autor*innen ihre Zeilen schreiben – von den Kulturjournalist*innen bis hin zu den Finanzreporter*innen. Es sind Umstände, die immer untragbarer werden. Es ist tragisch, dass das teilweise auch für den Kulturjournalismus gilt: Er begleitet einen Sektor, der sich seit Jahrhunderten gegen autoritäre Regime, gegen Zensur, gegen den Angriff auf Freiheit auflehnt. Der Kinosaal mag inzwischen längst leer sein, aber der Abspann – die Debatte – läuft weiter.


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„Vermësst!“ / Wenn in Luxemburg aus einem Schülerfilm ein Kulturstreit wird

Schram Sophie
18. September 2025 - 11.11

@Fräulein Smilla:
Diesen Namen habe ich nicht einmal erwähnt.
Sie selbst haben damit den Vergleich gezogen.

fraulein smilla
17. September 2025 - 17.50

@ Sophie Der Vergleich zwischen Goecke und Lunghi hinkt doch etwas .

Schram Sophie
17. September 2025 - 12.21

"Ein solcher Vorfall steht in Luxemburg noch aus."

Ach ja?...

Guy Mathey
17. September 2025 - 11.42

@ meris kelly: Freut mich, diesen Kommentar aus Ihrer Feder zu lesen! Zwar benutze ich persönlich seit geraumer Zeit systematisch die Gendersprache, dies um zum Ausdruck zu bringen, dass mir Inklusion am Herzen liegt.
Allerdings, und da bin ich absolut bei Ihnen, muss das auf freiwilliger Basis geschehen, alle Menschen haben die Freiheit zu entscheiden ob sie inklusive Sprache benutzen wollen oder nicht und jede(r) darf seine Meinung dazu äussern. Das nennt sich Meinungsfreiheit und Toleranz.
Mein innigster Wunsch wäre, wenn wir diese Herangehensweise auch auf andere, derzeit topaktuelle Themen ausweiten könnten. Dann hätten wir einen echten Fortschritt erzielt.
Ja der Artikel von Frau Spigarelli ist wieder mal exzellent.

meris kelly
17. September 2025 - 7.29

Interessanter Artikel, die Gendersternchen machen das Lesen leider zur Folter. Da es zum Thema passt, erlaube ich mir eine persönliche Kritik als Zeitungsleserin: Die literarische Qualität vieler gut aufgestellter und inhaltlich starker Artikel leider sehr unter Gendersternchen und Ähnlichem. Es bleibt die Entscheidung des Journalisten, solche Zeichen einzusetzen und ein Statement seiner Überzeugung darzulegen. Auch das ist Pressefreiheit. Leserfreiheit ist, es schrecklich zu finden und kritisieren zu dürfen.