Freitag24. Oktober 2025

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TestosteronregelLeichtathletin Semenya gibt nicht auf: „Der Kampf wird nie zu Ende sein“

Testosteronregel / Leichtathletin Semenya gibt nicht auf: „Der Kampf wird nie zu Ende sein“
Caster Semenya bekam vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nur teilweise Recht Foto: AFP/Frederick Florin

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Die Leichtathletik-Olympiasiegerin aus Südafrika bekommt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilweise Recht – der wichtigste Aspekt ihrer Klage wird aber abgewiesen.

Caster Semenya stand stolz vor der Richterbank im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und zeigte entschlossen die Faust. „Der Kampf wird nie zu Ende sein“, sagte die Leichtathletik-Olympiasiegerin, die in Straßburg nach einem jahrelangen Rechtsstreit einen Teilerfolg feierte, aber auch eine bittere Niederlage einstecken musste. Doch aufgeben will Semenya nicht. „Solange es Ungerechtigkeit gibt“, sagte die Südafrikanerin, werde sie „kämpfen“.

Denn: Im wichtigsten Punkt ihrer Mission wurde in letzter Instanz gegen Semenya entschieden. Die Beschwerde der 34-Jährigen gegen das Diskriminierungsverbot (Artikel 14) vor dem Hintergrund der Regeln der Sportgerichtsbarkeit in ihrem Kampf gegen die sogenannte Testosteronregel in der Leichtathletik wurde mit 13 zu vier Richterstimmen für unzulässig erklärt, da die Beschwerde nicht unter die Gerichtsbarkeit der Schweiz falle.

Gleichzeitig habe Semenya in der Schweiz bei ihrem Gang durch die Instanzen aber auch kein faires Verfahren erhalten, hieß es im Urteil der Großen Kammer in Straßburg. Semenya wurde deshalb ein Schadensersatz in Höhe von 80.000 Euro zugesprochen.

Semenya sprach von einem „positiven Ergebnis“, das Urteil sei „eine Mahnung für die Verantwortlichen, dass die Prioritäten beim Schutz der Athleten liegen. Wir müssen die Athleten respektieren, wir müssen ihre Rechte an die erste Stelle setzen.“

Seit sieben Jahren hält der Fall Semenya die Sportwelt in Atem, im Kern geht es um die Frage: Dürfen Athletinnen mit einem erhöhten Testosteronwert bei den Frauen starten? Ist das Recht der einzelnen Sportlerin auf Partizipation und Inklusion stärker als das Recht aller auf einen integren Wettkampf? Der Sport findet keine Antworten, die Debatte wird – wie im Fall der Boxerin Imane Khelif bei Olympia in Paris – extrem hitzig und emotional geführt.

„Strukturelles Ungleichgewicht“

In der Leichtathletik gibt es – im Vergleich zu anderen Sportarten – eine vermeintlich klare Regel. Wessen Körper zu viel Testosteron produziert, muss diesen Wert mit Medikamenten unter einen bestimmten Wert senken. Dagegen wehrt sich Semenya in ihrem juristischen Marathon, um die Regeln des Weltverbandes World Athletics (WA) anzufechten. Vor dem EGMR klagte sie aber nicht gegen World Athletics, sondern gegen die Schweiz, die von WA in dem Fall unterstützt wurde.

Semenya hatte vor dem in Lausanne sitzenden Sportgerichtshof CAS und dem Schweizer Bundesgericht als nächster Instanz vergeblich dagegen geklagt, dass sie als intersexuelle Sportlerin ihren natürlich hohen Testosteronspiegel künstlich senken müsste, um an internationalen Rennen wie den Olympischen Spielen und bei Weltmeisterschaften teilnehmen zu können.

Der EGMR wies in seinem Urteil auf ein „strukturelles Ungleichgewicht“ in der Sportgerichtsbarkeit hin, Semenyas Fall hätte eine „besonders strenge Prüfung“ ihrer Persönlichkeitsrechte erfordert, diese sei durch das Schweizer Bundesgericht aber nicht erfolgt. Der Fall könnte nun an das Schweizer Bundesgericht in Lausanne zurückverwiesen werden. Direkte Auswirkungen auf die Testosteronregel hat dies allerdings erst einmal nicht.

Semenya, die als Person mit „Abweichungen in der sexuellen Entwicklung (DSD)“ eingestuft wird, hatte 2012 und 2016 Olympiagold über 800 Meter gewonnen, darf aber seit 2019 wegen der Testosteronregel nicht mehr bei internationalen Rennen über ihre Paradestrecke antreten.

Die Testosteronregel in der Leichtathletik war von Anfang an umstritten, der CAS verbot den Paragrafen 2015. Zum 1. November 2018 wurde ein neues, immer wieder überarbeitetes Regelwerk eingeführt – dieses gilt seit 2023 auch nicht mehr nur für die Disziplinen von 400 m (einschließlich der Hürdenrennen) bis hin zu einer Meile.