Zwei Kinderhände reichen nicht aus, um die HK416 vom Tisch zu heben. „Dat ass schwéier!“, sagt der kleine Junge mit der Baseballkappe. Er schaut fragend zu seiner Mutter hoch. Heckler & Koch, deutsche Waffenschmiede. Ein Sturmgewehr. 850 Schuss pro Minute. Standardwaffe der französischen Armee, ab 2026 auch der deutschen Bundeswehr. Die Mutter packt mit an. Gemeinsam wuchten sie das Gewehr hoch. Eine kleine Hand reicht kaum bis zum Abzug, die andere greift das Magazin statt des dafür vorgesehenen Griffes.
Wenn Kinder auf Panzer klettern, durch Zielfernrohre blinzeln und Gewehre wuchten, mit denen die US-amerikanischen Navy SEALs einst Osama Bin Laden erschossen, dann ist wieder Tag der offenen Tür bei der luxemburgischen Armee. Es ist ein Sonntag, Mitte Juli, schon der Morgen trocken-heiß. Zum ersten Mal seit drei Jahren öffnet die luxemburgische Armee die Tore ihres Hauptquartiers, der Kaserne „Grand-Duc Jean“, für die Öffentlichkeit. In einer Zeit, in der das Thema Verteidigung, in der Militär, Armeen, Sicherheit und Krieg in Europa so präsent sind wie seit 80 Jahren nicht mehr. 2022, der letzte Tag der offenen Tür, war kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Seitdem ist viel passiert. Luxemburg hat seine Verteidigungsausgaben stetig nach oben geschraubt. Zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens sollen schon dieses Jahr erreicht werden. Bei ihrem Gipfel im Juni hat die NATO die Messlatte noch einmal höher gelegt. Fünf Prozent bis 2030, anderthalb in Sicherheit und Infrastruktur, dreieinhalb in direkte Verteidigung. Eine immense Aufgabe für ein kleines Land wie Luxemburg. Und immens viel Geld für eine Armee mit aktuell 1.200 Beschäftigten.
Wohin führt die Aufrüstung?

Am Freitag hatte General Steve Thull, Chef des Generalstabs der luxemburgischen Streitkräfte, im RTL-Interview die Öffentlichkeit dazu eingeladen, mit eigenen Augen zu sehen, wo dieses Geld hinfließt. Der Tag der offenen Tür sei eine „Möglichkeit für die Leute, zu sehen, dass wir das, was wir an Kapazitäten bekommen haben, sinnvoll einsetzen für die Sicherheit der gesamten Bevölkerung.“ Und deshalb beginnt der Tag auf dem Herrenberg auch mit einem Schaumanöver. Nachdem die Transportmaschine Airbus A400M in Begleitung von zwei F16-Kampfflugzeugen im Tiefflug über die Köpfe der zahlreichen Zuschauer gedonnert ist, rücken mehrere gepanzerte Fahrzeuge mit Maschinengewehren auf dem Dach vor. Sie sollen ein „feindliches Dorf“ einnehmen, drei Attrappen auf der anderen Seite des Geländes. Soldaten springen aus den Fahrzeugen, gehen in Deckung. Dann knallt es. Es fliegen leuchtende Granaten, die Maschinengewehre ballern. Ein kleines Mädchen hält sich die Ohren zu und weint. Das Manöver läuft weiter, der „Feind“ ist unter Beschuss, aber die Mutter, Kind im Arm, wendet sich vom Zaun ab und geht.
Krieg war seit 80 Jahren nicht mehr so nah in Europa. Was macht das mit den Menschen? Und zu was führt die Aufrüstung, die Verteidigungsrhetorik der europäischen Politiker? Wenn man den Grad der Militarisierung einer Gesellschaft messen will, wo fängt man an? Vielleicht hier: Nur wenige Meter neben dem Manöverplatz mit dem Scheingefecht hängt ein Plakat. „Schnitzeljagd“ steht darauf. Ein Parcours durch die ganze Kaserne, verschiedene Stationen. Beworben von einer kulleräugigen Comicfigur in voller Militär-Montur.
Die Zeiten ändern sich. Eine Friedenspartei wie „déi gréng“ hat sich von der Friedensbewegung verabschiedet, auf ihrem letzten Parteitag im März kämpfte ein einziger einsamer Redner gegen den Aufrüstungskurs an. Beim jüngsten Projektaufruf der Regierung für Unternehmen und Forschung in der Verteidigungsindustrie verzichtete man zum ersten Mal auf das einst beschwichtigende Zauberwort „Dual Use“ und setzte auf reine Verteidigung. Diese neue Art von politischer Kommunikation zeigt auch: Die vergangenen drei Jahre haben verändert, was man den Leuten zumuten kann.

Auf dem Herrenberg ist Erbgroßherzog Guillaume zu Gast. Zusammen mit General Steve Thull und Verteidigungsministerin Yuriko Backes zieht er von Stand zu Stand, lässt sich dieses Fahrzeug und jene Waffe erklären. Erster Stopp: die belgischen „Chasseurs ardennais“, die Ardennenjäger mit dem Wildschwein als Wappentier. Was genau Guillaume an diesem Tag erfährt, ist leider nicht zu verstehen, überall auf dem Kasernengelände dröhnt Musik aus den Boxen, in der Dauerbeschallung versinkt schon das Wort des Nachbarn. Mit dabei in der Entourage: die Chamber-Abgeordneten André Bauler und Fernand Etgen (beide DP), ADR-Mann Tom Weidig mit verspiegelter Sonnenbrille (und zeitweise Camouflage-Anglerhut) und Piraten-Politiker Sven Clement mit Kind. Von der CSV ist zumindest beim offiziellen Rundgang niemand zu sehen. Auch keine Spur von LSAP, „déi gréng“ oder gar „déi Lénk“. Ein erstes zaghaftes Zeichen gegen die Militarisierung Luxemburgs? Immerhin hatte die LSAP in der Chamber kürzlich erste Kritik an Aufrüstungsplänen und NATO-Zielen verlauten lassen.
Während Verteidigungsministerin Backes und der Erbgroßherzog im Simulator das neue Kampffahrzeug „Jaguar“ testen, klopft Tom Weidig die Panzerung des Fahrzeugs ab. Wenig später unterhält er sich fachmännisch mit den Soldaten der Scharfschützen-Abteilung über die Flugeigenschaften von Patronen bei unterschiedlichen Windverhältnissen. Auch Sven Clement hilft seiner Tochter beim Waffenheben am Infostand. Faszination Technik, das ist einer der Hauptgründe, warum so viele Leute an diesem Sonntag den Weg auf den Herrenberg gefunden haben.
650 neue Rekruten

Viele Schlangen bilden sich an diesem Tag. Vor einem Aufklärungsfahrzeug warten etwa 20 Personen, um ihre Kinder auf die Fahrerbank zu setzen. Unter ihnen ein Paar mit zwei Kindern. Warum sie an diesem Tag hier sind? „Ich war vor elf Jahren bei der Armee, jetzt will ich den Kindern diesen Ort zeigen“, sagt der Mann. Wenige Meter entfernt ist eine Großfamilie – Mann, Frau, drei Kinder im Teenageralter, allesamt mit Camouflage-Anglerhut – ins Gespräch mit einem Soldaten neben einem Feldbettenlager vertieft. Der erklärt ihnen gerade en détail die Unterschiede zwischen Sommer- und Winterschlafsäcken. „Darf ich das Material mal anfassen?“, fragt die Frau.
Kriegsgerät fasziniert, das war schon immer so. Aber Armee und Militär, die hatten über weite Teile des 20. Jahrhunderts doch keinen so guten Ruf. Sie waren notwendig, ja, aber bitte nicht so viel und bitte nicht so teuer. Diese Zeiten sind vorbei. 900 Soldaten zählt die luxemburgische Armee heute, 650 weitere sollen nun rekrutiert werden. Auf den Kasernenhöfen gibt es einen Infostand zur Grundausbildung, zwei junge Männer lassen sich dort gerade beraten. Der Soldat antwortet auf alle Fragen, am Ende verabschieden sich die beiden Interessierten mit einem höflichen „Danke für Ihre Zeit“.

Es geht an diesem Tag der offenen Tür nicht nur um Transparenz, es geht auch um die Zukunft der Armee und ihre Rolle in der Gesellschaft. In allererster Linie ist der Herrenberg an diesem Sonntag aber ein riesiger Kinderspielplatz – in bedrohlicher Kulisse. Hindernisparcours, Kinder mit Minensuchgeräten im Sandkasten. War Games. Kriegsspiele. Der Tag der offenen Tür ist ein gewaltiges Sommerfest, es gibt Waffen, Panzer, Würste und Bier. Im Schatten einer Halle spielt eine Coverband. „Hold The Line“, dann „Because The Night“. Rockradio-Durchschnitt. Massentauglich, genau wie dieser Tag. Das halbe Land scheint auf den Beinen. Junge, Alte, Familien mit kleinen Kindern, Teenager. Schon um 14 Uhr, vermeldet RTL, ist die Marke von 10.000 Besuchern geknackt. 2022, beim letzten Tag der offenen Tür, waren es am Ende insgesamt 15.000.
Sieht so Militarisierung aus? Bratwürste und Panzerfäuste zum Anfassen? Vielleicht nicht. Aber die Berührungsängste, das haben die vergangenen Jahre verändert, und das zeigt sich auf dem Herrenberg an diesem heißen Julisonntag ganz deutlich, sind weg. Die Armee ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
De Maart















































Wie ich vermutete: Er weiss es nicht!
@ I. Meierle / Danke für die Wertschätzung und einen schönen Sonntag Herr Meierle
Sehr viel Blabla um immer noch nicht zu wissen, w a s Y.B. schlussendlich in den Händen hält! Wie wäre es mal mit einer Aufklärung vom Experten Steve (oder weiss er es am Ende selber nicht?)
@ Phil / Richtig / Was die liebe Yuriko auf dem Foto in den Händen hält ist weder eine Bazooka noch eine Panzerfaust. Das war ja der Anfang dieser Diskussion. Manche Pazifisten waren überzeugt es sei eine Bazooka.
Bazooka und/oder Panzerfaust sind vielleicht im Aufbau verschieden, aber das destruktive Potential bleibt dasgleiche.
Einen ähnlichen Vergleich kann man mit Eierhandgranaten und denjenigen mit Wurfstiel anstellen.
Schrecklech, wéi do den Krieg an seng Mordwaffen verniedlecht gin.
@ Meierle / Ein schöner Sonntag und alles Gute Herr Meierle. Sie Herr Meierle erinnern mich an den ungläubigen Thomas. Und klar dass wir us kennen sehr gut sogar, wollen sie sich nicht erinnern oder vergessen sie so schnell Herr Meierle.
A wanns de net gees.
Kennen wir uns? Ein Steve ist mir unbekannt. Also nix da mit "méi Jong"! Ich glaube mehr dem Gedruckten, als einem, der glaubt, jeden ungefragt duzen zu können.
@ Meierle / Du kenns du och néischt méi Jong.
So herzlich lachend die beiden im Vordergrund noch nie gesehen (was war denn so erheiternd"?
Steve: Der Ueberschrift getreu "Was bedeutet Bazooka auf Deutsch?
Panzerabwehrrohr · Panzerfaust", also richtig von Phil kommentiert
@ Phil / A wou geséis du dann do eng Bazooka??????
Backes an Bozooka brëngt Bommestëmmeng!
Panzerwürste und Bratffaeuste . . . . .
Hoffentlich haben die Eltern ihren Kindern auch erklärt, dass man am Ende dieses grausamen Spiels, Krieg genannt, sehr wahrscheinlich tot ist. Nicht umsonst hat sich die Generation vor uns "Nie wieder Krieg!" auf die Fahnen geschrieben.
Das Motto ist also" Si vis pacem, para bellum"
Danke Herr Dörr für diesen Artikel, der im Juli 2025 genauso und nicht anders geschrieben werden musste. Hätte die Coverband doch bloss "Nein, meine Söhne geb'ich nicht" von Reinhard Mey in Dauerschleife gespielt.