Sonntag21. Dezember 2025

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Forum / Europas wirtschaftliche Kapitulation
  Foto: Jacquelyn Martin/AP/dpa

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Als sich US-Präsident Donald Trump und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, am Sonntag in Trumps schottischem Golfresort die Hände schüttelten, verkündeten sie nicht nur ein neues Handelsabkommen – sie besiegelten damit zugleich die wirtschaftliche und ideologische Kapitulation Europas. Mit der Zustimmung zu 15%igen Zöllen auf die meisten Ausfuhren in die USA hat die EU vor Trumps Nullsummen-Weltanschauung kapituliert. Damit hat sie die Grundsätze des Multilateralismus aufgegeben, die den Welthandel seit langem geleitet haben.

Die wirtschaftlichen Folgen sind unmittelbar und schwerwiegend. Die europäischen Exporteure sind nun mit Zöllen konfrontiert, die fast zehnmal so hoch sind wie der bisherige handelsgewichtete Durchschnitt von 1,6%. Allein Volkswagen hat aufgrund der höheren US-Zölle einen Schaden von 1,3 Milliarden Euro zu beklagen.

Doch die Zollsätze selbst sind nur ein Teil des Problems. Der eigentliche Schaden liegt in dem, was die EU für das „Privileg“, den Zugang zum US-Markt zu behalten, zu zahlen bereit ist: die Verpflichtung, über einen Zeitraum von drei Jahren amerikanische Energieträger im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen und weitere 600 Milliarden Dollar in die US-Wirtschaft zu investieren.

Diese schwindelerregenden Summen werden unweigerlich Ressourcen von der europäischen Entwicklung und Innovation abziehen und zugleich den bilateralen Zwang gegenüber dem multilateralen, regelbasierten System der Welthandelsorganisation legitimieren. Wie Kritiker zu Recht angemerkt haben, geht dieser massive Kapitalabfluss direkt auf Kosten der heimischen Investitionen.

Was an der Kapitulation der EU besonders verstört, ist, wie unnötig sie war. Als größter Wirtschaftspartner der USA mit einem jährlichen Handelsvolumen von fast einer Billion Dollar verfügt die EU über beträchtliche Druckmittel. Während die USA ein Warendefizit von 235,6 Milliarden Dollar gegenüber der EU aufweisen, bietet das Dienstleistungsdefizit der EU gegenüber den USA in Höhe von 148 Milliarden Euro klare Möglichkeiten für Vergeltungsmaßnahmen, die von digitalen Steuern bis hin zu Beschränkungen für amerikanische Tech-Giganten reichen.

„Anti-Coercion-Instrument“

In Erwartung einer Pattsituation hatten die europäischen Entscheidungsträger bereits vor Wochen Gegenzölle auf amerikanische Waren im Wert von 93 Milliarden Euro vorbereitet. Doch verfügte die EU noch über weitaus wirksamere Waffen. Mit ihrem „Anti-Coercion-Instrument“ hätte sie zum Beispiel US-Unternehmen von Regierungsaufträgen ausschließen, Rechte an geistigem Eigentum aufheben und weitergehende Handelsbeschränkungen verhängen können. Doch aus Angst vor Trumps Vergeltungsmaßnahmen und unter dem Druck der heimischen Industrie, die sich den Zugang zum US-Markt bewahren wollte, weigerten sich die nationalen Regierungen, von der Leyen zum Einsatz eines dieser Instrumente zu ermächtigen, sodass sie gezwungen war, aus einer Position der Schwäche heraus zu verhandeln.

Der Kontrast zu anderen Handelspartnern der USA könnte nicht krasser sein. Als das Vereinigte Königreich im Mai von Trump einen Zollsatz von 10% erhielt, äußerten die europäischen Staats- und Regierungschefs Bedenken, ähnliche Bedingungen zu akzeptieren. Jetzt bejubeln sie 15%ige Zölle auf EU-Exporte als diplomatischen Durchbruch. Die unbequeme Wahrheit ist, dass Großbritannien im Alleingang bessere Bedingungen ausgehandelt hat als die EU als Ganzes.

Dieses Versagen offenbart die grundlegende Schwäche des europäischen Regierungssystems. In Ermangelung eines echten EU-weiten Systems ist der Block nach wie vor nicht in der Lage, konkurrierende nationale Agenden in eine gemeinsame Position zu übersetzen. Da von der Leyen von den Mitgliedstaaten ausgebremst wurde, die engen nationalen Interessen Vorrang vor dem europäischen Zusammenhalt einräumten, war das Ergebnis ein Abkommen, das niemandem außer Trump gefällt und Europa in einem Zustand strukturierter Abhängigkeit gefangen hält.

Besonders beunruhigend ist das Versäumnis der EU, sich gegen Trump zu wehren, angesichts ihres erklärten Ziels, strategische Autonomie zu erreichen. Manch einer mag argumentieren, dass sich die EU mit dem Abkommen – das technisch gesehen kein formelles Handelsabkommen ist, sondern eher eine Reihe von Erklärungen, die einen laufenden Verhandlungsprozess umreißen – Zeit erkauft. Indem die Kommission Trump besänftigt hat, so wird argumentiert, habe sie die transatlantischen Beziehungen aufrechterhalten und zugleich Raum für künftige Ausnahmeregelungen geschaffen.

Doch wenn dies wirklich eine Strategie wäre, um Zeit zu gewinnen, würde man von der EU erwarten, dass sie konkrete Schritte unternimmt, um ihre strategische Autonomie voranzutreiben: Erhöhung der Verteidigungsausgaben, Beschleunigung der Diversifizierung der Lieferketten und Investitionen in Vergeltungsmaßnahmen. Stattdessen entschieden sich die Staats- und Regierungschefs der EU, nachdem sie zuvor jahrelang versprochen hatten, die Abhängigkeit von ausländischen Mächten zu verringern, dafür, russische Energieimporte durch amerikanische Lieferungen zu ersetzen und sich zu massiven Käufen von US-Militärgütern zu verpflichten.

Vasallisierung Europas

Die Unterordnung Europas spiegelt die Abhängigkeit des Kontinents von der US-Macht wider und verstärkt diese noch. Jahrzehntelang haben die europäischen Länder die NATO-Ziele bei den Verteidigungsausgaben nicht erreicht und sich damit begnügt, sich unter den nuklearen Schutzschirm der USA zu begeben. Nun zeigt sich die gleiche Unterwürfigkeit an der Wirtschaftsfront, da sich die EU als unfähig erweist, angesichts von Trumps Drucktaktik ihr kollektives Gewicht zum Einsatz zu bringen. Diese militärische und wirtschaftliche Abhängigkeit hat ein strukturelles Ungleichgewicht geschaffen, das sich auf die Verteidigung, den Handel und den Energiesektor erstreckt. Die Folge ist eine permanente Vasallisierung Europas.

Trumps Fähigkeit, weitreichende wirtschaftliche Zugeständnisse und Verpflichtungen bei den Verteidigungsausgaben durchzusetzen, zeigt, wie effektiv die USA Europas Sicherheitsängste in Verfolgung umfassenderer geopolitischer Ziele als Waffe einsetzen können. Die Investitionszusage in Höhe von 600 Milliarden Dollar, von denen ein Großteil für den Kauf von Rüstungsgütern vorgesehen ist, zwingt Europa, US-Rüstungsunternehmen zu subventionieren, und untergräbt zugleich dessen eigene industrielle Basis.

Indem sie Trumps Forderungen nachgegeben hat, hat die EU eine seltene Gelegenheit verpasst, zu zeigen, dass große Märkte sich nicht einschüchtern lassen. Statt einen überzeugenden Präzedenzfall für andere mit wirtschaftlichem Druck aus den USA konfrontierte Regionen zu schaffen, hat sie Trumps transaktionalen Ansatz bestätigt und damit nicht nur künftige US-Regierungen ermutigt, sondern auch andere globale Mächte, die den Handel in ein geopolitisches Zwangsinstrument verwandeln wollen.

Die unmittelbare Krise mag vorüber sein, doch der langfristige Schaden für die Glaubwürdigkeit und Autonomie der EU wird bleiben. Die weit verbreitete Wahrnehmung, dass Europa sich widerstandslos unterwirft, wird zweifellos zu weiteren Angriffen auf europäische Interessen führen.

Statt zu versuchen, die Schuld auf von der Leyen zu schieben, müssen sich die EU-Mitgliedstaaten fragen, ob es die Vermeidung eines Handelskriegs wert war, Europas grundlegendes Bekenntnis zum Multilateralismus aufzugeben und jeden glaubwürdigen Weg in Richtung strategischer Autonomie zu verspielen. Solange die europäischen Staats- und Regierungschefs nicht den Mut aufbringen, den Kreislauf der Abhängigkeit zu durchbrechen, indem sie die EU-Institutionen ermächtigen, entschlossen gegen äußeren Zwang vorzugehen, werden sich diese demütigenden Kapitulationen nur weiter häufen und den Kontinent zu einem wohlhabenden, aber machtlosen Anhängsel des amerikanischen Imperiums machen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Alberto Alemanno ist Professor für das Recht der Europäischen Union an der HEC Paris und Gastprofessor am Europakolleg in Brügge und Natolin, Gründer von The Good Lobby und Verfasser von Lobbying for Change: Find Your Voice to Create a Better Society (Icon Books, 2017).

Copyright: Project Syndicate, 2025. www.project-syndicate.org

Philippe
3. August 2025 - 17.09

Madam VDL kann neischt verhandelen Ursaach ass de EU System Macron Merz sin Sech nett Eens nach 24 Mattleefer an Een matt klorer Meenung do ass VDL schons zimlech gehandicapt .
Nieft deem ass Een EU Staat Deem aneren sein Deiwel Een versicht Deen aneren EU Staat ze täuschen ( beklauen ) .
Entweder et gett eng EU nom System USA oder vergiess et.

Altwies Yves
2. August 2025 - 15.44

P. S. Es bleibt zu hoffen dass wenigstens die Gewaltentrennung, anders als dies in verschiedenen Mitgliedsstaaten der Fall zu sein scheint, auf europaeischer Ebene, gewahrt bleibt.

Altwies Yves
2. August 2025 - 15.32

Die noble "europaeische Idee" ist leider bereits seit geraumer Zeit, und keine Aussicht auf Besserung, zu einer "Lobbyisten Vertreterorganisation" verkommen. Der europaeische Buerger hat wie immer das Nachsehen. Ausser Spesen nichts gewesen.

RCZ
2. August 2025 - 13.02

Mit dem ungeliebten Victor Orban als EU Chef hätte es dieses Unheil nicht gegeben!🧐🤔😱😁😡

cg
2. August 2025 - 11.38

So lange die Kuscheluschi in der EU das sagen hat geht es weiter bergab. Sie sollte schnellstens ihren Hut nehmen und in der Versenkung verschwinden.

Nomi
2. August 2025 - 11.06

Et besser ze machen wei' UvdL ass net schwei'er .
Gett et an Europa keen mei' ee raffinei'erten Politiker fir deen Posten !

Götz
2. August 2025 - 10.49

Danke, Ich küsse ihre Füsse und ... mein lieber Herr Präsident

Reinertz Barriera Manfred
2. August 2025 - 9.58

Die EU hat wirklich klein beigegeben, Queen UvdL hat total versagt die sollte endlich in Pension gehen die hat wirklich genügend Mist gebaut : Pizergate usw......