Die Aufregung in Polen ist groß. „Heute sind wir alle sicher, wir sprechen über den Drohnen-Angriff von gestern“, sagt der TV-Sprecher zum Auftakt. Polens Privatsender TVN24 lädt zu einer fünfstündigen, nächtlichen Sondersendung über die beispiellose Attacke mit 19 Drohnen gegen das Land. Der Nachrichtensender hat nicht weniger als sechs Regionalreporter zugeschaltet. Vor nächtlicher Kulisse berichten sie im Scheinwerferlicht auf Feldern stehend von den wichtigsten Absturzstellen.
„Es gibt keinen Zutritt. Die Behörden sagen nichts. Die Drohnenteile wurden mit Plastik umwickelt und abtransportiert“, berichten fast alle von ihnen übereinstimmend. Sie berichten, von wo es fast nichts mehr Aktuelles zu berichten gibt. An einer Stelle ist eine mutmaßlich russische Drohne offenbar auf eine Einrichtung der polnischen Territorialverteidigung gestürzt. Mit Sprengköpfen ausgestattet sei sie wohl nicht gewesen, mutmaßt die TVN-Reporterin.
Die drei abgeschossenen Drohnen wurden offenbar alle von niederländischen F-35 Kampfflugzeugen vom Himmel geholt. Sie seien wohl auf dem Weg zum südostpolnischen Flughafen Rzeszow-Jasionka gewesen, hieß es am Donnerstag. Der rund 300 Kilometer südlich des stark von Drohnen betroffenen Dreiländerecks Polen-Belarus-Ukraine gelegene Flughafen ist der wichtigste Hub für westliche Waffen- und Hilfsgüter-Lieferungen in die Ukraine.
Bisher wurden erst 16 der mutmaßlich 19 Drohnen ganz oder in Trümmerteilen gefunden. „Diese Drohnen waren nicht bewaffnet“, teilte Polens Regierungssprecher Adam Szlapka am Donnerstag mit. Es handelte sich dabei also um sogenannte „Wabiks“, die polnische Bezeichnung für unbewaffnete Drohnen, die zum Ziel haben, den Verteidiger zu testen – oder aber ihn an der Nase herumzuführen. Laut der Staatsanwaltschaft der ostpolnischen Wojwodschaft Lublin, auf die die meisten Drohnen fielen, waren sechs davon mit kyrillischen Schriftzeichen versehen. Diese Schrift wird sowohl von Russland und Belarus als auch der Ukraine verwendet. Insider hatten am Mittwochabend gemeldet, der Schriftzug hätte viele Drohnen als Eigentum der russischen Armee ausgewiesen. Bestätigt ist dies indes nicht.
Warnung aus Minsk vor Drohnenansturm
Da etwa zwei Drittel der Drohnen aus dem eng mit Russland verbündeten Belarus in den polnischen Luftraum eingedrungen war, ist auch denkbar, dass es sich um belorussische Drohnen handelte. Der polnische Generalstabschef Wieslaw Kukula bestätigte in der Nacht zum Donnerstag, dass Minsk Warschau in der Nacht zum Mittwoch vor einem Ansturm von Drohnen gewarnt hatte.
„Belarus verfügt natürlich über eigene und selbst gebaute Drohnen in seiner Armee“, berichtet ein belarussischer Oppositionsaktivist am Telefon, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht in den Medien sehen will. Der politische Flüchtling in der EU gibt indes zu bedenken, dass auch Lukaschenko Angst vor Putin habe. Und dass in Belarus russische Truppen stationiert seien, die wiederum eigene Drohnen haben dürften. „Die große Menge von 19 Drohnen in einer Nacht spricht für einen gezielten russischen Test der NATO- und polnischen Luftabwehr“, schätzt der Informant.
Für zusätzliche Verwirrung sorgte in der litauischen Hauptstadt Vilnius der amerikanische NATO-Oberbefehlshaber für Europa, Alexus Grynkewich, der meinte, es „sei noch unklar“, ob die Drohnen den polnischen Luftraum absichtlich und zielgerichtet verletzt hätten. Zudem sagte Grynkewich, er hätte „wenig Vertrauen“ bezüglich der von Polen angegebenen Drohnenzahl. Die NATO müsse den ganzen Vorfall erst auswerten, sagte der US-Militär mit belorussischen Wurzeln.
Donald Tusk fordert mehr Unterstützung
In belorussischen Oppositionsmedien wird in den letzten beiden Tagen dazu die These diskutiert, dass China hinter der Attacke auf Polen stehen könnte. Warschau will nämlich ab Freitag sämtliche der wirtschaftlich wichtigen Transportkorridore zwischen China und der EU via Belarus auf Straße und Schiene schließen, und zwar mindestens so lange, bis das am Freitag beginnende russisch-belarussische „Zapad“-Manöver beendet ist. 13.000 Truppen wollen bei dem Manöver in den nächsten fünf Tagen die Einnahme der sogenannten Suwalki-Lücke simulieren. Der nur knapp 90 Kilometer breite, von der russischen Oblast Kaliningrad (Königsberg) und Belarus begrenzte Landstrich zwischen Polen und Litauen ist die einzige Landverbindung der NATO-Staaten zum Baltikum.
Inzwischen hat Polen eine UNO-Dringlichkeitssitzung wegen der Drohnen-Attacke beantragt. Auch haben die Außenminister Polens, Litauens und der Ukraine den mutmaßlich russischen Angriff gemeinsam verurteilt. „Weder Polen noch die NATO lassen sich einschüchtern“, versicherte Polens Außenminister Radoslaw Sikorski. „Russland muss endlich begreifen, dass der Versuch, das alte Imperium wieder aufzubauen, zum Scheitern verurteilt ist“, sagte der Pole. Polens Regierungschef Donald Tusk hat inzwischen von den NATO-Partnern mehr Unterstützung für Polen gefordert.
De Maart
Werden die von der Ukraine gestörten, unbewaffneten Modellflugzeuge die NATO in den Krieg ziehen können?....