Es ist ein leiser Roman, der sich Raum nimmt – für das Nicht-Gesagte, für das Zwischenmenschliche: Autor Ewald Arenz widmet sich zwei Frauen, die an unterschiedlichen Punkten ihres Lebens stehen und doch auf ähnliche Weise mit Verlust, Verantwortung und der Frage nach Zugehörigkeit ringen. Im Zentrum stehen die junge Roberta, und Gertrud, die Pfarrersfrau – zwei Figuren, die unterschiedlicher kaum sein könnten, aber beide den Wunsch verspüren, dem Dorf, der Enge, den Erwartungen, der Sprachlosigkeit zu entfliehen. Diese Sehnsucht nach Freiheit scheint jedoch untrennbar mit Scham und Schuld verbunden.
Ein plötzlicher Todesfall
Während Gertrud aus ihrer Rolle als Pfarrersfrau auszubrechen versucht, hadert Roberta mit der Perspektivlosigkeit ihres Lebens auf dem elterlichen Hof. Ihr einziger Lichtblick ist Wilhelm – ihre erste große Liebe und zugleich Gertruds Sohn. Als Wilhelm bei einem Motorradunfall ums Leben kommt, geraten die Leben beider Frauen vollends aus den Fugen. Beide verlieren einen, wenn nicht den, wichtigsten Menschen in ihrem Leben.
Die Beziehung zwischen Roberta und Wilhelm war ein Geheimnis, das mit seinem Tod ungesagt bleibt. Dadurch fehlt die gemeinsame Trauer: Das Verhältnis von Roberta und Gertrud bleibt zunächst von Schweigen und Misstrauen geprägt. Erst allmählich entwickelt sich ein leises, unausgesprochenes Verständnis – getragen von geteiltem Schmerz und der Ahnung, dass ihre Geschichten enger verbunden sind, als es zunächst scheint.
Zum Autor und der Sprecherin
Ewald Arenz (Autor)
Ewald Arenz,1965 in Nürnberg geboren, ist ein vielfach ausgezeichneter Autor von Romanen und Theaterstücken. Mit den Erfolgsromanen „Alte Sorten“ und „Der große Sommer“ erreichte er Spitzenplätze auf der Spiegel-Bestsellerliste. „Der große Sommer“ wurde 2021 zudem von unabhängigen Buchhandlungen zum Lieblingsbuch des Jahres gekürt.
Ulrike Kapfer (Sprecherin)
Ulrike Kapfer, 1973 in Karlsruhe geboren, studierte Gesang und Schauspielerei und ist staatlich geprüfte Sprech- und Stimmlehrerin. Ihre Stimme ist in der deutschen Medienlandschaft fest verankert – sei es als Station-Voice im Radio, als Synchronsprecherin für Filme und Games oder in Hörbüchern, Hörspielen, Dokumentationen und Podcasts.
In ihrer Trauer findet Roberta weder Trost noch Halt bei ihren Eltern. Für sie zählt vor allem der reibungslose Ablauf auf dem Hof – für Gefühle und individuelle Bedürfnisse gibt es hier keinen Raum. Roberta steht allein da, mit ihrem Verlust, ihrer Wut, ihrer Einsamkeit. In dieser familiären Leere tritt ihr Großvater zunehmend in den Vordergrund. Er öffnet sich ihr, zunächst zögerlich, dann mit wachsendem Vertrauen. Er erzählt von seiner Zeit als Soldat in den USA – einer Phase, die er als die freieste seines Lebens empfand. Auch er hatte einst den Wunsch, dem Dorf zu entfliehen, ist jedoch gescheitert.
Ein unerwarteter Verbündeter
Die Gespräche mit dem Großvater geben Roberta zum ersten Mal das Gefühl, gesehen zu werden. In seiner Geschichte spiegelt sich ihre eigene: Zwei Generationen, zwei Leben, verbunden durch unausgesprochene Wünsche und Verluste. Zwischen den beiden entsteht echte Nähe – getragen nicht von großen Gesten, sondern von gegenseitigem Respekt und dem Gefühl, nicht mehr ganz allein zu sein.
Ewald Arenz gelingt es, all diese Ebenen – persönliche, familiäre und gesellschaftliche – zu einem eindrucksvollen Roman zu verweben. Es geht um den Verlust der Liebe, um die Enttäuschung über Familie und um den schmerzhaften Prozess, sich selbst zu finden. Zwischen den Zeilen werden große Fragen gestellt: Wie geht man weiter, wenn ein Teil von einem fehlt? Was bedeutet Heimat, wenn sie mehr Last als Halt ist? Und wie lässt sich ein eigenes Leben führen, ohne alle Brücken hinter sich abzubrechen?
In der Hörbuchadaption verleiht Ulrike Kapfer der Geschichte eine besondere Tiefe. Mit ihrer ruhigen, einfühlsamen Stimme fängt sie nicht nur die Atmosphäre des Romans ein, sondern verleiht den Figuren Glaubwürdigkeit. Kapfer liest unaufgeregt, mit Gespür für Tempo, Pausen und Stimmungen. Sie übertreibt nichts, dramatisiert nicht, sondern lässt die leisen Töne für sich sprechen – genau wie der Roman es tut. Besonders eindrucksvoll gelingt ihr die Darstellung von Robertas innerem Ringen, ihrer Sprachlosigkeit und der unterschwelligen Spannung in den Dialogen. Auch die Schwere der Trauer, die Unsicherheit gegenüber den Eltern und das tastende Annähern an den Großvater bringt Kapfer nuanciert zum Ausdruck. So entsteht eine Hörfassung, die nicht nur den Text wiedergibt, sondern ihn spürbar macht – als feines Zusammenspiel von Sprache, Emotion und Atmosphäre. Man hört nicht einfach eine Geschichte, man fühlt sich ihr nahe, fast als sei man selbst ein stiller Beobachter im Dorf.
De Maart
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