Wenige Tage nach dem verkorksten Handelsdeal mit US-Präsident Donald Trump hat die EU-Kommission das nächste umstrittene Großprojekt auf den Weg gebracht: Die Brüsseler Behörde billigte das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern und leitete es zur Abstimmung an die 27 EU-Staaten weiter. Damit ist der Weg zur Ratifizierung frei – wenn nichts mehr schiefgeht.
Der Mercosur-Deal war im Dezember nach rund 20-jährigen, von Rückschlägen und Protesten überschatteten Verhandlungen fertiggestellt worden. Nach Angaben der EU-Kommission soll er die größte Freihandelszone der Welt schaffen und für Wachstum und Wohlstand sowohl in Europa als auch in Südamerika sorgen. „Heute ist ein Festtag“, freute sich Handelskommissar Maros Sefcovic.
Sefcovic schätzt, dass das Abkommen die Exporte nach Südamerika um bis zu 39 Prozent (jährlich 49 Milliarden Euro) steigern und mehr als 440.000 Arbeitsplätze in Europa absichern kann. Besonders große Chancen werden für die Autoindustrie, den Maschinenbau und die Pharmabranche gesehen. Umgekehrt hoffen Brasilien und Argentinien auf neue Märkte für Rindfleisch und andere Agrarprodukte.
„Deutsche Autos gegen Fleisch aus Südamerika“ – diese Formel gefällt jedoch nicht allen. Vor allem Frankreich und Polen haben massive Vorbehalte angemeldet. Auch Umwelt- und Verbraucherschützer sind auf den Barrikaden. Die Kritiker fürchten, dass europäische Landwirte in einen gnadenlosen Preiskampf verwickelt werden könnten und die Zerstörung des Regenwaldes sich noch beschleunigt.
440.000
Die EU-Kommission schätzt, dass das Abkommen die Exporte nach Südamerika um bis zu 39 Prozent (jährlich 49 Milliarden Euro) steigern und mehr als 440.000 Arbeitsplätze in Europa absichern kann
Die EU-Kommission will diesen Sorgen mit Schutzklauseln und Quoten begegnen. Außerdem hat sie einen Notfallmechanismus vorgeschlagen, der den Landwirten im Fall einer Krise helfen soll. Bei „Marktstörungen“ sollen bis zu 6,3 Milliarden Euro aus dem EU-Budget bereitstehen, sagte Sefcovic. Dies werde sogar durch einen eigenen Rechtsakt abgesichert, versicherte er.
Dennoch ist sich die EU-Kommission ihrer Sache offenbar nicht sicher. Das Abkommen wurde in einen Handelsteil und einen politischen Teil aufgesplittet. So kann der Handelsdeal nicht durch regionale oder nationale Parlamente aufgehalten werden, wie dies etwa beim CETA-Abkommen mit Kanada passiert ist. „Hier geht es nicht nur um den Handel, sondern um strategische Fragen“, mahnt Sefcovic.
Gemeinsam gegen Trump
Die EU hat in den letzten Jahren an Einfluss in Südamerika verloren. Nach dem Deal mit Trump, der für Europa sehr ungünstig ausgefallen ist, sucht sie händeringend nach neuen Märkten und Handelspartnern. Die Mercosur-Staaten bieten sich an, denn sie sind ebenfalls Opfer von Trumps Protektionismus geworden. Wenn möglich, solle das Abkommen noch in diesem Jahr ratifiziert werden, sagte Sefcovic.
Nun liegt der Ball bei den 27 EU-Staaten – und beim Europaparlament. Die ersten Reaktionen fallen gemischt aus. Deutschland gehört zu den Antreibern, Frankreich stand bisher auf der Bremse. Aus Berlin hieß es, Deutschland werde im EU-Rat auf jeden Fall mit Ja stimmen, versuche aber, mit Frankreich eine gemeinsame Haltung zu finden.
Das könnte wegen der Regierungskrise in Paris schwierig werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spekuliert darauf, dass Frankreich zu schwach sei, um Widerstand zu leisten – doch dieses Kalkül könnte auch täuschen. Weniger Gegenwehr ist aus Polen zu erwarten. Man werde die Verabschiedung nicht mehr verhindern können, sagte Regierungschef Donald Tusk in Warschau. Auch Österreich überdenkt seine ablehnende Haltung.
Unübersichtlich ist die Lage im Europaparlament. Das Abkommen sei „nötig wie nie zuvor“, sagte der Chef des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD). Doch auch hier gibt es Bedenken quer durch alle Fraktionen. Gegen den Mercosur-Deal sprach sich Anna Cavazzini von den Grünen aus: Es werde „zu mehr Entwaldung führen und zur Zerstörung der grünen Lunge unseres Planeten beitragen“. Die Grünen wollen deshalb, wie die Linke, mit Nein stimmen.
De Maart
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