Angesichts der aufgeheizten Asyl-Debatte in Großbritannien steht den Polizeibehörden im Land ein schwieriges, durch einen Feiertag am Montag auch noch verlängertes Wochenende bevor. Vor rund 30 Asyl-Unterkünften haben Anwohner, häufig organisatorisch unterstützt von rechtsradikalen Gruppierungen, Proteste gegen „illegale Einwanderer“ angekündigt. Gleichzeitig wollen auch linke Aktivistengruppen, sogenannte Anti-Rassisten, auf die Straße gehen, wodurch die Sicherheitskräfte zwischen die Fronten zu geraten drohen. Unterdessen sucht die Labour-Regierung unter Premier Keir Starmer fieberhaft nach neuen Lösungen für die Unterbringung der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen.
In den letzten Wochen war das Bell-Hotel von Epping nordöstlich von London zum Brennpunkt der Asyl-Debatte geworden. Die Betreiberfirma hat seit Jahren einen Vertrag mit dem Londoner Innenministerium zur Unterbringung von rund 140 jungen Männer. Zwei davon, ein Syrer und ein Afghane, sitzen derzeit in Untersuchungshaft; beiden werden Sexualdelikte gegen minderjährige Mädchen zur Last gelegt.
„Notfalloptionen“
Seit den mutmaßlichen Straftaten machen Anwohner, unterstützt von fremdenfeindlichen Gruppierungen, gegen die Unterkunft mobil. Die Demonstranten kleiden sich gern pink und hüllen sich den Union Jack; ihre Kundgebungen mit bis zu 2.000 Teilnehmern verliefen weitgehend friedlich. Allerdings kam es inzwischen auch zu 16 Anklagen wegen Delikten wie Landfriedensbruch und Sachbeschädigung.
Die örtliche Kommunalregierung zog gegen die Asyl-Unterkunft vor Gericht und erhielt diese Woche vom High Court Recht: Weil das Hotel nicht über die nötige Planungsgenehmigung verfüge, müssten die Bewohner binnen 24 Tagen ausziehen, hieß es in der einstweiligen Anordnung. Das Innenministerium will im Hauptsacheverfahren dagegenhalten. Unterdessen prüfe man „Notfalloptionen“, erläuterte Innen-Staatssekretär Daniel Jarvis, ohne diese zu benennen. Die geplante Unterbringung der Asylbewerber auf früherem Militärgelände, in leerstehenden Wohnungen oder Fabrikbaracken hat bei früheren Gelegenheiten stets prompt Protest auf sich gezogen.
Farage unterstützt Aufrufe
Oppositionspolitiker wie Richard Tice von Nigel Farages rechtspopulistischer Reform-Party unterstützten den Aufruf zu „friedlichen, freundlichen“ Protestmärschen. Der Konservative Robert Jenrick wurde bei einer früheren Demo in Epping mit einem bekannten Rechtsextremisten fotografiert. Die Labour-Regierung legt Jenricks 14 Jahre lang regierender Partei das „Asyl-Chaos“ zur Last, findet bisher aber keinen Weg, dem Problem beizukommen.
Im Jahr bis Ende Juni – also praktisch dem ersten Amtsjahr der Labour-Regierung – stieg die Zahl der Asylanträge um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf rund 111.000; hingegen war das Königreich seit Anfang des Jahrhunderts an fünfstellige Zahlen gewohnt. Im Kalenderjahr 2025 kamen bereits mehr als 20.000 irreguläre Migranten über den Ärmelkanal aus Frankreich. Durch bessere Kooperation mit den Nachbarländern, darunter auch Deutschland, will Großbritannien den organisierten Schlepperbanden beikommen, die den Menschenhandel auf völlig überladenen Schlauchbooten durch die stark befahrene Schifffahrtsstraße organisieren.
„Die Regierung muss rascher und härter handeln“
Weil die konservative Vorgänger-Regierung zuletzt ganz auf die Abschreckung durch ein Abschiebesystem nach Ruanda gesetzt hatt, bildete sich zudem ein Berg unbearbeiteter Asylverfahren; junge Leute aus dem Sudan, aus Afghanistan oder Kamerun warten häufig jahrelang auf den ersten Bescheid, den sie mithilfe findiger Anwälte dann noch anfechten.
Die Unterbringung in Hotels gilt als besonders teuer und stößt vielen Demonstranten auch deshalb auf, weil sie einen Hotel-Aufenthalt mit Urlaub und Luxus gleichsetzen. In Wirklichkeit handelt es sich um schäbige Kleinstzimmer mit wenig Privatsphäre. Wie in Epping erwägen nun auch Dutzende anderer Kommunen, die sowohl von Labour- wie von Oppositionspolitikern geführt werden, eine Klage gegen die Asyl-Hotels in ihrem Zuständigkeitsbereich. In der Regierungspartei steigt die Ungeduld über die unpopulären Zustände.
„Die Regierung muss rascher und härter handeln“, fordert Steve Yemm, Abgeordneter für die nordenglische Stadt Mansfield, unter Berufung auf Gespräche mit seinen Wahlkreisbürgern.
De Maart
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