Samstag1. November 2025

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EttelbrückLandwirtschaft hautnah erleben: Die vielen Gesichter der „Foire agricole“

Ettelbrück / Landwirtschaft hautnah erleben: Die vielen Gesichter der „Foire agricole“
„Frauen, die spinnen, sind keine Mainstream-Frauen“ Foto: Laura Tomassini

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Am vergangenen Wochenende fand in Ettelbrück die 42. „Foire agricole“ statt. Bei der Landwirtschaftsmesse gab es dieses Jahr über 330 Stände zu entdecken. Wie vielfältig diese waren, zeigte der Besuch bei zwei Ausstellern, wie sie unterschiedlicher wohl nicht sein könnten.

Von Ackerbau-Maschinen über Ardenner-Pferde bis hin zu speziellen Mulch-Sorten: Wer am Wochenende bei der „Foire agricole Ettelbruck“ (FAE) vorbei schnupperte, der fand auf einer Gesamtfläche von zwölf Hektar alles, was zum Thema Landwirtschaft dazugehört. Zwischen Vertretern des Sektors und Verkäufern spezifischer Produkte entdeckte man auch den ein oder anderen etwas spezielleren Stand, wie man ihn so vielleicht nicht unbedingt bei einer Messe erwartete. Ein solcher war der von „Du spënns jo!“.

Mittendrin statt nur dabei
Mittendrin statt nur dabei Foto: Editpress/Alain Rischard

„Spinnen ist wie Pilgern, nur im Sitzen“, kommentierte Janine Mailliet die Arbeit ihrer Gruppe. Bereits zum zweiten Mal nahm diese an der Foire agricole teil. Das Besondere – neben der präsentierten historischen Handwerkskunst –: Bei den Ausstellerinnen handelt es sich nicht um einen Verein, sondern eine lose Gruppierung, die sich über Facebook zusammengefunden hat und regelmäßig zum gemeinsamen Spinnen, Weben und Stricken trifft. Die rund 130 Frauen verbindet eine gemeinsame Leidenschaft: das Verarbeiten lokal hergestellter Schafwolle. Bei der FAE zeigten sie, wie aus Rohwolle, also jener unverarbeiteten, direkt vom Schaf stammenden Wolle, fertige Pullover, Kissen und Puppen werden.

Spinnen braucht Geduld

 Foto: Laura Tomassini

„Wir wurden vom Dachverband der Luxemburger Schäfergenossenschaft eingeladen und präsentieren die verschiedenen Etappen der Wollverarbeitung“, so Liliane, die in einer der sechs Stationen fleißig am Arbeiten war. Waschen, trocknen, kämmen oder kardieren, verspinnen und verzwirnen – bis aus der Naturwolle ein fertiger Faden wird, dauert es ein wenig, denn Spinnen bedarf Geduld. Genau das gefällt den Gruppenmitgliedern an ihrem Hobby: Es ist wie Meditation, ein Zeitvertreib, der Spaß macht und dabei noch ökologisch ist.

„Uns liegt die Wertschätzung einheimischer Wolle sehr am Herzen. Von Schäfern wird die Rohwolle nämlich weggeschmissen oder höchstens als Dünger im Garten verteilt, dabei kann man so viel Schönes daraus machen“, meint Liliane. Zwar sei die hiesige Wolle nicht so flauschig wie gekauftes Merino-Garn und habe einen unverkennbaren Geruch, doch im Sinne der Nachhaltigkeit sei ihre Nutzung definitiv empfehlenswert, auch wenn es hierzulande noch am entsprechenden Interesse mangele. „Die Leute sind mehr und mehr bereit, regional zu essen und in puncto Ernährung gibt es mittlerweile viele Initiativen. Beim Textil ist das leider nicht der Fall“, so die Koordinatorin der Gruppe.

Es gebe in Luxemburg keine Wäscherei oder Spinnerei wie in anderen Ländern, dabei besitzen viele Landwirte und Privatpersonen Schafe, die jedes Jahr Tonnen an Wolle „produzieren“. Diese fällt je nach Rasse andersfarbig aus: weiß vom Ile de France-Schaf, tiefschwarz vom Black Welsh Mountain-Schaf, beige vom Roux Ardennais, dunkelbraun vom Zwartbles oder blaugrau vom Blauen Texel. So „bunt“ wie die fertigen Garne sind auch die Mitglieder der Gruppe, wie Janine verrät: „Frauen, die spinnen, sind keine Mainstream-Frauen – jede hat einen total spannenden Hintergrund.“

   
    Foto: Laura Tomassini

Spannend ist ebenfalls die speziell für die LUGA, zu der die FAE dieses Jahr parallel stattfindet, errichtete Agri-Fotovoltaik-Anlage (Agri-PV) von GPSS, kurz für Green Power Storage Solutions. Ganz anders als beim Stand der Wollspinnerinnen geht es hier nicht um Handarbeit, sondern die Kombination von erneuerbarer Stromproduktion und Landwirtschaft. 2021 gründeten Patrick und Michel Witte zusammen mit Philipp Fisch das Unternehmen, das aktuell eine Pilotanlage in Kehlen betreibt und bald eine weitere in Angelsberg in Betrieb nehmen wird.

Win-win-Situation

Die Idee: Fotovoltaik-Module auf genutzten Ackerflächen aufrichten, um so Sonnenenergie zu Strom umzuwandeln, ohne dass Landwirte dabei an Ertrag verlieren. Mit der Anlage in Kehlen, also 3.750 Modulen auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von 4,6 Hektar, könnten zu Peak-Zeiten 600 Haushalte mit Strom versorgt werden. „Wenn jede Gemeinde nur eine solche Anlage hätte, hätten wir also genug grünen Strom, sodass nur ein Prozent der landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche in Luxemburg reichen würde, damit wir keine Fotovoltaik-Anlagen mehr auf Dächern bauen müssten“, erklärt Patrick Witte.

Produkte „vum Terroir“
Produkte „vum Terroir“ Foto: Editpress/Alain Rischard

Das Konzept hat dabei einen dreifachen Nutzen: Einerseits gewinnen Landwirte, da sie zusätzlich zum Ertrag aus dem Ackerbau aus der produzierten Solarenergie eine zweite Einnahmequelle generieren, andererseits werden bei der Planung der Anlagen auch stets Maßnahmen zur Förderung der lokalen Biodiversität inbegriffen, sodass auch die Natur von den Projekten profitiert. Zu guter Letzt ist grüner Strom natürlich ein Plus für alle, denn dieser kann entweder direkt genutzt oder ins Netz gespeist werden, so Projektmanagerin Isis Khalil. Agri-PV-Anlagen sind zudem schneller in Betrieb, wie Patrick Witte betont: „Vom Planungsanfang bis zur fertigen Anlage vergehen zwei, maximal drei Jahre. Bei Windkraft, die vergleichbar viel Strom hergibt, spricht man von fünf bis zehn Jahren.“

Es wird klar: Bei der FAE ist die Landwirtschaft in all ihren Facetten repräsentiert und jedes Jahr gibt es wieder viele neue Projekte, ungewohnte Hobbys und innovative Technologien zu entdecken.