Unsere Welt gibt derzeit kein gutes Bild ab. Krisen, Kriege zwischen Staaten und/oder Gemeinschaften, Religionsfehden und Bürgerkriege sowie ganz normaler Zerstörungswahn der Natur, prägen derzeit den Alltag. Manche Zeitgenossen mögen schon nicht mehr hinschauen, denn neben der ach so grausamen Aktualität flechten bösartige Geister noch sogenannte Fake News ins Tagesinformationsgeschäft ein. Logisch, die Kunst steht nicht allein da, sie saugt all dies auf, verarbeitet dieses „Material“ und nimmt auch Stellung. Wenn die Menschheit „nichts“ oder „wenig“ aus dem gelernt hat, was man als „Geschichte“ bezeichnen kann, so wundert es nicht, dass die Frage nach der „Rolle“ der Kunst aufgeworfen wird, nicht nur im einzelnen Schaffen der Künstlerinnen und Künstler, auch in der Vermittlung der Kunst.
Das „Zentrum für Kunst und Medien“ (ZKM) Karlsruhe wartet regelmäßig mit interessanten und wegweisenden Ausstellungen auf, so sicherlich auch ab dem 16. Juli, wenn es dort heißt: „Assembling Grounds. Praktiken der Koexistenz“, anders rum: „Wie Kunst ein gerechteres Zusammenleben fördern kann“. Die Idee zu dieser Schau hat sich aus dem internationalen Austausch im Rahmen der ZKM-Reiseausstellung „Critical Zones. In Search of a Common Ground“ ergeben, die von 2022 bis 2024 in Indien und Sri Lanka gezeigt wurde. Im Vorfeld der Expo notiert das ZKM: „Aus dem Austausch mit lokalen Gemeinschaften und künstlerischen Netzwerken gingen zahlreiche Neuproduktionen hervor, die nun in Karlsruhe gezeigt werden. Die Positionen befassen sich mit ökologischer Gerechtigkeit, einem Systemwandel unserer Gesellschaft und möglichen Formen planetarer Koexistenz.“
Aktuelle Themen als Plattform
Das ZKM hat für diese Sonderausstellung Künstlerinnen und Künstler aus Indien, Sri Lanka, Frankreich und Deutschland zusammengeführt. Ihre Werke gehen aktuellen Thematiken auf den Grund. Einbezogen sind selbstredend das Ringen um die IK-Hoheit und die Machenschaften des neuen „Tech-Imperialismus“ sowie die Spurensuche nach Wegen „technologischen Fortschritt mit den ökologischen Bedürfnissen unseres Planeten in Einklang zu bringen.“
Die ausgestellten Arbeiten befassen sich mit wichtigen Fragen, vom zentralistischen Machtansprüchen gegenüber lokalen Ansprüchen und kulturellem „Widerstand gegen dominante Fortschrittsnarrative“ bis zur „Suche nach nachhaltigen Lebensweisen jenseits linearer Modernitätsbegriffe.“ Angesichts der recht unterschiedlichen Herkunft und Erfahrungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden in diesen Werken kleine Geschichten, die in Wirklichkeit aber große „gesellschaftliche Fragen“ im Fokus haben, in künstlerischer Form erzählt und perspektivisch eingereiht.

Die Kunst wird hier, so sehen es die Mitwirkenden, zu einem „Werkzeug für Wandel“ genutzt. „Assembling Grounds“ ist demnach Teil der „Ausstellungsplattform Fellow Travellers, die Kunst als aktiven sozialen und politischen Akteur versteht“. Diese Sichtweise ist nicht neu. Zahlreiche Künstler haben das genauso gesehen und utopische Vorstellungen für eine bessere, gerechtere Welt entworfen. In dieser Ausstellung geht es auch um die Thematik der Ressourcen, die allzu oft nicht optimal im Sinne der Länder und Regionen eingesetzt werden, aus denen sie stammen. Vielmehr zeigen selbst zeitgenössische Beispiele, u.a. territoriale Ansprüche von Weltmächten und die sich daraus ergebenden Kriege oder Stellvertreterkriege, wie wichtig es ist, all diese Fragen immer wieder in ihrem Gesamtzusammenhang zu sehen. Die Kunst hat wenig Mittel, direkt und wirkungsvoll einzugreifen, doch sie kann ungerechtes menschliches Handeln und fatalen Missbrauch und Unterdrückung mit ihren eigenen Mitteln darstellen und entsprechend Verursacher und Täter anklagen. Dass das mal subtiler, mal eher frontaler und plastisch auch unschön geschehen kann, liegt auf der Hand.
Unterschiedliche Projekte
Neben dem „Permakulturpraktiker“ Abhijit Patil, der das Saatgut zu einer politischen Parabel nutzt, zeigt die Schau noch Projekte von Parag Tandel und Kadambari Koli-Tandel mit der Fischerei-Gemeinschaft in Mumbai als Basis, Nilanjan Bhattacharya und Maliika Das Sutar aus Bangalen, Ishita Chakraborty mit einer Klangskulptur, Hema Shironi (Textilien) und Anuja Dasgupta (Papier) aus Sri Lanka, Maksud Ali Mondal (Lebensweisen von Termiten), Stéphane Verlet-Bottéro, Oliver-Selim Boualam und des Kollektivs Katzenwedelwiese mit Objekten auf einer Streuwiese.
„Interlokales Denken und künstlerische Allianzen“ werden hier nicht nur in der Theorie gefördert, vielmehr erarbeiten einige der Eingeladenen ihre Projekte vor Ort in zeitlich befristeten Residenzen. „Es sollen Freiräume für ein neues Denken entstehen, das Raum für kontextabhängigen Dialog schafft.“ Neben der eigentlichen Ausstellung wird im ZKM/Kubus Subraum auch das künstlerische Projekt „Phyto-Travellers“ von Eva-Maria Lopez eröffnet. Es geht hierbei um die „Migrationsgeschichte sogenannter Neophyten, Pflanzen, die im Zuge kolonialer Expansion und botanischer Erkundung aus anderen Weltregionen eingeführt und kulturell angeeignet wurden“ – und somit ganz gut in den Rahmen der Ausstellung über die Rolle der Kunst bei der Suche nach einem „gerechteren Zusammenleben“ passen. Die Ausstellung wird am 26. Juli eröffnet und läuft dann bis zum 31. Mai 2026. Der Weg nach Karlsruhe lohnt sich bestimmt.
Info
„Assembling Grounds. Praktiken der Koexistenz“ im ZKM Karlsruhe vom 26.7.2025 bis 31.5.2026.
De Maart
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