Donnerstag6. November 2025

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Forum von Guy RewenigWillibrord im Dirndl – Ein Prosit auf die neue Echternacher Bierrausch-Kultur

Forum von Guy Rewenig / Willibrord im Dirndl – Ein Prosit auf die neue Echternacher Bierrausch-Kultur
  Symbolfoto: dpa/Sven Hoppe

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Das traute sich noch kein Kulturtempel: Das Echternacher Trifolion eröffnet seine neue Saison mit einem „Oktoberfest“. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine kabarettistische Aufarbeitung der ur-bayerischen Kalamität mit den Mitteln kritischer Theaterkunst, sondern um eine möglichst orginalgetreue Imitation der Münchner Wiesn, fernab aller Ironie. Mit dieser revolutionären Neuerung sticht der zuständige Direktor alle konkurrierenden Luxemburger Kulturzentren aus. Die dümpeln nämlich weiterhin brav in ihrer intellektuellen Blase vor sich hin. In Echternach hingegen wird der Intellekt mutig ausgeschaltet. Die heiligen Hallen mutieren zum temporären Bierrauschparadies. Vor diesem kulturellen Paradigmenwechsel muss man den Hut ziehen. Hier ist wenigstens noch nicht Hopfen und Malz verloren.

Wir können uns vorstellen, dass dem Direktor dieser Bavaria-Kniefall nicht leichtgefallen ist. Er ist selber ein vortrefflicher Jazzmusiker, also in einer Sparte mit sehr überschaubarem Publikumszuspruch tätig. Er weiß genau, was es für sein Haus bedeutet, wenn er Jahr für Jahr eine spärliche Besucherbilanz vorlegen muss. Die hohe Kunst mobilisiert leider keine Massen. Daher ist Erfindungsgeist gefragt, um die klammen Trifolion-Kassen aufzupeppen. Dass der Direktor allerdings gleich mit einer echten Kultursensation aufwartet, einem teutonischen Donnerschlag sozusagen, zeugt von künstlerischer Raffinesse und merkantilem Gespür. Sein Vorgänger hat ihm vor Jahren den Weg geebnet, indem er beherzt tief in den rechten Misthaufen griff und damit etwas fertigbrachte, was keinem luxemburgischen Kulturmanager eingefallen wäre: Seine Einladung an den rechtsextremen Publizisten Thilo Sarrazin, im Trifolion sein neuestes Schwurbler-Buch vorzustellen, sollte angeblich „bisher nicht erreichte Besucherschichten erschließen“. Hat der braune Vorstoß gefruchtet? Wimmelt es seither im Trifolion vor AfD-Sympathisanten?

Dickschädelig, lautstark, eminent sauffreudig …

Nein, wir möchten auf keinen Fall das Oktoberfest auf das gleiche Niveau wie die unappetitlichen Schriften des Herrn Sarrazin heben. Es fällt nur auf, dass einmal mehr ein rechtslastiger, deutschtümelnder Kunstgriff das Trifolion aufwerten soll. Aber sind das nicht zweitrangige Bedenken notorischer „Preisefrësser“? Natürlich ist nicht zu bestreiten: Das Oktoberfest steht für alles, was den Menschen in den tiefsten Tiefen seiner Natur ausmacht. Wer zum Oktoberfest geht, der möchte seine unverfälschte humane Grobschlächtigkeit ohne Scheu öffentlich zeigen. Der pfeift fröhlich auf das ganze ornamentale Kulturklimbim. Der tritt auf, wie er ist: Dickschädelig, lautstark, eminent sauffreudig, hemmungslos verfressen, ansprechbar für misogyne Witze, Blödsinn verzapfend, also hundertprozentig authentisch und liebenswert. Der typische Oktoberfest-Bayer hat alle Qualitäten, die unserer heimischen Kultur noch weitgehend fehlen. Von diesen Sympathiebolzen lassen wir uns liebend gern kulturell kolonisieren. Am bayerischen Wesen soll Echternach genesen.

Nur ein Detail will uns nicht einleuchten. Dem Luxemburger Wort erzählte der Direktor, es gehe nicht darum, ein „Saufevent“ zu veranstalten, im Fokus stehe die Livemusik. Doch in seinem eigenen Programmheft schreibt er, nach einem Grußwort ganz im bayerischen Dialekt („Echternach, haltet’s eich an eure Maßkrüag – jetzt geht’s rund! Zum allererst’n Moi überhaupt wird aus’m Kultur- und Kongresszentrum a gscheide boarische Gaudi“): „Wenn ihr das nicht versteht, ist das überhaupt kein Problem – nach ein paar Maß klappt das schon!“ Also doch ein Saufevent? Warum auch nicht? Ohnehin dient die Livemusik bei einem Oktoberfest nur dazu, die Saufbereitschaft anzukurbeln und zu beschleunigen. Und wenn es stimmt, dass man nach ein paar Litern Weizenbier plötzlich Bayerisch versteht, sollte diese Lernmethode unbedingt flächendeckend im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden. Ganz im Sinne der alkoholbetonten Echternacher Kulturvermittlung.

„Den Leuten das geben, was sie wollen“

Ist doch wahr: Nur geistige Nahrung macht nicht fett. Der Mensch braucht Flüssiges und handfeste Kost. Was erreicht man denn mit der kalorienarmen, weihevollen Sangeskunst von Chören wie Ambitus oder Ensemble vocal du Luxembourg? Was bewirken die kostbaren Auftritte von Sinfonietta Echternach, l’Arpa festante oder vom Leipziger Streichquartett? Bei diesen Darbietungen müssen die Zuhörer:innen still und reglos auf ihren Sitzen verharren, um die erhabene Stimmung nicht zu stören. Bis heimtückische Wadenkrämpfe endgültig den Kunstgenuss zunichtemachen. Das kennen wir doch alle: Man hält es fast nicht mehr aus auf seinem Platz, weil die Chöre und Orchester vor lauter Entrücktheit einfach kein Ende finden. Die Kunst wird im Handumdrehen zur Folter. Man schwört sich, nie mehr einen Fuß ins Trifolion zu setzen. Das Oktoberfest hingegen fördert Partizipation und Inklusion. Grölen und Schunkeln sind nicht nur gesund für die Stimmbänder, sondern auch für die müden Glieder. Ein früher zum Schweigen verdammter Zuhörer wird hier zum befreiten, fröhlich lärmenden und bierselig mampfenden Akteur. Er ist selber Träger des Spektakels. Er braucht keine Bühne mit schicken Virtuosen. An et gëtt eppes ze schluppen an ze baffen.

Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Mir fällt ein Stein vom Herzen und zertrümmert meinen dicken Zeh. Miniaturen“.
Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Mir fällt ein Stein vom Herzen und zertrümmert meinen dicken Zeh. Miniaturen“. Foto: privat

In seinem Gespräch mit dem Luxemburger Wort (20.8.25) brachte es der Direktor auf den Punkt: „Wir möchten nicht nur ,L’art pour l’art‘ machen. Wir möchten den Leuten das geben, was sie wollen, was sie interessiert.“ Und was wollen die Leute? Was interessiert sie brennend? Oktoberfeste natürlich. Die gibt es hierzulande mittlerweile zuhauf. Was noch fehlte, war eine Oktoberfest-Edelvariante, angesiedelt auf der obersten Kulturetage. Also die alkoholisierte Randale als Kunstform. Kultur dient demnach nicht der geistigen Horizonterweiterung, wie wir irrtümlich glaubten, sondern der primären Bedürfnisbefriedigung. Das Trifolion als besseres Bierzelt: Das haben wir jetzt geschnallt. Gleich morgen geht’s ins original bayerische Trachtenkaufhaus. Eine gesäßfreundliche Lederhose wird ja wohl aufzutreiben sein. Oder vielleicht ein fesches Dirndl? Der heilige Willibrord wird ein Auge zudrücken. Darauf eine Maß. Oder ganz maßlos gleich zwei.

Grober J-P.
10. September 2025 - 11.15

"unbedingt flächendeckend im Fremdsprachenunterricht" Am 26 September wird je gefeiert! Mal mitmachen, wäre sehr lustig, wenn es nicht so peinlich wäre. Prost mit Eiswasser am 26.

JJ
3. September 2025 - 8.47

Köstlich wie immer. Oktoberfest bei Willibrord vor der Tür. Da fällt der letzte Rest von Selbstachtung.
"Und solang der Krug mit Bier sich füllt,bleiben wir noch a wenga sitzn,zum Saufen und Juchitzn." (Hubert v.Goisern)
Na denn Prost.

Reinertz Barriera Manfred
3. September 2025 - 7.13

Kultur und Saufen passen zusammen im Länd'schen, was soll's also Prosit und weiter machen...