„Drückt Polen die Daumen, nicht den neuen Ministern“, forderte Donald Tusk am Mittwochmorgen seine Landsleute auf. Zuvor hatte der gebeutelte Premierminister seine Regierung nach wochenlangem Zaudern radikal umgestaltet. Jedes fünfte Ministerium wurde aus Spargründen abgeschafft. Dazu wird das Finanz- und Wirtschaftsministerium zusammengelegt und dem Umwelt- wird ein neu geschaffenes Energieministerium beigefügt.
Publikumswirksamer sind jedoch die personellen Änderungen. Tusk hat den bisherigen parteilosen Justizminister Adam Bodnar entlassen und ersetzt ihn durch den Anti-Kaczynski-Falken Waldemar Zurek, einen ehemaligen Richter. Zurek hat seit Monaten ein weit schärferes Tempo bei der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in Polen gefordert. Dem einstigen Menschenrechtsanwalt Bodnar warf er vor, zu sehr auf die Paragraphen zu schauen und von der damaligen rechtspopulistischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) 2015-23 unrechtmäßig eingesetzte Richter zu tolerieren.
Dazu wird der beliebte Innenminister Tomasz Simioniak neuer Geheimdienst-Koordinator und erhält ein neu geschaffenes „Ministerium zur Bekämpfung der illegalen Migration“. Dies ist eine klare Verbeugung vor den Forderungen der rechten und rechtsextremen Opposition, darin eingeschlossen den künftigen Präsidenten Karol Nawrocki. Ersetzt werden auch die umstrittene Kulturministerin, die Gesundheitsministerin und der Schatz- sowie der Sportminister.
Tusk beförderte zudem seinen internen Kritiker Radoslaw Sikorski zum Vize-Premier. Der eher konservative Außenminister, der seine politische Karriere bei Kaczynskis PiS begonnen hatte, gilt heute als einer der beliebtesten Politiker Polens. Im Vorfeld der Regierungsumbildung war gar darüber spekuliert worden, ob Sikorski nicht Tusk als Regierungschef ablösen könnte. Doch dies wollte der PO-Gründer Tusk offensichtlich nicht.
Versteckte Regierungskrise
Und dies obwohl sich der ehemalige EU-Ratsvorsitzende nach 19 Monaten in den Niederungen der polnischen Innenpolitik sichtbar abgenutzt hat. Immer seltener tritt Donald Tusk an die Öffentlichkeit, Interviews in den Medien gibt er schon länger nicht mehr. Letztmals hatte er sich damit gehörig die Finger verbrannt, als er in einem Interview im Privatsender Polsat zugunsten seines liberalen Präsidentschaftskandidaten Rafal Trzaskowski aufgetreten war, indem er dessen Herausforderer Nawrocki – allerdings unbewiesene – Mafia-Kontakte vorwarf. Trzaskowski verlor die entscheidende Stichwahl am 1. Juni dennoch überraschend. Seitdem gibt es in Polen eine versteckte Regierungskrise. Die beiden kleineren Koalitionspartner Tusks, die Vereinigte Linke und der zentralistische „Dritte Weg“ des Parlamentspräsidenten Szymon Holownia, forderten in den letzten zwei Monaten unverhohlen mehr Macht in Tusks Mitte-Links-Kabinett.
Holownia, gemäß Verfassung nach dem Staatspräsidenten der zweite Mann im Staat, diente sich bei einem nächtlichen Geheimtreffen vorige Woche gar Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski als möglicher Premier einer neuen, konservativen Regierungskoalition an. Dies führte hinter den Kulissen in Warschau zum Eklat. Tusk versuchte nun am Mittwoch die Wogen zu glätten, indem alle Minister Stellvertreter der jeweils anderen Regierungspartei erhalten. Damit wird seine liberale Bürgerplattform (PO) indirekt geschwächt.
„Wir haben viel erreicht, vor allem ein solides Wirtschaftswachstum und eine Stärkung der Armee, hört deshalb endlich mit dem Klagen auf“, forderte Tusk am Mittwoch bei der Vorstellung seines neuen Kabinetts. Als neues Motto gab der Regierungschef „Ordnung, Sicherheit und Zukunft“ aus. Ob diese Losung zieht, hängt ab August wesentlich von Staatspräsident Karol Nawrocki ab, der mit Vetos Tusks Reformregierung ebenso wie sein PiS-naher Vorgänger Andrzej Duda blockieren und gar ausbremsen kann.
De Maart
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