Freitag7. November 2025

Demaart De Maart

AlbanienPremier Rama will bestechliche Würdenträger durch ChatGPT ersetzen

Albanien / Premier Rama will bestechliche Würdenträger durch ChatGPT ersetzen
Sitzt nebst Ministerkollegen bald schon die KI am albanischen Kabinettstisch von Premierminister Edi Rama? Foto: AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Vom einstigen Steinzeitsozialismus in die schöne neue Welt der künstlichen Intelligenz: Den anvisierten Beitritt in Europas Wohlstandsbündnis hofft der EU-Anwärter Albanien mit dem verstärkten Einsatz von KI zu beschleunigen. Wenn es nach dem Premier geht, könnte ChatGPT selbst korrupte Minister ersetzen.

Jahrzehntelang galt Albanien in der Ära des früheren Diktators Enver Hoxha (1908-1985) als Europas finsterster und rückständigster Winkel. Und auch nach dem Ende des Steinzeitsozialismus 1991 sollte das endlose Jammertal der Transformation den meisten der heute 2,4 Millionen Albaner zunächst vor allem Entbehrungen, Armutsemigration und korrupte Wendegewinnler bescheren.

Der boomende Tourismus und die 2022 offiziell eröffneten EU-Beitrittsverhandlungen haben dem Adriastaat mittlerweile zumindest zu neuen Entwicklungsperspektiven verholfen: Den deklamierten Kampf gegen die Korruption und den anvisierten Beitritt zu Europas Wohlstandsbündnis hofft die Regierung von Premier Edi Rama (PS) nun mit dem verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zu beschleunigen.

Mit KI Richtung EU

Ob bei der Übersetzung von rund 250.000 EU-Dokumenten ins Albanische oder der ständigen Analyse erzielter Fortschritte oder noch zu beackernder Mängel: Als erster EU-Anwärter lässt sich Albanien laut einem Bericht des Webportals politico.eu bei den Beitrittsverhandlungen gezielt von KI assistieren. Zugutekommt Tirana dabei die enge Kooperation mit der KI-Pionierin Mira Murati: Die 1988 im südalbanischen Vlora geborene Ex-Direktorin von OpenAI gilt als einer der Schöpfer*innen von ChatGPT – dem populären und dank KI scheinbar allwissenden Chat-Dialogsystem

Nahezu unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten wittert Hightech-Fan Rama in den neuen Regierungshilfsmitteln. KI sei nicht nur für mehr Transparenz in der Verwaltung und im Kampf gegen die Korruption zu nutzen, orakelte der KI-Enthusiast letzten Monat auf einer Pressekonferenz: „Eines Tages könnte KI selbst Ministerien führen und Albanien das erste Land mit KI-Ministern sein. So könnten Nepotismus und Interessenskonflikte vermieden werden.“

Verbessern oder vertuschen?

In dasselbe Horn der schönen neuen KI-Welten bläst gegenüber Politico auch der Publizist und frühere Verwaltungsminister Ben Blushi: „Warum sollten wir zwischen menschlichen Optionen wählen, wenn staatliche Dienstleistungen von KI übernommen werden könnten? Gesellschaften werden von KI besser geführt werden als von uns, weil künstliche Intelligenz keine Fehler macht, keine Gehälter benötigt, nicht bestochen werden kann – und unaufhörlich arbeitet.“

Kritische Töne an der von der Regierung gezeichneten KI-Zukunft sind im Land der Skipetaren selten zu vernehmen – vermutlich auch, weil deren Bewohner meist eher irdische Existenzsorgen plagen. Doch außer der Frage, ob das Land überhaupt über die Ressourcen für die anvisierte Blitztransformation zu Europas KI-Vorreiter verfügt, plagt Kritiker auch die Sorge, dass KI von korrupten Amtsträgern auch für krumme Geschäfte missbraucht werden könnte.

„Man kann kein korruptes System säubern, indem man es in die Cloud verlagert“, ist Oppositionsabgeordnete Jorida Tabaku (PD) überzeugt. In einem Land, in dem ein Drittel der öffentlichen Aufträge „ohne echten Wettbewerb“ vergeben würden, „wird KI Korruption nicht beseitigen, sondern nur besser vertuschen“.