Ein sichtlich nervöser Jens Stoltenberg trat am Freitagmorgen in Oslo vor die Kameras: „Es ist wichtig, dass schnell für Klarheit gesorgt wird und Unsicherheiten ausgeräumt werden“, kündigte der Finanzminister Norwegens an und ließ viele Fragen offen. Der ehemalige Generalsekretär der NATO ist Mittelpunkt eines Skandals, der die Glaubwürdigkeit der Regierung erschüttert. Denn der norwegische Ölfonds hat seit zwei Jahren in das israelische Unternehmen „Bet Shemesh Engine“ investiert, welches Triebwerke für israelische Kampfflugzeuge und -hubschrauber wartet, die auch Einsätze in der Region fliegen. Aufgedeckt hat dies die Zeitung Aftenposten.
Gleichzeitig hat die Führung in Oslo vor einem Jahr Palästina als Staat anerkannt und kritisierte mehrfach Verstöße gegen das Völkerrecht bei Israels Krieg im Gazastreifen. Dabei hat der größte Staatsfonds der Welt (umgerechnet 1,5 Billionen Euro) ethische Richtlinien über das Investment in andere Unternehmen aufgestellt, so darf es keine Verbindungen zu Menschenrechtsverletzungen und zu Verstößen gegen das „internationale Kriegsrecht“ geben. Das Prekäre – Jens Stoltenberg soll schon Anfang Juli von der umstrittenen Investition gewusst, dies jedoch vor Regierungschef Jonas Gahr Störe verheimlicht haben, so Medienberichte. Die Sozialdemokraten, welche am 8. September die Parlamentswahlen gewinnen und danach weiterregieren wollen, verlieren nun an Glaubwürdigkeit.
Das Problem ist nicht wirklich neu. Bereits im Mai hat UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese Norwegen kritisiert, dass die Investitionen des Ölfonds zu Israels Verstößen gegen das Völkerrecht beitragen könnten. Auch geht es nicht allein um „Bet Shemesh Engine“, ein Unternehmen, dessen Gewinn Dank des Krieges um 78 Prozent gestiegen ist. Nach der internationalen Vereinigung „Historiker für Palästina“ sollen von 64 norwegischen Fonds-Investitionen in israelische Firmen bei 30 Verstöße gegen das Völkerrecht oder Beteiligung zur Besetzung Palästinas festgestellt worden sein. Einen entsprechenden Bericht habe das norwegische Finanzministerium wie der Ethikrat des Ölfonds Ende Juni erhalten, welche miteinander verbunden sind: Die Zusammensetzung des fünfköpfigen Ethikrats wird von der Zentralbank vorgeschlagen und vom Finanzministerium abgesegnet.
Ein Skandal kurz vor der Wahl
Derzeit will kein Vertreter dieser drei Institutionen die Verantwortung für das Wegsehen übernehmen. Svein Richard, Vorsitzender des Ethikrats, sowie Ida Wolden Bache, Direktorin von „Norges Bank“, geben sich bei den bisherigen Krisensitzungen schwammig und werden nach öffentlichen Auftritten diskret zum Hinterausgang geleitet, um nicht mit Medienvertretern konfrontiert zu werden. Stoltenberg warf den beiden Institutionen vor, den Bericht „nicht wie erwartet behandelt“ zu haben, will sich jedoch nicht zu seiner Mitwisserschaft äußern. Für die kommende Woche verspricht der Sozialdemokrat mehr Aufklärung, bis zum 20. August sollen Rat wie Bank mehr Informationen liefern.
Die linke Opposition ist derzeit außer sich: „Abscheulich, völlig inakzeptabel und unentschuldbar“ sei Norwegens Engagement, so ein Statement der Grünen. Und die Linkspartei „Rödt“ fordert eine Sondersitzung des Parlaments und einen Kontrollausschuss. Generell ist in Norwegen die Empörung über Israels Vorgehen in Gaza groß, vor allem auf Seiten der eher linken Wähler. Bereits bei einer Umfrage vom Januar 2024, als die dortige humanitäre Lage noch keine solch dramatischen Ausmaße angenommen hatte, zeigten 46 Prozent der Befragten in Norwegen Sympathien für die Palästinenser. Und die Sympathien der linken Wähler wie Parteien brauchen die Sozialdemokraten, welche in den Umfragen noch führen, um nach den Wahlen weiter regieren zu können. Ansonsten würden die aufsteigende „Fortschrittspartei“ mit klar ausländerfeindlichen Parolen zusammen mit den Konservativen eine Koalition bilden können.
Norwegens stets blass wirkender Regierungschef holte darum Stoltenberg im Februar ins Regierungsboot, um den Wahlsieg zu garantieren. Nun scheint es, dass ausgerechnet der 66-jährige Trump-Vertraute, der bislang eine Popularität genießt, mit der kein weiterer norwegischer Politiker mithalten kann, Dank des Israel-Engagements des Staatsfonds die Wahl-Chancen vermasselt.
De Maart
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