Montag22. Dezember 2025

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Spektakulärer KunsttransportWarum Ernst Ludwig Kirchners „Sonntag der Bergbauern“ von Berlin nach Bern musste

Spektakulärer Kunsttransport / Warum Ernst Ludwig Kirchners „Sonntag der Bergbauern“ von Berlin nach Bern musste
Ein Werk auf Reise: „Sonntag der Bergbauern“ (1923-24) von Ernst Ludwig Kirchner Copyright: Bundesrepublik Deutschland

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Ein spektakulärer Kunsttransport von Berlin nach Bern weckt die Neugierde: Was erwartet das Publikum in der Ausstellung „Kirchner x Kirchner“? 

Wer in der Schweiz eine Referenzstadt in puncto Museen sucht, denkt meist an Basel. Die Hauptstadt Bern sollte man aber nicht unterschätzen, sorgt doch das Kunstzentrum Paul Klee für ein vielseitiges und international ausgerichtetes Angebot. Ab dem 12. September kommt es zu der Ausstellung „Kirchner x Kirchner“. Aus diesem Anlass wurde übers Wochenende „Sonntag der Bergbauern“, ein Hauptwerk von Ernst Ludwig Kirchner, aus dem Bundeskanzleramt in Berlin nach Bern überführt.

Einzigartige Leihgabe

Fernsehzuschauer der deutschen Nachrichtensendungen haben bei Berichterstattungen über Kabinettsrunden, ob unter Merkel, Scholz oder Merz, um nur ein paar Namen zu nennen, das bedeutende Werk von Ernst Ludwig Kirchner im Hintergrund erblickt, wohl meist ohne sich einen Reim darauf zu machen, um welches Kunstwerk es sich handelt und wieso es an dieser Stelle hängt. Um seine umfangreiche und kunstgeschichtlich gut fundierte Ausstellung von Kirchner über Kirchner zu gestalten, musste dieses Bild einfach nach Bern ins Klee Zentrum gebracht werden.

Die Transportkiste wird per Kran aus dem Berliner Bundeskanzleramt herausbefördert 
Die Transportkiste wird per Kran aus dem Berliner Bundeskanzleramt herausbefördert  Foto: Anne-Cécile Foulon/Copyright: Kunstmuseum Bern

Die Ankündigung des Zentrums begründete diese Initiative u.a. so: „Das Kunstzentrum Bern erinnert mit dieser Ausstellung an die umfangreichste Retrospektive zu Lebzeiten des Künstlers, die 1933 in der Kunsthalle Bern stattfand und die er selbst kuratierte.“ Die Schau „Kirchner x Kirchner“ präsentiert den Künstler als Kurator seines „eigenen Werkes“ und zeigt, „wie er durch gezielte Gegenüberstellungen und Überarbeitungen mancher Werke seinen künstlerischen Lebenslauf interpretierte und inszenierte“.

65 ausgewählte Werke des Künstlers sind zu sehen, doch das wichtige Ereignis der Ausstellung ist die Wiedervereinigung des monumentalen Werkpaares „Alpsonntag, Szene am Brunnen“ (1923-24) (Sammlung Klee Zentrum) und „Sonntag der Bergbauern“ (1923-24) (Kabinettsaal des Bundeskanzleramtes, Berlin). Obwohl die beiden Gemälde seinerzeit als „Pendants konzipiert“ waren, präzisiert das Zentrum, dass „die beiden monumentalen Gemälde seit 1933 nie wieder gemeinsam zu sehen waren“. Das von Berlin nach Bern überführte Ölgemälde „Sonntag der Bergbauern“ ist vier Meter lang und 1,70 hoch. Es musste mit einem Kran über die Terrasse des Kanzleramtes in den Ehrenhof gehievt werden. Kurzum, diese Leihgabe hat in Berlin für Aufsehen gesorgt. Apropos, es wurde durch das Bild „Neue Sterne“ von der Schweizer Künstlerin Meret Oppenheim (1913-1985) ersetzt und vom Klee Zentrum zur Verfügung gestellt.

„Brücke“-Gründer Kirchner als „entartet“ eingestuft

Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) wurde in Aschaffenburg geboren, er starb am 15. Juni 1938 in Frauenkirch (heute Davos) durch „Freitod“. Er studierte Architektur, wandte sich aber schnell der bildenden Kunst zu und gründete die Gruppe „Die Brücke“, zusammen mit Zeitgenossen wie Fritz Bleyl, Erich Heckel oder Karl Schmidt-Rottluff. Die vier Künstler wurden als Vorboten des „deutschen Expressionismus“ genannt. Von Dresden ausgehend verlagerte die Gruppe ihre Tätigkeit nach Berlin, wo sie sich um 1913 auflöste. Interessant ist, dass alle Künstler dieser Gruppe von den Nationalsozialisten als „entartet“ abgestraft wurden. Ihre Werke, so hält ein Kunst-Lexikon fest, wurden „beschlagnahmt“ und „zerstört“ oder ins Ausland verkauft.

Infos

„Kirchner x Kirchner“, vom 12. September bis zum 11. Januar 2026 im Kunstzentrum Bern, Hodlerstraße 8-12, 3011 Bern. Es gibt einen Ausstellungskatalog. Weitere Infos: kunstzentrumbern.ch

Von 1911 bis 1918 weilte Kirchner in Berlin und dann nach schwerer Krankheit bis zu seinem Tode in Frauenkirch. Er bediente sich anfangs kräftiger Farben, übte sich in Formkontrasten. Beides Stilelemente, die in seinem späteren Werk eher schwächer zum Ausdruck gelangten. In seiner Berliner Zeit rückten „Straßen- und Varieté-Szenen“ in den Fokus seiner Werke. In der Schweiz fühlte er sich von den imposanten Berglandschaften angezogen und in seinem „Spätwerk“ wagte er sich – unter dem Einfluss von Picasso – an andere Kompositionen und den gezielten Einsatz von Farbelementen. Neben seinen Ölgemälden weist Kirchner gleichwohl ein bedeutendes grafisches Werk auf, auch hat er ansehnliche bildhauerische Arbeiten realisiert.