Dienstag21. Oktober 2025

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Zwischen Ideal und InflationWarum auch Tierärzte in Luxemburg die Preise anheben müssen

Zwischen Ideal und Inflation / Warum auch Tierärzte in Luxemburg die Preise anheben müssen
In Luxemburg entscheidet jede Praxis selbst, wie teuer ihre Leistungen sein sollen Foto: Carole Theisen

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In Deutschland hat eine neue Gebührenordnung (GOT) die Preise für Tierarztbesuche spürbar nach oben geschoben – bis zu 25 Prozent mehr zahlen Besitzer seit Ende 2022. In Luxemburg gibt es so etwas nicht. Hier gibt es keine gesetzlich festgelegten Tarife, keine staatliche Gebührenordnung. Trotzdem steigen auch hier die Kosten. Warum?

Dr. Malou Blasen ist Präsidentin des Tierärzteverbands AMVL
Dr. Malou Blasen ist Präsidentin des Tierärzteverbands AMVL Foto: privat

„In Luxemburg darf jeder Tierarzt seine Preise selbst festlegen. Eine fixe Basis wie in Deutschland haben wir nicht – und dürfen wir auch nicht haben, sonst wäre es ein Verstoß gegen das Gesetz der Kartellbildung“, sagt Dr. Malou Blasen, Präsidentin des Tierärzteverbands AMVL („Association des médecins vétérinaires du Grand-Duché de Luxembourg“). „Das heißt, jede Praxis entscheidet selbst, wie teuer oder günstig sie Leistungen anbietet.“ Klingt nach Freiheit. In der Praxis bedeutet es aber: Die Preise orientieren sich an etwas ganz anderem – an steigenden Kosten im Hintergrund.

„Allein die Indextranche bei den Löhnen hat mich im letzten Jahr über 10.000 Euro mehr gekostet“, erzählt Blasen. Ihre Praxis beschäftigt zwei Angestellte – Leute, die Telefonate annehmen, Medikamente bestellen, Instrumente vorbereiten, den Laden am Laufen halten. „Früher hat ein Tierarzt alles allein gemacht, aber das ist heute unmöglich. Wer versucht, gleichzeitig zu operieren, zu beraten, zu putzen und Rechnungen zu schreiben, der landet im Burn-out.“

Globalisierung, Pandemie, geopolitische Spannungen

Und Gehälter sind nicht das Einzige, was nach oben geht. „Mieten, Strom, Heizung – alles ist teurer geworden. Unsere Praxen sind kleine Betriebe, wir merken jeden Cent.“

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendein Präparat im Preis steigt

Hinzu kommt, dass Medikamente teurer werden – und manchmal gar nicht mehr verfügbar sind. „Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendein Präparat im Preis steigt“, sagt Blasen. „Wir bestellen bei Großhändlern, die aus Belgien, Frankreich oder Deutschland beziehen. Aber oft ist etwas schlicht nicht lieferbar.“

Die Gründe? Globalisierung, Pandemie, geopolitische Spannungen. „Die aktuellen Turbulenzen auf den Weltmärkten – mit Trump und anderen politischen Spannungen – wirken sich am Ende selbst auf etwas so Konkretes wie die Herzmedikamente für meinen Hund aus“, erklärt Blasen. Viele Tiermedikamente werden in China oder Südamerika produziert. Seit der Pandemie sind Lieferketten instabil, Produktionsstätten werden verlagert, Konzerne fusionieren. „Wenn eine Firma aufgekauft wird, verschwindet oft ein Präparat einfach vom Markt, weil der neue Eigentümer sich für ein anderes Produkt entscheidet.“

Kunden merken auch, wenn plötzlich Blutanalysen teurer sind. „Die Geräte, die wir dafür brauchen, sind im Preis explodiert. Beim letzten Mal dachte ich, man hätte sich vertippt“, sagt Blasen. „Aber nein – das waren die neuen Preise. Und die müssen wir an die Kunden weitergeben, sonst arbeiten wir mit Verlust.“

Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass wir jahrelang oft zu günstig gearbeitet haben

In Deutschland war die Lage lange umgekehrt: Dort waren die Tierarztkosten jahrelang eingefroren. Erst nach 13 Jahren wurde die GOT reformiert – dann aber mit voller Wucht. „Die deutschen Preise sind auf einmal massiv gestiegen, weil so lange nichts passiert war“, erklärt Blasen. „Im Vergleich liegen wir in Luxemburg bei vielen Behandlungen noch darunter.“

Der Unterschied: In Deutschland gibt es nun klare Vorgaben. In Luxemburg bleibt es individuell. „Wir haben keine festgesetzten Tarife. Aber was feststeht: Alles, was wir einkaufen, ist teurer geworden. Und das schlägt sich am Ende in der Rechnung nieder.“

Mehr Leistung, mehr Verantwortung

Die Erwartungen der Besitzer steigen ebenfalls. Früher waren spezialisierte Behandlungen nur in großen Kliniken möglich. Heute leisten auch kleinere Praxen deutlich mehr. „Die Klinik in Bettemburg arbeitet fast auf dem Niveau von Hofheim bei Frankfurt – einem der großen Onkologiezentren in Europa“, sagt Blasen. „Das bedeutet, dass unsere Kunden Zugang zu High-End-Medizin haben. Und das kostet eben.“

Und: Im Gegensatz zur Humanmedizin steht hinter Tierärzten in Luxemburg kein Staat, der Kosten abfedert. „Wir sind unabhängig. Wenn jemand nachts mit seinem Tier in die Notaufnahme kommt, ist das nicht wie im Krankenhaus, das staatlich mitfinanziert wird.“

„Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass wir jahrelang oft zu günstig gearbeitet haben“, sagt Blasen. „Man vergleiche das mal mit einem Schlüsseldienst: Wer sich aussperrt, zahlt abends hunderte Euro, nur damit jemand eine Tür öffnet. Für eine Notfall-Behandlung am Tier mitten in der Nacht zahlen die Leute oft weniger – obwohl es um ein Lebewesen geht.“ Natürlich variieren die Preise der Behandlung je nach Schwere des zu behandelnden Notfalls.

Die Realität ist: Alles wird teurer, auch Tiermedizin. Und die Entwicklung wird weitergehen. „Natürlich ist das für viele nicht einfach“, sagt Blasen. „Aber wir haben keine Wahl. Wir können nicht draufzahlen. Wir wollen gute Medizin machen – und die hat ihren Preis.“

Viele Tiermedikamente werden in China oder Südamerika produziert
Viele Tiermedikamente werden in China oder Südamerika produziert Foto: Carole Theisen
BPat
1. September 2025 - 13.10

JeVi

Der Index hat nicht nur Auswirkungen auf die Lohnkosten. Alles wird nach einer Indextranche teurer . Der Behandlungsakt an sich oder die Miete für die Praxis

JeVi
1. September 2025 - 11.04

So entsteht Polemik rund um den Index:
Wenn sie tatsächlich allein aufgrund einer Indextranche Mehrkosten von 10'000€ hat, möchte jeder bei ihr arbeiten, denn dann ist das Gehalt dort mehr als königlich.
Hier eine (sehr großzügig ausgelegte und immer hochgerundete) Berechnung: Qualifizierter Mindestlohn 3250€; Indextranche von 2,5% = 82€; darauf 25% Sozialabgaben (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) = 103€ Mehrkosten pro Monat und Arbeitnehmer; x 13 (falls denn ein 13. Monatsgehalt ausgezahlt wird!) = 1339€ pro Arbeitnehmer, pro Jahr.
Liebe Frau Dr Blasen, da sind wir aber noch sehr weit von 10'000€ Mehrkosten bei 2 Angestellten entfernt (oder ist da Ihr Einkommen mit einberechnet?)
Nun denn, Sie sind ja Tierärztin und nicht Mathematikerin oder so...