Aitana Bonmatí bekam ihren Willen. „Wenn sie in die Verlängerung gehen und sich ein wenig verausgaben, würde uns das nicht schaden“, hatte die zweimalige Weltfußballerin vor dem dramatischen EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich (6:5 i.E.) gesagt. Doch dass sich Spaniens Weltmeisterinnen bei ihrer historischen Titelmission nun tatsächlich die schwer geschlauchte DFB-Elf in den Weg stellt, kann Bonmatí kaum gefallen.
Der Rekordeuropameister ist die „bestia negra“ (wörtlich: Schwarze Bestie) der Selección Espanola Femenina, der Angstgegner der spanischen Frauenauswahl: In acht Duellen gab es fünf Niederlagen und keinen einzigen Sieg. Seit dem niederschmetternden 0:6 bei der ersten Begegnung im April 1997 wurden auch alle drei Turnierpartien verloren: Bei der WM 2019 (0:1) und der EM 2022 (0:2) jeweils in der Gruppenphase, dazu bei Olympia 2024 im Kampf um die Bronzemedaille (0:1).
Olympia-Stachel sitzt tief
Deutschland, kommentierte die Zeitung As am Sonntag, sei für Spanien „el eterno ogro“, der ewige Oger – ein mythischer Unhold also, „der noch nie bezwungen wurde“. Dazu sei die „heroische“ DFB-Elf eine echte „Turniermannschaft“. Auch Marca war schwer beeindruckt: „Dieses Team kennt keine Grenzen!“
Erst recht nicht seine Torfrau Ann-Katrin Berger. Die 34-Jährige, von AS „Anna-Katrine“ genannt, „wirkt Wunder“, schrieb Mundo Deportivo. Wie im Bronze-„Finale“ von Paris. Damals brachte Berger die andere spanische zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas mit ihrer Elfmeterparade (90.+9) zur Verzweiflung. Der „Stachel“ von Olympia, sagte Jungstar Vicky Lopez, sitzt noch immer tief.
Doch bei allem Respekt: Spanien tritt zum Halbfinale am Mittwoch (21.00 Uhr) als Favorit und mit jeder Menge Selbstvertrauen an. Mit dem erst zweiten Einzug in die Vorschlussrunde nach 1997 (1:2 gegen Italien) „haben wir Geschichte geschrieben“, sagte Bonmatí, „und wir sind noch nicht fertig. Wir wollen ins Finale!“
Spanien im EM-Fieber
Das wird auf dem Platz mehr als deutlich. 16 Tore in vier Spielen sprechen eine eindeutige Sprache, Gastgeber Schweiz war beim 0:2 im Viertelfinale noch gut bedient. Nach dem WM-Triumph 2023 und dem Nations-League-Sieg 2024 wäre der erste EM-Coup die logische Folge.
Die Fans in der Heimat fiebern mit. Das Schweiz-Spiel sahen im öffentlich-rechtlichen Sender TVE 2,34 Millionen Menschen, was einem Marktanteil von 26,8 Prozent entsprach. „Wir begeistern die Leute, das spricht Bände darüber, wie hart wir arbeiten“, schwärmte Stürmerin Lopez.
Wohin die Reise geht? „Wir sind erfolgshungrig und voller Hoffnung“, sagte Bonmatí schon vor Monaten und betonte: „Der Titel fehlt uns noch und wir werden alles daran setzen, ihn zu bekommen.“ Gut möglich, dass sie auch hier ihren Willen bekommt.
Das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich (6:5 i.E.) ist eine „packende Partie mit vielen unvorhersehbaren Momenten“, wie der englische Guardian schreibt. Wir geben einen Überblick über die entscheidenden Szenen eines Spiels voller Dramatik:
Rot für Hendrich (14. Minute):
Kathrin Hendrich zieht bei einem Freistoß für die Französinnen deren Kapitänin Griedge Mbock am Haarzopf – im Strafraum! Rot für Hendrich und Elfmeter. Grace Geyero verwandelt (15.). Deutschland spielt am Ende 105 Minuten lang in Unterzahl und zeigt laut Deutschland-Trainer Christian Wück eine „unfassbare Leistung“.
Linder muss raus (20.):
Sarai Linder, die nach einem Zweikampf mit Sakina Karchaoui, an dem auch Jule Brand unglücklich beteiligt war (5.), mit bandagierten Fuß zunächst noch weitergespielt hat, muss vom Feld. Nach Giulia Gwinn (Knieverletzung) und Carlotta Wamser (Rot gegen Schweden) kommt damit als bereits vierte Rechtsverteidigerin Sophie Kleinherne zu ihrem ersten EM-Einsatz.
Der Ausgleich (25.):
Eckball von links, am kurzen Pfosten verlängert Sjoeke Nüsken die Hereingabe von Klara Bühl mit dem Kopf ins Tor. Wück betont: „Das war einstudiert.“
Aberkannte Treffer (40./57.):
Zwei weitere Male liegt der Ball im deutschen Netz, beide Male zählt der Treffer nicht. Erst steht Delphine Cascarino im Abseits, dann wird der zweite Treffer von Geyero aberkannt, weil Maëlle Lakrar spielentscheidend im Abseits stand und Torhüterin Ann-Katrin Berger irritierte.
Elfmeter vergeben (69.):
Jule Brand wird im Strafraum zu Fall gebracht. Nüsken schießt den Elfer mit rechts flach ins linke Eck, aber zu unplatziert, Torhüterin Pauline Peyraud-Magnin pariert.
Bergers „mega save“ (103.):
Was für eine Parade! Janina Minge lenkt einen Freistoß mit dem Kopf unglücklich aufs eigene Tor – doch Berger wehrt den Ball im Rückwärts-Flug noch vor der Linie ab. „Eine der besten Paraden bei einer Europameisterschaft aller Zeiten“, staunt der Guardian, ein „Mega-Save“, schreibt der Schweizer Blick.
Berger trifft und hält
Im Elfmeterschießen wird Berger endgültig zur Frau des Spiels. Den ersten Elfer der Französinnen durch Amel Majri wehrt sie ab, nach dem Lattentreffer von Sara Däbritz beim vierten deutschen Schuss trifft sie selbst zum 4:3. Kurz darauf wehrt Berger den siebten Elfmeter der Französinnen von Alice Sombath ab – indem sie zum sechsten Mal in ihre linke Ecke springt. „Anne ist überragend, wir können uns auf sie verlassen“, sagt Ersatzkapitänin Minge.
De Maart
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