Montag10. November 2025

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SpanienImmer mehr Menschen kämpfen gegen den Lärm der Cafés

Spanien / Immer mehr Menschen kämpfen gegen den Lärm der Cafés
„Ruhe“: Nicht nur in Spanien ist sie immer weniger zu finden Foto: AFP/Oscar del Pozo

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Laute Straßencafés und trubelige Straßenfeste gehören zu Spaniens Image – und zu den Dingen, die das Land für die vielen Touristen attraktiv machen. Die Spanier selbst stört der verbreitete Krach jedoch zunehmend, es gibt immer mehr Bürgerinitiativen und Klagen für eine Eindämmung des dauernden Lärms.

„Das einzige, das uns von anderen Ländern unterscheidet, ist, dass wir lauter sind“, schrieb der spanische Journalist und Schriftsteller Ignacio Peyró jüngst in der Zeitung El País. „Wir haben so viele Wörter für ,Party‘ (…) wie die Inuit für Schnee.“

Tatsächlich geht es im spanischen Nachtleben hoch her. Wenn Gäste aus dem Ausland eine spanische Bar betreten, wähnen sie sich oft erst einmal in einer hitzigen Auseinandersetzung, weil dort so geschrien und gelärmt wird.

In den spanischen Städten wird es im Sommer noch lauter, weil viele Menschen lieber vor als in einem Lokal sitzen. Hinzu kommt, dass in der heißen Jahreszeit viele Patronatsfeste mit Umzügen vor Massen von Schaulustigen stattfinden wie das San-Fermín-Fest in Pamplona mit seinem weltberühmten Stiertreiben.

In Städten wie Madrid, Barcelona und Valencia haben viele Häuser trotz der Sommerhitze keine Klimaanlage, deswegen schlafen viele bei offenem Fenster. Ein erholsamer Nachtschlaf ist so oft nicht möglich – bei geschlossenem Fenster ist die Hitze unerträglich, bei offenem Fenster stört der Lärm auf den Straßen.

Toni Fernández kennt die Probleme nur zu gut. Er lebt seit 15 Jahren gegenüber einer Bar in Chueca, einem Ausgehviertel von Madrid. „Wenn man einen leichten Schlaf hat, ist es unmöglich zu schlafen“, sagt der 58 Jahre alte Friseur. Er träumt nach eigenen Angaben von einem Umzug an einen ruhigeren Ort.

Kein einfacher Kampf

„Die Portugiesen haben eine andere Kultur, sie sprechen viel leiser“, sagt Fernández. Bei Besuchen in dem Nachbarland fällt ihm auf, dass die Spanier und auch er selbst da anders sind. „Ich merke dann, dass ich laut spreche“, sagt er.

Gegen den dauernden Krach anzukämpfen, sei in Spanien allerdings nicht einfach, sagt Yomara García, die der Vereinigung Juristen gegen Lärm vorsteht. Diejenigen, die sich gegen die Kakophonie aussprächen, würden als „Jammerlappen, unsozial, überempfindlich“ abgestempelt.

Für García steht aber fest, dass das Recht auf Privatsphäre, Unverletzlichkeit des Zuhauses sowie auf Erholung zu achten ist. Das Recht auf Party sei hingegen „kein Grundrecht“, sagt sie während eines Akustik-Kongresses in dem ebenfalls lauten südspanischen Urlaubsort Málaga.

Mittlerweile richten sich Klagen wegen Ruhestörung nicht mehr nur gegen laute Lokale. Überall in Spanien gründen sich Anti-Lärm-Organisationen. Im Bernabéu-Stadion von Real Madrid finden nach Beschwerden von Anwohnern derzeit keine Konzerte mehr statt. Auch Beschwerden wegen Lärmbelästigung gegen Patronatsfeste oder das in Spanien beliebte Padel-Tennis, das mit einem Schläger mit solider Schlagfläche statt mit Saiten gespielt wird und entsprechend laut ist, beschäftigen zunehmend die Gerichte des Landes.

Zentrum der Stille

Sogar gegen den Lärm auf Schulhöfen in Barcelona wurden Beschwerden eingereicht. Das katalanische Regionalparlament beschloss deswegen, Schulen von Lärmschutzbestimmungen auszunehmen.

Dass in Spanien das Bedürfnis nach Ruhe zunimmt, zeigt sich auch beim Zentrum der Stille, das in Madrid vom katholischen Dominikanerorden betrieben wird. Etwa 50 Menschen pro Woche finden dort Zuflucht vor dem hektischen und lauten Treiben in der spanischen Hauptstadt.

Als es 2011 gegründet wurde, war das Zentrum der Stille eine Ausnahmeerscheinung. Heute gebe es aber „enorm viele Angebote an Orten des Rückzugs, der Stille und Meditation“, sagt Zentrumsleiterin Elena Hernández Martín.

Die 59 Jahre alte Philosophie-Professorin Ana Cristina Ripoll kommt regelmäßig ins Zentrum der Stille. Nach ihrer Wahrnehmung ist es in Spanien mit dem Bewusstsein für die Schädlichkeit von Lärm noch nicht weit her. „Wenn ich eine Person in der Metro bitte, ihre Musik, die sie auf dem Handy abspielt, leiser zu machen, (…) kommt es vor, dass sie wütend wird“, berichtet Ripoll. „Es gibt sogar Leute, die Dir entgegenhalten: ,Das ist Spanien!‘“ (AFP)