„Haut gëtt e gudden Dag! Ech loosse mer dee vun näischt vermisen“, sagt Christine Schott laut, fast trotzig, aber mit einem Lächeln. Die 41-Jährige lebt von 70 Euro pro Woche. Sie hat Kinder, die sie derzeit nicht bei sich hat – erst wenn sie eine größere Wohnung findet, darf sie sie zurückholen. Seit Jahren kämpft sie darum, vergeblich. Sie will nicht jammern, obwohl sie allen Grund dazu hätte. Depressionen, finanzielle Not, keine Perspektive. Aber heute ist anders. Sie freut sich auf die Fahrgeschäfte: „Take Off oder Breakdance, das ist voll mein Ding. Ich muss ein wenig Adrenalin loswerden.“

Seit 20 Jahren ist Schott mit der „Stëmm“ verbunden. „Sie haben mich immer begleitet. Ich weiß, wie es ist, wenn man nichts hat. Deshalb ist dieser Tag so wichtig.“
Seit mittlerweile zehn Jahren organisiert die „Stëmm vun der Strooss“, eine Luxemburger NGO, die seit 1996 Menschen in prekären Situationen unterstützt – Obdachlose, Arbeitssuchende, Ex-Häftlinge, Geflüchtete, Menschen mit psychischen Problemen oder Abhängigkeiten – einen Ausflug zur „Schueberfouer“ für Menschen, die sich das sonst nicht leisten könnten. Für Menschen, die oft vergessen werden.
Wochen im Voraus freuen sich die Menschen
Bob Ritz, Kommunikationsbeauftragter der Stëmm, steht am Eingang der Fouer und blickt auf die Menge. Rund 200 Menschen sind gekommen – aus Hollerich, Esch und Ettelbrück. „Die Leute freuen sich Wochen im Voraus“, sagt Ritz. „Sie wissen: Wenn die Fouer kommt, dann gibt’s diesen einen Tag, wo wir zusammen hingehen. Einfach mal raus aus dem Alltag.“
Die Stëmm hat Fouer-Bons im Wert von 5.000 Euro gekauft – das bedeutet vier Fahrten pro Person. Und später ein warmes Mittagessen, gespendet von den Restaurants „Kessel“ und „Friture Joselet“.
Wie groß der Aufwand ist, erzählt Sozialarbeiter Martin Chemello: „Wir machen Präsenzlisten, teilen Tickets aus, begleiten sie durch den Tag. Das Ziel ist einfach: den Menschen eine Freude zu machen.“ Ab 15.30 Uhr öffnen zwei Restaurants ihre Türen: Die „Friture Joselet“ und das Restaurant „Kessel“ laden die Stëmm zum Mittagessen ein – aus Überzeugung. Mick Loguercio, Inhaber der „Friture Joselet“, erinnert sich an die spontane Entscheidung im Vorjahr, als die Stëmm fragte, ob er mitmachen wolle. Für ihn und seinen Bruder war die Antwort klar: „Wir haben sofort Ja gesagt, weil es Menschen sind, die vielleicht nicht dieselben Chancen haben wie wir – auf Arbeit, auf ein Zuhause, auf ein stabiles Leben.“
Die Brüder haben bereits in anderen sozialen Projekten mitgewirkt, Spendenaktionen organisiert und sich für gute Zwecke engagiert. „Für uns war es selbstverständlich, etwas zurückzugeben. Den Menschen eine kleine Freude zu bereiten in einem Alltag, der vielleicht nicht so schön ist.“ Auf dem Menü steht „Bouchée à la reine“ – für Vegetarier gibt es vegetarische Burger.
Auch Jerôme Bigard vom „Restaurant Kessel“ ist schon lange dabei. Die Idee entstand vor zehn Jahren, als seine Mutter als Freiwillige bei der Stëmm mitarbeitete. „Sie hatte die Idee, die Leute einfach mal hier ins Restaurant einzuladen – und seitdem machen wir das jedes Jahr.“ Für ihn ist es eine Herzensangelegenheit, die längst zur Tradition geworden ist. Ein gedeckter Tisch, ein warmes Essen, ein freundliches Wort – für viele der Gäste keine Selbstverständlichkeit. „Normalerweise haben unsere Leute keinen Platz in solchen Restaurants“, sagt Bob Ritz. „Heute können sie einfach mal Mensch sein, ein bisschen Zwischenmenschlichkeit erleben.“
„Einfach mal nicht allein sein“
Romain Schaaf und seine Frau Mathilde sind seit 34 Jahren verheiratet. „Ich hatte gestern Geburtstag – 69 Jahre. Das hier ist mein Geschenk!“, erzählt er. „Wir gehen zwar nicht auf die gefährlichen Fahrgeschäfte, aber wir waren gerade in der Geisterbahn. Danach fahren wir noch mit dem Riesenrad und dem alten Karussell.“ Seine Frau nickt mit einem Lächeln. Dann erzählt er von seinem Leben: „Wir leben seit 20 Jahren in Deutschland. Ich habe hier 35 Jahre lang gearbeitet, beim Staat. Dann bekam ich Asthma und mein Herz wurde krank – sieben Operationen. Ich erhielt eine Invalidenrente, aber sie haben mich einfach aus dem Krankenschein geworfen.“
Die Fouer wäre ohne die Stëmm nicht möglich. „Wenn es sie nicht gäbe, könnten viele Menschen nicht zur Fouer gehen.“ Seine Frau sieht das genauso: „Ich bin froh, dass es die Stëmm gibt. Sie muss unterstützt werden – mit allen Mitteln!“
Carine und ihr Verlobter Laurent sind aus Longwy angereist. „Er hat mir das hier gezeigt, als wir uns kennengelernt haben“, erzählt Carine. „Jetzt kommen wir immer zusammen hierher – einfach, weil’s schön ist. Einfach ein schöner Tag!“
Enrique ist mit seiner Familie da. Sie kommen aus Venezuela, leben jetzt in Luxemburg. „Wir sind hier, um gemeinsam Zeit zu verbringen“, sagt er. „Nicht nur wegen des Essens, sondern weil wir zusammen lachen wollen, spielen, fahren. Die Kinder freuen sich riesig.“
Auch David will einfach „eine tolle Zeit“ haben. Carmen Eberlé schmiegt sich an seinen Arm: „Ich freue mich einfach auf die Gesellschaft.“ Für sie ist nicht das Essen das Highlight – sondern das Zusammensein: „Einfach mal nicht allein sein.“
Yvon kommt ursprünglich aus Guinea, lebt heute in Luxemburg. „Ich liebe dieses Land“, sagt sie. „Es ist ruhig, offen. Ich bin dankbar für alles, was die Stëmm für uns tut. Immer wenn ich dort ankomme, habe ich Tränen in den Augen. Ich liebe dich, Luxemburg!“
Beim Rundgang über die Fouer teilen sich die zahlreichen Teilnehmer in kleinere Gruppen auf. Am „Airwolf“ treffen wir auf vier junge Männer: Jarek sitzt angeschnallt im Fahrgeschäft, bereit für die Fahrt. Unten warten seine Freunde Jan, Sandor und Lukasz – und Hund Foxy. Jarek ist aufgeregt, ruft nach unten, wippt mit den Beinen. Als sich die Gondel hebt, streckt er die Arme aus und lacht. Es ist ein einfacher, aber emotionaler Moment.
Doch auch die Schausteller freuen sich über die Aktion: Brigitte Nielsen von „Hawaii Früchte Nielsen“ verteilt Schoko-Obstspieße an die Besucher der Stëmm. „Ich finde es super“, sagt sie. „Menschen zu helfen, die es brauchen – das ist wichtig.“ Sie hätte gerne früher von der Aktion erfahren, um sich stärker einzubringen. Für sie ist klar: Wer helfen kann, sollte es tun – ohne großes Aufheben.
De Maart


















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