Sonntag21. Dezember 2025

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Forum von Mariana MazzucatoDie Welt braucht eine neue Wasserökonomie 

Forum von Mariana Mazzucato / Die Welt braucht eine neue Wasserökonomie 
 Foto: AFP

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Während sich Führungspersönlichkeiten aus ganz Afrika in Kapstadt zum afrikanischen Wasserinvestitionsgipfel „African Water Investment Summit“ einfinden, ist eines klar: Die Welt steht vor einer beispiellosen Wasserkrise, die einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Wertschätzung und Bewirtschaftung unserer wertvollsten Ressource erfordert. 

Das Ausmaß der Herausforderung ist gewaltig. Über die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittelproduktion stammt mittlerweile aus Gebieten mit schwindenden Süßwasservorkommen. Zwei Drittel der Weltbevölkerung sind mindestens einen Monat im Jahr von Wasserknappheit betroffen. Durchschnittlich sterben täglich mehr als 1.000 Kinder unter fünf Jahren an wasserbedingten Krankheiten. Setzt sich der aktuelle Trend fort, könnte das BIP der Länder mit hohem Einkommen bis 2050 um 8 Prozent schrumpfen, während Länder mit niedrigerem Einkommen (viele davon in Afrika) vor Verlusten von 10 bis 15 Prozent stehen. 

Diese Krise bietet jedoch auch eine außergewöhnliche Chance. Aufgrund der G20-Präsidentschaft Südafrikas (im Rahmen derer ich zur Sonderberaterin von Präsident Cyril Ramaphosa ernannt wurde) kann sich das Land für eine neue Wasserökonomie einsetzen, die den Wasserkreislauf nicht als eine zu hortende oder zu handelnde Ware, sondern als globales Gemeingut betrachtet. 

Globales Gemeingut

Die wirtschaftlichen Argumente für aktive Maßnahmen präsentieren sich überzeugend. Das Internationale Hochrangige Gremium für Wasserinvestitionen in Afrika zeigt, dass jeder Dollar, der in klimaresiliente Wasser- und Sanitärversorgung investiert wird, eine Rendite von sieben Dollar bringt. Da Afrika jährlich zusätzliche 30 Milliarden Dollar benötigt, um das Nachhaltigkeitsziel über Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung zu erreichen, präsentiert sich die Finanzierungslücke zwar erheblich, ist aber mit der richtigen Strategie überbrückbar. Die Globale Kommission für Wasserökonomie (die ich gemeinsam mit Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der Welthandelsorganisation, Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, und dem singapurischen Präsidenten Tharman Shanmugaratnam leite) hat kürzlich eine derartige Strategie gefordert. 

Um Wasser als globales Gemeingut zu behandeln und missionsorientierte Ansätze zu verfolgen, im Rahmen derer die Krise in eine Chance verwandelt werden kann, gilt es, drei grundlegende Tatsachen anzuerkennen. Erstens verbindet Wasser uns alle – nicht nur durch sichtbare Flüsse und Seen, sondern auch durch atmosphärische Flüsse, die sich über Kontinente hinweg bewegen. Zweitens ist die Wasserkrise untrennbar mit dem Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt verbunden, wobei sich diese drei Faktoren in einem Teufelskreis gegenseitig verstärken. Und drittens spielt Wasser in allen Zielen für nachhaltige Entwicklung eine Rolle, von der Ernährungssicherheit und Gesundheit bis hin zum Wirtschaftswachstum. 

Allerdings orientieren sich Investitionen im Wassersektor allzu oft an dem gescheiterten Konzept der Klima- und Entwicklungsfinanzierung. Es besteht die Tendenz, private Kapitalgeber ohne Gewährleistung des öffentlichen Nutzens von Risiken freizustellen, Projekte ohne strategische Ausrichtung zu finanzieren und Wasser als technisches Problem statt als systemische Herausforderung zu betrachten. Derartige Ansätze bergen die Gefahr, dass eine Wasserinfrastruktur entsteht, die eher den Investoren als der Allgemeinheit dient, bestehende Ungleichheiten verschärft und der Verflechtung von Wasser-, Klima- und Biodiversitätskrise nicht gerecht wird. 

Langfristige Wertschöpfung

Diese Verflechtung erfordert einen neuen wirtschaftlichen Rahmen, der darauf abzielt, Märkte proaktiv zu gestalten, anstatt nur nachträglich Fehler zu beheben. Wir müssen von einer kurzfristigen Kosten-Nutzen-Denkweise zu langfristiger Wertschöpfung übergehen, und das erfordert missionsorientierte Investitionen, die Märkte zum Wohle aller gestalten. Missionen erfordern klare Ziele – wie beispielsweise, dass bis 2030 kein Kind mehr an verunreinigtem Wasser stirbt. Sobald die Ziele festgelegt sind, können alle Finanzmittel durch sektorübergreifende Ansätze in den Bereichen Landwirtschaft, Energie, Fertigung und digitale Infrastruktur auf diese Ziele ausgerichtet werden.

Anstatt einzelne Sektoren oder Technologien auszuwählen, geht es darum, willige Partner aus allen Branchen zu finden, um gemeinsame Herausforderungen anzugehen. Derartige missionsorientierte Investitionen können auch zu wirtschaftlicher Diversifizierung führen und neue Exportmöglichkeiten und Entwicklungswege schaffen. 

Betrachten wir beispielsweise Boliviens Ansatz zur Lithiumgewinnung. Anstatt einfach den Rohstoff zu exportieren, entwickelt das Land Strategien, um dem bekannten „Ressourcenfluch“ zu entgehen. Dazu werden im Land eigene Kapazitäten zur Batterieproduktion aufgebaut und eine direkte Beteiligung an der Energiewende sichergestellt. Auf diese Weise verwandelt Bolivien seinen Ressourcenreichtum in Innovationskraft, stärkt Wertschöpfungsketten und erschließt neue Exportmärkte für höherwertige Wirtschaftstätigkeiten. Derzeit fließen jährlich mehr als 700 Milliarden US-Dollar an Subventionen in die Bereiche Wasser und Landwirtschaft, wobei diese Mittel oft Anreize für Übernutzung und Umweltverschmutzung schaffen. Durch die Umleitung dieser Gelder in eine wassersparende Landwirtschaft und die Wiederherstellung von Ökosystemen unter klaren Auflagen wäre es möglich, die Wasserökonomie über Nacht zu verändern.

Öffentliche Entwicklungsbanken könnten etwa geduldiges Kapital für die Wasserinfrastruktur bereitstellen und gleichzeitig von privaten Partnern verlangen, dass sie ihre Gewinne in den Schutz von Wassereinzugsgebieten reinvestieren. Afrika befindet sich in einer einzigartigen Position, um an der Spitze dieses Wandels zu stehen. Seine riesigen Grundwasservorkommen sind noch weitgehend unerschlossen, wobei 255 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner städtischer Gebiete über bekannten Vorkommen leben. In Kombination mit erschwinglicher Solarenergie bietet dieses Grundwasser die Chance, die Landwirtschaft zu revolutionieren.

Landwirtschaft revolutionieren

Mit einem Fokus auf Effizienz und Wiederverwendung sowie auf Kapazitätsaufbau, Datenaustausch, Überwachung und Bewertung können diese relativ stabilen und mit solarbetriebenen Pumpen zu erschließenden Grundwasservorkommen eine dezentrale Alternative zur Minimierung von Emissionen, Verschwendung und anderen Umweltkosten bieten, die mit größeren Infrastrukturprojekten verbunden sind und die natürliche Wasserläufe unterbrechen. Durch sogenannte „Just Water Partnerships“ – Kooperationsrahmen, in denen derartige Solar-Grundwasser-Projekte gebündelt werden, um ihre Bankfähigkeit zu verbessern und gleichzeitig die Eigenverantwortung der Gemeinden zu gewährleisten – kann es gelingen, internationale Finanzmittel in eine Wasserinfrastruktur zu lenken, die sowohl den nationalen Entwicklungszielen als auch dem globalen Gemeinwohl dient.

Die G20-Präsidentschaft Südafrikas – die erste eines afrikanischen Landes überhaupt – bietet eine historische Plattform, um diese Agenda weltweit voranzubringen. So wie Brasilien seine Führungsrolle in der G20 und seine Rolle als Gastgeber der bevorstehenden Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP30) genutzt hat, um Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben, kann Südafrika die Wassersicherheit in den Mittelpunkt der globalen Wirtschaftsagenda stellen. Angesichts der bevorstehenden UN-Wasserkonferenz 2026 und der Erkenntnis der internationalen Gemeinschaft, dass der Klimawandel ohne Lösung der Wasserkrise nicht bewältigt werden kann, ist jetzt der richtige Zeitpunkt für mutige Führerschaft. 

Der „African Water Investment Summit“ ist nicht nur eine weitere Konferenz, sondern ein Wendepunkt. Jetzt ist der Moment gekommen, um Wasser nicht mehr als lokale Ressource zu betrachten, sondern als globales Gemeingut zu verwalten, um von Krisenmanagement zu einer proaktiven Marktgestaltung überzugehen und missionsorientierte Investitionen nicht mehr als Kostenfaktor, sondern als Grundlage für nachhaltiges Wachstum anzuerkennen. Wassersicherheit bildet die Grundlage für Afrikas Bestrebungen in den Bereichen Gesundheit, Klimaresilienz, Wohlstand und Frieden. Angesichts der Tatsache, dass Afrikas junge Menschen bis 2030 42 Prozent der weltweiten jugendlichen Bevölkerung ausmachen werden, sind Investitionen in Wasser gleichbedeutend mit Investitionen in die Zukunft der Welt. Die Frage lautet nicht, ob wir uns aktive Maßnahmen leisten können, sondern ob wir es uns leisten können, nichts zu tun. 

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier. Copyright: Project Syndicate, 2025. www.project-syndicate.org.

Mariana Mazzucato ist Professorin für Innovationsökonomie und Public Value am University College London und Verfasserin des zuletzt von ihr erschienenen Buchs „Die große Consulting-Show. Wie die Beratungsbranche unsere Unternehmen schwächt, den Staat unterwandert und die Wirtschaft vereinnahmt“ (Campus Verlag, 2023)
Mariana Mazzucato ist Professorin für Innovationsökonomie und Public Value am University College London und Verfasserin des zuletzt von ihr erschienenen Buchs „Die große Consulting-Show. Wie die Beratungsbranche unsere Unternehmen schwächt, den Staat unterwandert und die Wirtschaft vereinnahmt“ (Campus Verlag, 2023)