Wet Leg: „Moisturizer“
Im April 2022 veröffentlichten Wet Leg ihr selbst betiteltes Debütalbum. Die laut ihres Labels „traurige Musik für Partygänger und Partymusik für traurige Menschen“ kam bestens an und stand auf Rang eins der britischen Charts. Drei Jahre zuvor hatten Sängerin und Gitarristin Rhian Teasdale und Gitarristin Hester Chambers auf der Isle Of Wight Wet Leg gegründet. Mittlerweile ist das Duo zum Quintett angewachsen, da ihre Livemusiker offiziell ins Boot geholt wurden.

Nach dem Debüt tourten sie intensiv und gewannen nebenbei drei (!) Grammy Awards und zwei Brit Awards. Die Messlatte für ihr zweites Album könnte also kaum höher liegen. Im März 2024 ging die Band mit Produzent Dan Carey, der auch schon an ihrem Debüt mitgearbeitet hatte, ins Studio. Tagsüber schrieben sie alle zusammen Songs, nachts schauten sie Horrorfilme. „Wir hatten einfach Spaß und haben ausprobiert“, so Chambers. Prämisse war es, dass die Songs auf der Bühne Spaß machen.
„Moisturizer“ eröffnet mit der Frage: „Ist es Liebe oder Selbstmord?“ („CPR“). Der Song beginnt überraschend unspektakulär, offenbart aber im weiteren Verlauf die ungezügelte Postpunkhaftigkeit der Band, die einen schon vor drei Jahren infizierte. Es geht oft um Liebe („pond song“), teils um alles andere als vorbildliche Männer (im Dancepunker „catch these fists“ oder in „mangetout“). Die Laune lassen sie sich dennoch nicht vermiesen – siehe das euphorische „u and me at home“. Auch stimmt die Balance zwischen energisch rockigen Songs und Verschnaufpausen („davina mccall“, „11:21“), selbst Pop hat sich eingeschlichen („pokemon“). Die Songs spiegeln ihren Wunsch, einiges ausprobieren zu wollen, wider. Man darf gespannt sein, wie sie live wirken, wenn Wet Leg am 11. November in der Escher Rockhal gastieren.
Yungblud: „Idols“

Erstaunlich, wie wandlungsfähig sich Yungblud auf seinem Album „Idols“ präsentiert. Dabei gibt er zu keinem Zeitpunkt seine eigene Identität auf und mutiert nicht zum einfallslosen Kopisten. Der 27-jährige Engländer, der bürgerlich auf den Namen Dominic Richard Harrison hört, hat die Songs über einen Zeitraum von vier Jahren in Leeds entwickelt. Die Stadt liegt eine Stunde Autofahrt von seinem Geburtsort Doncaster entfernt. Im Vorfeld erklärte er, das Album sei ein Projekt ohne Limitierungen. Und das hört man „Idols“ tatsächlich an.
Der Auftakt „Hello Heaven, Hello“ erinnert zu Beginn an den Bombast von Coldplay, ehe nach etwa drei Minuten der Rocker Yungblud seinen Auftritt hat und der Song von einer Sekunde auf die andere an Guns’n’Roses zu ihren besten „Use Your Illusion“-Zeiten erinnert. Noch wilderen Rock, diesmal aus den Siebzigern, serviert er später in „Ghosts“. Dann wiederum glaubt man, in „Idols Pt. I“ die vom Orchester begleiteten Iren U2 und in „Monday Murder“ die Waliser Manic Street Preachers herauszuhören. Das hymnische „Lovesick“ klingt nach Rave-Britrock wie man ihn von Primal Scream her kennt, und „Fire“ ist opulenter, verspielter Stadionrock. Balladen dürfen auch nicht fehlen: „Zombie“, das von seiner verstorbenen Großmutter handelt, und „Idols Pt. II“ beispielsweise.
Ohne Durchhänger kommt dieses Album nicht ganz aus (siehe etwa „War“). Aber das stört nicht weiter. Erneut hat er auf die Expertise des israelisch-britischen Produzenten Matt Schwartz gesetzt, der auch mit komponierte. Eine gute Wahl, denn „Idols“ klingt trotz seines stilistischen Zickzacks wie aus einem Guss.
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