Montag10. November 2025

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RadsportDer Wegbereiter: Wie Dan Lorang das Talent von Florian Lipowitz erkannte und förderte

Radsport / Der Wegbereiter: Wie Dan Lorang das Talent von Florian Lipowitz erkannte und förderte
Dan Lorang gilt als Entdecker und Förderer von Florian Lipowitz Foto: IMAGO/Ingo Kutsche

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Der deutsche Radsportler Florian Lipowitz hat bei der Tour de France für Furore gesorgt. Zur Überraschung vieler stand der 24-Jährige in Paris auf dem Podium. Einer, der seinen Weg früh mitgestaltet hat, ist der Luxemburger Dan Lorang – er entdeckte Lipowitz einst beim Sommerbiathlon und ebnete ihm den Weg in den Profiradsport.

Für Florian Lipowitz war der vergangene Freitag ein Schlüsselmoment der diesjährigen Tour de France. Während Thymen Arensman (Ineos) im finalen Anstieg hinauf nach La Plagne souverän dem Etappensieg entgegenfuhr, entbrannte dahinter der Kampf um das Podium. Tadej Pogacar (UAE) und Jonas Vingegaard (Visma Lease a Bike) führten die Gruppe an, dahinter lauerte Lipowitz (Red Bull-Bora-hansgrohe) am Hinterrad von Oscar Onley (Picnic PostNL). Der Brite war in der Gesamtwertung lediglich 22 Sekunden hinter dem Deutschen platziert – jeder Tritt, jeder Meter konnte über das Podium in Paris entscheiden.

Ein wenig unglücklich war einzig das Timing: Ausgerechnet in diesem entscheidenden Moment hatte das Tageblatt ein Interview mit Dan Lorang, Director of Coaching & Sports Science bei Red Bull-Bora-hansgrohe, vereinbart. Der Luxemburger zeigte sich jedoch erleichtert, das Gespräch auf die Zeit nach der Etappenankunft verschieben zu können – was ihm spürbar Ruhe verschaffte. Denn währenddessen setzte Lipowitz ein eindrucksvolles Ausrufezeichen, indem er nicht nur Onley distanzierte, sondern damit auch im Kampf ums Podium seine Stärke eindrucksvoll unter Beweis stellte.

„Ich bin wirklich erleichtert“, sagte Lorang im Anschluss. „Es war sehr wichtig – für ihn persönlich und für das ganze Team – dass das so ausgegangen ist. Sie arbeiten alle unglaublich hart und dann will man dieses Ziel natürlich auch erreichen. Er ist der stärkere Fahrer, und ich hoffe, dass er das bis Paris durchzieht.“ Am Sonntag hatte Lorang dann Gewissheit, als Lipowitz sicher bis auf den Champs-Élysées ins Ziel fuhr. In der französischen Hauptstadt durfte er sich sogar über den Sieg der Nachwuchsfahrerwertung freuen.

Erster Anhaltspunkt beim Sommerbiathlon

Lorang selbst war nur an den ersten Tagen der Tour vor Ort. Seitdem bereitet er das Vuelta-Team im Höhentrainingslager in Livigno auf die Spanien-Rundfahrt vor. Trotz der intensiven Trainingsphase sorgt das Team stets dafür, rechtzeitig für die Etappenfinals der Tour zurückzukehren. „Das ergibt sich ganz natürlich“, erklärt Lorang. „Die Etappen der Tour enden meist spät. Wir starten zwischen 9.30 und 10.00 Uhr mit dem Training und verfolgen anschließend das Renngeschehen.“

Dass Lipowitz nun in Paris das Podium erreichte, freut Lorang besonders. Er gilt als Entdecker und Förderer des deutschen Ausnahmetalents. Der 45-Jährige berichtet: „Ich hatte guten Kontakt zum deutschen Biathlon-Verband und wurde einmal zum Sommerbiathlon eingeladen. Dort traf ich Nationaltrainer, die schon Praktika bei mir gemacht hatten. Während meines Aufenthalts kam Florians Vater auf mich zu und erzählte, sein Sohn könne sich vorstellen, Radprofi zu werden. Ich sprach daraufhin mit einem Trainer, der Florian kannte. Er sagte: ‚Florian ist ehrgeizig und robust, aber für den Biathlon wird es nicht reichen.‘“

Im Weißen Trikot auf den Champs-Élysées: Florian Lipowitz
Im Weißen Trikot auf den Champs-Élysées: Florian Lipowitz Foto: Marco Bertorello/AFP

Lorang hatte Interesse am jungen Lipowitz und sprach mit Peter Leo, ehemaliger Trainer des Continental Team Tirol KTM, mit dem Bora-hansgrohe zusammenarbeitete. „Ich wusste, er braucht Rennpraxis – allein seine guten Wattwerte machen keinen guten Radfahrer aus. Deswegen wollte ich ihn in dieses Team bringen.“ In der Kennenlernphase kam es dann zu einem Bewerbungsgespräch bei Bora-hansgrohe-Chef Ralph Denk, zu dem Lipowitz mit dem Rad fuhr – 100 Kilometer hin, 100 Kilometer zurück. „Er hat Eindruck hinterlassen“, sagt Lorang. „Ein Gestörter im positiven Sinn“, erklärte auch sein Jugendtrainer Florian Steirer. 2020 unterschrieb Lipowitz beim österreichischen Continental Team Tirol KTM.

„Bin nicht sein direkter Trainer“

Lipowitz überzeugte und 2022 wurde er dann Stagiaire bei der Mannschaft von Denk, 2023 fester Teil des WorldTour-Teams. Lorang behielt seine Entwicklung stetig im Auge, doch er betont: „Wir haben direkt gar nicht so viel zusammengearbeitet. Ich habe im Hintergrund geschaut, dass alles gut läuft. Er hat zuerst mit Peter Leo gearbeitet, dann haben wir John Wakefield verpflichtet – ich dachte, die könnten gut miteinander harmonieren. Das hat zum Glück funktioniert.“ 

Lorang über Pogacar: „Unantastbar“ 

Im Gespräch mit dem Tageblatt hat sich Dan Lorang auch über den Tour-Sieg von Tadej Pogacar geäußert. „Tadej war unantastbar. Er fährt das ganze Jahr Rennen, er ist fast immer der Stärkste. Seine Konstanz ist unglaublich. Er war bei der Tour angeschlagen, ist gestürzt, wurde attackiert. Visma hat alles versucht und er hat das sehr souverän gelöst. Vergleicht man ihn mit Vingegaard, dann ist der Däne doch sehr wenig gefahren. Er hat alles auf die Tour gesetzt, am Ende hat es nicht gereicht. Ich hatte während der Tour nie das Gefühl, dass Pogacar Probleme bekommt.“ 

Lorang will dabei klarstellen: „Ich bin nicht sein direkter Trainer – das ist Wakefield. Wir verfolgen eine klare Strategie: Ich rede mit John, wie ich die Sachen sehe, und gebe ihm mein Input. Was wir nicht machen, ist, dass ich zu intensiv mit den Fahrern rede. Unser System ist klar: Ich rede erst mal mit den Trainern. Aber dass ich Florian gratuliere oder ihn versuche aufzubauen, ist ganz klar. Es ist aber nicht so, dass wir täglich zusammenarbeiten.“

Lorang kennt also Lipowitz’ Werte, seine Trainingspläne und seine Fähigkeiten genau – dass er in Paris aufs Podium fährt, kam für ihn nicht zwingend überraschend. „Er war beim Dauphiné schon auf dem Podium. Die Fahrer, die dort oder bei der Tour de Suisse vorne mitfahren, fahren normalerweise bei der Tour auch vorne mit. Trotzdem ist es erstaunlich, dass er über drei Wochen auch mental so stabil in seinem Alter ist. Er wird noch einiges lernen. Wir wussten, dass er das Potenzial hat. Aber dass er es wirklich umsetzt, war schwer vorherzusagen.“ 

Gelbes Trikot als großes Ziel

Für Lorang und den deutschen Rad-Rennstall ist es umso schöner, einen Fahrer auf dem Podium zu haben, der selbst vom Team entwickelt wurde. Doch ein Fernziel der Mannschaft von Ralph Denk bleibt, die Tour zu gewinnen. „Jetzt, wo noch Red Bull als Sponsor dazugekommen ist, machen wir kein Geheimnis daraus, den größten Erfolg zu wollen. Wir wollen irgendwann das Gelbe Trikot haben. Wir legen aber nicht fest, dass das in zwei oder fünf Jahren passieren muss. Dafür muss einfach alles passen: die richtigen Fahrer, das richtige Team und Glück gehört dann auch noch dazu.“

Lipowitz wird weiter für das deutsche Team fahren. Wie lange sein Vertrag aber noch geht, ist nicht öffentlich. Klar ist aber, dass das Team auf ihn baut. Mit 24 Jahren hat er noch einige Jahre vor sich und kann sich noch weiterentwickeln. „Er fährt nun seit fünf Jahren Rad, da ist nicht immer alles rundgelaufen. Man sollte nicht versuchen, in seiner Entwicklung etwas zu überspringen. Die Schritte, die er macht, sind sehr groß. Aber sie werden kleiner, desto näher er an sein Limit kommt. Er muss einen kühlen Kopf bewahren und auch die Tour erst mal verdauen. Dann werden wir seinen Aufbau weiter fortsetzen“, sagt Lorang.

Lorang über seinen neuen Job bei Red Bull

Im März veröffentlichte Red Bull-Bora-hansgrohe die Nachricht, dass Dan Lorang ab 2026 als Ausdauertrainer für Red-Bull-Athleten zur Verfügung stehen wird. Wen genau Lorang trainieren wird, wurde nicht mitgeteilt. Zu den Red-Bull-Athleten gehören viele Sportler aus verschiedenen Sportarten, wie Fußballer Neymar, Formel-1-Fahrer Max Verstappen oder aber auch Radsportler Wout van Aert, der für Visma Lease a Bike fährt. Wie sieht also die Zukunft von Dan Lorang genau aus? „Es wird eine 50:50-Sache. Auf der einen Seite bleibe ich beim Rad-Team, aber nicht mehr in einer Management-Position, sondern als Betreuer für Athleten. Für den anderen Teil bei Red Bull schaue ich mir Projekte an – sei es für individuelle Athleten, die Ratschläge brauchen, oder Athleten, die Trainer brauchen – sei es im Fußball oder in der Formel 1. Ich will da arbeiten, wo auch immer mein Know-how gebraucht wird. Das werden wir noch sehen. Ich frage mich immer, wie ich einen Sportler besser machen kann, die Sportart ist nicht entscheidend. Das ist aber alles noch offen formuliert. Ich wollte gerne etwas Neues machen und Red Bull hat gesagt: ‚Bevor du woanders hingehst, mach es bei uns.‘ Ich schließe aber aus, dass ich Radsportler aus anderen Teams trainiere. Das geht vertraglich nicht und würde sich auch komisch anfühlen“, so Dan Lorang.