Schon im letzten Sommer hatte mir die Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ durch den isländischen Regisseur Thorleifur Örn Arnasson sehr gut gefallen. Seine psychoanalytische Deutung ist schlüssig, was sowohl Handlung wie auch Bühnenbilder betrifft. Überhaupt kann man sich in diesem Jahr in Bayreuth über sehr starke und gelungene Bühnenbilder freuen.
Reise ins Unbewusste

Vieles bei diesem Tristan spielt sich dabei im Unbewussten ab, in einer Traumwelt der Erinnerungen, dargestellt durch den vollbepackten Schiffsrumpf, in dem sich allerlei Artefakte und Symbole aus Tristans und Isoldes Leben befinden. Das Brautkleid der Isolde im 1. Akt ist quasi ein beschriftetes Tagebuch des Leidens. Arnasson begleitet den Hörer auf diese Suche ins tiefe Ich, ohne aber dabei wirkliche Erklärungen abzuliefern. Und das ist auch gewollt, denn so kann sich der Zuschauer zusammen mit der Musik in dieses tiefe Dunkel fallen lassen und dabei eine einzigartige Erfahrung machen. Auch hier wird klassisch inszeniert; trotz freudianischer Ansätze kann man die Geschichte ganz präzise verfolgen. Semyon Bychkov am Pult des hervorragend disponierten Festspielorchesters schafft magische Momente voller Intensität und Schönheit, aber auch voller Dramatik und auswegloser Tristesse.

Die beiden Hauptdarsteller wachsen an diesem Abend (10. August) über sich heraus. Andreas Schager als Tristan beeindruckt sowohl durch atemberaubende Kraftausbrüche wie durch zartesten, leisen Gesang. Kein Zweifel, er ist DER Heldentenor der Gegenwart und lässt mit seinem Gesang Erinnerungen an einstige Heldentenöre wie Max Lorenz, Bernd Aldenhoff oder Lauritz Melchior wach werden. Camilla Nylund als Isolde hat mir deutlich besser gefallen als im Vorjahr; insbesondere im 1. Akt vermag sie immer wieder über sich herauszuwachsen. Allerdings könnte ihr Gesang gerade im Liebestod etwas runder und lyrischer sein. Ekaterina Gubanova ist eine Idealbesetzung für die Rolle der Brangäne, darstellerisch wie stimmlich präsent und gesangstechnisch perfekt. Jordan Shanahan besitzt vielleicht keine enorm große Stimme, aber er interpretiert mit Stil und Technik und singt so einen sehr lyrischen und präzisen Kurwenal. Günther Groissböck ist ein majestätischer, zutiefst berührender König Marke, der mit seinem volltönenden Gesang und seinem warmen Timbre die Linie der großen Bayreuther Marke-Darsteller weiterführt.

Besonders gespannt war man in diesem Jahr auf die Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“, Wagners einziger komischer Oper. Nach den beiden politischen Deutungen durch Katharina Wagner und Barrie Kosky wollte man diesmal den komödiantischen Aspekt im Mittelpunkt haben. Die Meistersinger als Komödie, als Volksstück voller Farben und skurriler Charaktere. Dafür hatte man den Musical-Regisseur Matthias Davids nach Bayreuth geholt und der lieferte eine tolle Arbeit ab. Schon im ersten Jahr kann man sagen, dass diese Produktion mit ihren phantasievollen Bühnenbildern (Andrew D. Edwards) und Kostümen (Susanne Hubrich) Kultcharakter hat. Davids nimmt den Humor und die Botschaften sehr ernst und wird bei seiner Auslegung eigentlich nie plakativ. Der Zuschauer sieht keinen peinlichen Unsinn oder neu erfundene Besserwisserei, nein, er erlebt die Meistersinger als eine zutiefst humane Oper mit liebenswerten, ja oft kindischen Charakteren.

Die Meister sind ein Haufen Freunde, die sich mehr auf das Buffet freuen, als dass sie große Lust hätten, den pathetischen Ausschweifungen Pogners zuzuhören. Die Volkswiese ist ein Fest, bei dem Menschen aller Schichten willkommen sind, da kann man sogar Angela Merkel, Thomas Gottschalk und die Geissens erkennen. Davids Humor ist wohldosiert und spart ernste Momente, wie die Schusterstube im 3. Akt, nicht aus. Gerade hier kommt er auf den Punkt und zeigt, dass in eine Komödie Lustspiel und tiefer Ernst durchaus nebeneinander existieren können. Ein spielfreudiges Ensemble macht den Abend zu einem Hochgenuss. Georg Zeppenfeld als grandioser Sachs, Michael Nagy als sein sympathischer Kontrahent und Freund Sixtus Beckmesser, Jongmin Park als stimmgewaltiger, konservativer Pogner, Jordan Shanahan als Kothner und vor allem Christina Nilsson als atemberaubende Eva führen die Riege exzellenter Darsteller an. Mit dem Stolzing von Michael Spyres kann ich mich dagegen zu keinem Moment anfreunden. Seine Stimme wirkt belegt, sein Vortrag langweilig und seine Stimmführung nach oben hin doch sehr eng.
Gelungen trotz Makel
Wenn er auch das Durchhaltevermögen und den langen Atem für das Preislied besitzt, so fehlt es der Stimme doch an Glanz und Schönheit. Christa Mayer ist eine überzeugende Magdalena, Matthias Stier ein stimmpotenter, heldenhafter David mit einigen Unsauberkeiten und Tobias Kehrer ein prächtiger Nachtwächter. Daniele Gatti entscheidet sich für bedächtige Tempi, was eigentlich nur in der etwas breiig interpretierten Ouvertüre stört.
Ansonsten gewährt er tiefe Einblicke in das musikalische Geschehen und erlaubt es dem Hörer immer wieder, diese Partitur ganz neu zu hören. Die Sänger profitieren von Gattis umsichtigem Dirigat und können sich in jedem Moment auf ein sicheres Orchesterspiel verlassen. Last but not least ist es die wunderbare Chorarbeit, die das Sahnehäubchen des dritten Aktes ist und das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hinreißt.
De Maart
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