Samstag1. November 2025

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„Jurassic Park“Was der Klassiker mit Elternschaft und bissigen Kindern zu tun hat – und wo der neue Film scheitert

„Jurassic Park“ / Was der Klassiker mit Elternschaft und bissigen Kindern zu tun hat – und wo der neue Film scheitert
Die Dinos sind zurück: Szene des Films „Jurassic World: Rebirth“  Foto: Universal Pictures/dpa

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Mit „Jurassic World: Rebirth“ läuft jetzt der neueste Teil der beliebten Dino-Filmreihe in Luxemburgs Kinos an. Steven Spielberg erschuf mit dem Klassiker mehr als nur actionreiches Kino, denn wer genauer hinschaut, erkennt: Eigentlich geht es um Elternschaft, Reife und Erziehung. Kommt das auch im aktuellen Film zum Ausdruck? Ein Essay zum Kinostart.

Die Neubelebung des beliebten Dinosaurier-Franchises, das 2015 mit dem Ziel begann, das Vermächtnis von Steven Spielbergs „Jurassic Park“ aus dem Jahr 1993 fortzuführen – oder besser: zu kommerzialisieren – hat mittlerweile ihr viertes Kapitel erreicht. Während die modernen Reboots spektakuläre Bilder liefern und auf altbekannte Szenen und Monster setzen, fehlt ihnen etwas Wesentliches: das inhaltliche Fundament. In der populären Erinnerung ist „Jurassic Park“ vor allem eines: ein mitreißender Dinosaurier-Film, der das CGI-Zeitalter im Kino einläutete. Doch unter der Oberfläche der beeindruckenden Spezialeffekte und der ikonischen Szenen – vom zitternden Wasserglas bis zum elektrifizierten Zaun – verbirgt sich eine weitreichendere Erzählung. „Jurassic Park“ ist ein Film, der sich vordergründig mit Dinosauriern beschäftigt, aber eigentlich etwas sehr Menschliches erzählt. Es geht um die Angst vor Verantwortung, um das Scheitern des Kontrollwahns und um unterschiedliche Entwicklungen zur Reife.

Worum ging’s nochmal?

Im Zentrum von „Jurassic Park“ steht der Milliardär und Unternehmer John Hammond, der durch modernste Gentechnik Dinosaurier aus prähistorischer DNA rekonstruiert und auf der fiktiven Isla Nublar einen Themenpark errichtet hat. In der Hoffnung, sein Projekt vor Investoren abzusichern, lädt er eine kleine Gruppe von Fachleuten ein, um den Park zu bewerten: den Paläontologen Dr. Alan Grant, die Paläobotanikerin Dr. Ellie Sattler und den chaotischen Mathematiker Ian Malcolm. Zusammen mit Hammonds beiden Enkelkindern machen sie eine Inspektionstour – die bald aus dem Ruder läuft, als ein Sabotageakt das Sicherheitssystem lahmlegt und die Dinosaurier aus ihren Gehegen entkommen. Wissenschaft, Logik, Kontrolle – all das versagt angesichts einer Natur, die sich nicht bändigen lässt.

Die Figuren in „Jurassic Park“ sind nicht nur Handlungsträger, sondern allegorisch aufgeladen – insbesondere im Hinblick auf das Thema Elternschaft und emotionale Reife. Dr. Alan Grant (Sam Neill) wird uns zu Beginn des Films als kinderfeindlicher Einzelgänger vorgestellt. In einer frühen Szene erschreckt er ein Kind, das einen Velociraptor für wenig furchteinflößend hält. Diese Szene wirkt auf den ersten Blick humorvoll, sie etabliert indes Grants innere Ablehnung gegenüber Kindern, seine Unfähigkeit zur Empathie mit der nächsten Generation. Im Laufe des Films ändert sich das. Als Grant mit den beiden Kindern Lex und Tim – deren Eltern sich in einem Scheidungsprozess befinden – durch den zerstörten Park fliehen muss, wandelt er sich zur beschützenden, verantwortungsbewussten Vaterfigur. Diese Entwicklung macht seinen Charakter zum eigentlichen Protagonisten des Films. Die Dinosaurier-Angriffe, die Fluchtszenen und das Chaos sind lediglich Katalysatoren für diese innere Verwandlung.

Richard Attenborough, Laura Dern und Sam Neill (v.l.) hegten in „Jurassic Park“ von 1993 ein elterliches Verhältnis zu den Dinosauriern
Richard Attenborough, Laura Dern und Sam Neill (v.l.) hegten in „Jurassic Park“ von 1993 ein elterliches Verhältnis zu den Dinosauriern Foto: Universal Pictures/Getty Images, Copyright: 2012 Getty Images

Hammond (Richard Attenborough) ist der visionäre, aber fehlgeleitete Schöpfer, der durch Technik eine neue Welt erschafft – und sie als kontrollierbar betrachtet, ein moderner Prometheus: ein Mensch, der der Schöpfung Gottes nacheifert und Leben erschafft, ohne die Tragweite seines Handelns zu bedenken. Sein Ziel ist nicht Zerstörung, sondern Faszination – „I wanted to give them something … something wonderful“, sagt er einmal. Doch genau darin liegt die Tragik: Hammond verwechselt Bewunderung mit Verantwortung. Gegenüber Grant funktioniert er als Gegenbild: Die Dinosaurier sind seine „Kinder“, doch er ist überfordert mit ihnen. Sie entgleiten ihm, weil er ihnen nie wirklich zuhörte, nie lernte, sie als eigenständige Wesen zu begreifen. Am Ende des Films muss Hammond erkennen, dass seine Vision gescheitert ist – nicht weil sie technisch unmöglich, sondern ethisch und menschlich unhaltbar war.

Ellie Sattler (Laura Dern) steht im Film für Empathie, Intuition und Verantwortung. In einem der eindrucksvolleren Monologe des Films konfrontiert sie Hammond mit seiner Selbstüberschätzung: „You never had control. That’s the illusion.“ Ihre Figur bietet einen Gegenentwurf zur männlich dominierten Kontroll- und Wissenschaftslogik. Ihre Präsenz verankert den Film in einem moralischen Rahmen, ohne didaktisch zu wirken. „Jurassic Park“ ist so gesehen eine Metapher für Elternschaft und Familienstruktur. Wie ein Elternteil versucht Hammond, eine perfekte Umgebung zu schaffen, in der alles geregelt ist – Sicherheitssysteme, Fütterungszeiten, Zäune, Kontrollzentren. Doch diese Welt ist eine Illusion. Kinder – oder in diesem Fall: Dinosaurier – lassen sich nicht vollständig kontrollieren. Sie wachsen, lernen, testen Grenzen, entwickeln sich unvorhersehbar. Während Hammond an der Idee einer perfekten, von oben gesteuerten Elternrolle scheitert, lernt Grant durch die direkte Konfrontation mit den Kindern, dass echte Fürsorge bedeutet, präsent zu sein, zu reagieren – nicht zu kontrollieren. Die Szene, in der Grant Lex und Tim in den Armen hält, während der T-Rex brüllend über ihnen steht, ist keine reine Spannungsszene. Sie ist das emotionale Zentrum des Films: eine visuelle Darstellung eines Schutzinstinkts, der sich nicht planen, sondern nur leben lässt.

Familie zerbricht in der Neuauflage

Demgegenüber steht „Jurassic World“ von 2015, das auf viele dieser Motive zwar referenziell verweist, sie aber nicht weiterführt oder neu interpretiert. Es bleibt bei Zitaten, bei Oberflächen – was bleibt, ist ein leerer Themenpark ohne Subtext. Der neue Park, größer und spektakulärer, steht wie sein Vorgänger unter dem Stern menschlicher Selbstüberschätzung. Auch hier entgleitet das Projekt, weil die Natur unberechenbar bleibt. Doch während „Jurassic Park“ diese Entwicklung mit emotionalem Fokus erzählte, bleibt „Jurassic World“ an der Oberfläche. Die Figuren sind flach gezeichnet, ihre Konflikte wirken konstruiert. Der emotionale Kern – etwa die Brüderbeziehung zwischen Zach und Gray – wird nur angedeutet, nie entfaltet. Statt einer echten Entwicklung gibt es Action-Setpieces, Reminiszenzen ans Original und zunehmend groteske Dinoschöpfungen. Es fehlt aber die menschliche Komponente. Die Welt von „Jurassic World“ ist nicht nur technisch kontrolliert – sie ist emotional steril geworden.

Scarlett Johansson als Zora Bennett und Jonathan Bailey als Dr. Henry Loomis in „Jurassic World: Rebirth“
Scarlett Johansson als Zora Bennett und Jonathan Bailey als Dr. Henry Loomis in „Jurassic World: Rebirth“ Foto: Jasin Boland/Universal Pictures

„Jurassic Park“ auch mitsamt seines ansatzweise psychologisches Subtextes im Gewand eines abenteuerlichen Science-Fiction-Films zu sehen, macht seinen Erfolg und Klassikerstatus verständlicher. Obwohl die Dinosaurier die Hauptattraktion des Films sind, die Errungenschaft neuester Computereffekte im Kino, nutzt Spielberg sie nicht, um bloß Angst oder Staunen zu erzeugen, sondern um von menschlichen Gefühlslagen zu erzählen – von Kontrollverlust, von Verantwortung, von Veränderung. In einer Zeit, in der Technologie unsere Welt immer schneller verändert, bleibt der Film eine Mahnung: Nur weil wir etwas können, heißt das nicht, dass wir es tun sollten.

„Jurassic World“ ist ironischerweise ein Paradebeispiel für diese Problematik. Dinosaurier realitätsgetreuer, größer und spektakulärer darzustellen, ist eine filmische Selbstverständlichkeit geworden. Wir können ohnehin digital ganze Welten generieren, Schauspieler verjüngen, Gesichter ersetzen und Explosionen choreografieren, die in der Realität undenkbar wären. Doch die zentrale Frage bleibt: Sollten wir all das tun, wenn es auf Kosten von Originalität, Substanz, Charaktertiefe und echter Emotionalität geht? Diese Botschaft, durch Figuren, Handlung und Symbolik getragen, macht „Jurassic Park“ zu einem zeitlosen Werk. Der Reboot hingegen bleibt ein Zitat ohne Substanz. Mit dem Start von „Jurassic World: Rebirth“, dem vierten Teil der Neuauflage, sowie dem insgesamt siebten Teil der Reihe, bleibt zu hoffen, dass die Macher sich auf die Qualitäten des Originals besinnen.