Es klingelt und plötzlich steht eine fremde Person an der Türschwelle. Sie gibt an, etwas verkaufen oder anbieten zu wollen. Doch in Luxemburg stößt diese Praxis erst mal auf Misstrauen.
Die Firma Capner Europe SA musste dies aus eigener Hand erfahren. Sie ist seit März 2024 in Luxemburg „operativ“ und vertreibt u.a. Fotovoltaik-Anlagen. Im Juni 2024 geriet das Unternehmen Capner Europe SA unfreiwillig ins Rampenlicht. Damals berichtete das Tageblatt über eine Mitteilung der Gemeinde Monnerich, dass Handelsvertreter der Firma „Capner Group“ zur Erstellung einer sogenannten „Studie zur nachhaltigen Entwicklung“ von Tür zu Tür gingen. Im Juni 2025 folgten Berichte von Luxemburger Wort und L’essentiel, dass die Gemeinde Reckingen/Mess öffentlich vor den Praktiken von Capner warnte, nachdem sich mehrere Einwohner über „anhaltende Anrufe und unerwünschte Besuche“ beschwert hatten. Die Gemeinde Petingen äußerte sich im Juli mit einer ähnlichen Stellungnahme. Sanem und Differdingen folgten im August und September.Â

Was dabei auffällt: Alle Gemeinden befinden sich im Süden des Landes, wobei die besagte Firma ihren Sitz in Gasperich hat. François Brin ist Business-Initiator und PR-Manager von Capner Group. Im Gespräch mit dem Tageblatt am vergangenen Donnerstag gibt er an, dass die Firma in ganz Luxemburg tätig sei. Auf die Frage, warum die Beschwerden sich dennoch im Süden konzentrieren, antwortet Brin, dass die Süd-Gemeinden im ständigen Kontakt miteinander seien. In der Tat teilte der Schöffe von Sanem, Steve Gierenz (LSAP), dem Tageblatt ebenfalls am Donnerstag mit, bereits auf dem Laufenden gewesen zu sein: „Wir haben die Posts der anderen Gemeinden gesehen, die die Bürger proaktiv darüber informieren sollten, achtsam zu sein.“
Firma im Rampenlicht
François Brin von Capner sagt, er sei wütend darüber, wie seine Firma in der Öffentlichkeit dargestellt werde. Als Beispiel nennt er die Aussage des Verbraucherschutzes im Artikel von L’essentiel, dass 98 Prozent der Leute, die an die Haustür kommen, Betrüger seien. Dabei hebt er im Gespräch hervor, dass die Mitarbeiter von Capner stets durch ihre Kleidung und einen Ausweis zu erkennen seien. Die Ausbildung sei streng und falls ein Mitarbeiter das Haus betrete, würden disziplinarische Maßnahmen folgen. Zudem informiere Capner die Gemeinden im Voraus über ihre Haustürbesuche – eine Aussage, die sich mit der von Steve Gierenz deckt.
Brin hatte sich das Haustürgeschäft in Luxemburg anders vorgestellt. Er ist überrascht von der Ablehnung, mit der sein Unternehmen konfrontiert ist. Er lehnt zudem den negativ konnotierten Begriff „Colportage“ ab, der auf das Hausieren zurückgeht. Vielmehr spricht er von „Prospection“, also der Suche nach potenziellen neuen Kunden. Zudem würde Capner beim ersten Gespräch nichts verkaufen, sondern biete nur eine kostenlose Machbarkeitsstudie an. Die Strategie: Kundenbindung und die Hoffnung, danach Produkte verkaufen zu können. „Wir sind ein Unternehmen und das ist wie im sportlichen Wettbewerb: Wir sind gekommen, um die Goldmedaille zu gewinnen“, sagt Brin.

Doch dann kam alles anders: „Es stimmt, dass wir auch ein bisschen Panik bekommen haben.“ Aufgrund der Beschwerden und negativen Schlagzeilen sah sich das Unternehmen gezwungen, die Verkaufsstrategie anzupassen. Patrick Schaul vom Verbraucherschutz (ULC) sagt am Donnerstag gegenüber dem Tageblatt: „Es ist ruhig geworden um die Firma Capner“. Steve Gierenz gab an, dass die Firma Anfang September an seiner Haustür klingelte: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie frech oder unhöflich waren. Ich habe sofort mitgeteilt, dass ich nicht interessiert bin, und das hat er (der Verkäufer; Anm. d. Red.) auch so hingenommen.“
Was Verbraucher tun können
Der Haustürverkauf, auch bekannt als Kolportage, war lange Zeit in Luxemburg verboten, genau genommen seit 1850. Erst im Kontext der Liberalisierung der Marktwirtschaft und gemäß den Anforderungen der EU-Richtlinie 2011/83 stimmte das Parlament im Jahr 2014 mit 55 zu 5 Stimmen für eine Aufhebung des Verbots. Der Begriff „colportage“ wurde durch „contrat hors établissement“ ersetzt. Mit der neuen Gesetzgebung wurde außerdem ein Widerrufsrecht eingeführt. Verbraucher können folglich binnen 14 Tagen nach Vertragsschluss diesen wieder aufheben lassen. „Doch die Dienstleistung darf noch nicht angefangen haben“, mahnt Patrick Schaul von der ULC, „ganz viele Firmen, die klingeln, setzen auf Schnelligkeit. Sie wollen sofort mit den Arbeiten beginnen und sofort abkassieren.“
Personen, die Haustürbesuche gänzlich ablehnen, können dies mit einem Aufkleber „Colportage: Non merci“ kundtun, der sichtbar an der Haustür oder am Eingang der Wohnung anzubringen ist. Auch andere Texte sind erlaubt, sofern die Ablehnung deutlich gemacht wird. „Theoretisch dürfen die Firmen klingeln, wenn der Aufkleber nicht angebracht wurde. Wenn er jedoch sichtbar ist, dürfen sie nicht klingeln und riskieren Strafen, wenn sie es doch tun.“ Schaul fügt hinzu, dass die Sticker normalerweise in der Gemeinde und auf jeden Fall beim Verbraucherschutz erhältlich seien. „Ich würde zudem jedem wärmstens empfehlen, den Aufkleber zu besorgen und sichtbar aufzuhängen. Nicht, weil jede Kolportage schlecht ist, aber erfahrungsgemäß sind diese Firmen nicht immer seriös.“
Falls es zu einem Gespräch kommt und der Verbraucher am Produkt oder an der Dienstleistung interessiert ist, rät die ULC dazu, achtsam zu sein, den Vertrag nicht sofort zu unterschreiben und einen Kostenvoranschlag zu fordern, um das Angebot mit anderen vergleichen zu können. Die Verkaufsstrategie der Firmen sei vor allem, Druck auf die Kunden auszuüben, um schnell mit den Arbeiten anfangen zu können. Wichtig sei es, diese Entscheidung in Ruhe und nicht unter Druck zu fällen. Außerdem sollte überprüft werden, ob das werbende Unternehmen ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragen ist oder eine Zulassung hat. Die Links dazu sind im Infokasten vermerkt.
De Maart

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