Nach zwei Stunden und 39 Minuten verwandelte Chris Rodesch auf dem „heiligen Rasen“ von Wimbledon seinen ersten Matchball und schrieb damit ein Stück Luxemburger Tennisgeschichte. Im Tiebreak des vierten Satzes wahrte Rodesch die Nerven und sicherte sich am Donnerstagnachmittag so gegen den favorisierten Marton Fucsovics den Einzug ins Hauptfeld des Grand Slams.
„Ich bin extrem glücklich“, versuchte Rodesch wenige Augenblicke nach seinem 6:3, 6:4, 0:6, 7:6 (7:4)-Sieg seine Leistung in Worte zu fassen. Es ist der bisher größte Erfolg in seiner noch jungen Karriere. „Das ist ein Traum, der in Erfüllung geht. Ich habe in meinem Leben extrem viel Tennis gespielt und trainiert – jetzt so belohnt zu werden, ist sehr cool.“
Ich habe in meinem Leben extrem viel Tennis gespielt und trainiert – jetzt so belohnt zu werden, ist sehr cool
Nach den deutlichen Siegen gegen den Italiener Matteo Gigante (ATP 134) und den Esten Mark Lajal (ATP 167) in den ersten beiden Qualifikationsrunden hatte Rodesch am Donnerstag erneut einen starken Tag erwischt. Das war auch nötig, denn mit Fucsovics stand der an Position eins gesetzte Spieler der Qualifikation gegenüber. Der Ungar wird derzeit im ATP-Ranking auf Platz 103 geführt und liegt damit ganze 60 Positionen vor dem Luxemburger. 2019 hatte Fucsovics mit Rang 31 seine bislang beste Platzierung erreicht.
„Er hat mehr Erfahrung als ich und war schon in vielen solchen Situationen“, hatte Rodesch vor dem entscheidenden Match über seinen Gegner gesagt. „Es wird eine Herausforderung, aber ich muss daran glauben.“ Diese Herausforderung meisterte er am Donnerstagnachmittag über weite Strecken souverän. Nach einem starken Start geriet Rodesch nur im dritten Satz ins Straucheln und verlor diesen mit 0:6 – konnte sich danach aber wieder fangen. Den vierten Satz – und damit auch das Match – entschied er nach einer zwischenzeitlich fast einstündigen Regenunterbrechung schließlich im Tiebreak für sich.
In Mullers Fußstapfen
„Ich habe in den ersten beiden Sätzen gut gespielt“, analysiert Rodesch seinen Auftritt. „Ich habe meine Breakbälle genutzt und meine Aufschläge durchgebracht. Im dritten Satz hat er mich dann sofort gebreakt und besser returned. Ich wurde dadurch nervöser. Nach dem 0:3 war die mentale Hürde, noch einmal zurückzukommen und vielleicht 7:6 zu gewinnen, dann etwas zu hoch für mich. Ich habe dann auch im dritten Satz nicht mehr so viel versucht, sondern mich schon auf den vierten Satz fokussiert. Dieser ‚Gamble‘ hat sich am Ende ausgezahlt.“ Im Tiebreak hätte der vierte Satz zwar noch auf beide Seiten kippen können. „Doch ich habe an mich geglaubt“, sagt Rodesch.
Ich will das Ganze genießen, darf aber jetzt noch nicht zufrieden sein
Der 23-Jährige tritt mit seinem Erfolg nun in die Fußstapfen von Gilles Muller und zieht als erst zweiter männlicher Spieler aus dem Großherzogtum in der Open Ära bei einem Grand Slam ins Hauptfeld ein. Vor acht Jahren spielte übrigens auch Muller in Wimbledon gegen Fucsovics – er gewann damals in der ersten Hauptrunde mit 7:5, 6:4, 6:2. Es war das Jahr, in dem „Mulles“ in Luxemburg eine wahre Euphorie entfachte und im Achtelfinale einen bis heute unvergessenen Sieg gegen Tennislegende Rafael Nadal feierte.
Muller setzte sich damals in einem wahren Krimi mit 6:3, 6:4, 3:6, 4:6, 15:13 gegen den Spanier durch. Im Viertelfinale musste er sich anschließend aber dem Kroaten Marin Čilić geschlagen geben (6:3, 6:7, 5:7, 7:5, 1:6). Zuletzt spielte der heute 42-Jährige im Jahr 2018 bei einem Grand Slam. Nach den US Open beendete Muller damals seine Karriere – womit eine Durststrecke im nationalen Männer-Tennis begann. Diese hat Rodesch nun endgültig beendet – erstmals seit sieben Jahren steht mit ihm wieder ein Luxemburger bei einem Grand Slam im Hauptfeld – und das nur ein Jahr nach dem Start seiner Profikarriere.
Traumstart in die Profikarriere
Rodesch hatte erst im vergangenen Jahr das College abgeschlossen, ehe er einen Traumstart in seine Profikarriere hinlegte. Als er Vollzeit auf die Tour wechselte, wurde der 23-Jährige in der Weltrangliste um Position 650 geführt. Auf der ITF-Tour gewann Rodesch anschließend fünf Turniere in Folge und im April dieses Jahres holte er im US-amerikanischen Tallahassee seinen ersten ATP-Challenger-Titel. Inzwischen rangiert er auf Platz 163 der Welt – und sorgt nun in Wimbledon für Furore.
Bevor es nun bei dem prestigeträchtigsten Tennis-Turnier der Welt weitergeht, darf Rodesch aber erst mal ein paar Tage pausieren, ehe am Montag die Hauptrunde beginnt. Bereits am Freitag erfährt der 23-Jährige, auf welchen Gegner er dann treffen wird. Zu den möglichen Gegnern gehören Topspieler wie Carlos Alcaraz (ESP), Alexander Zverev (D), Novak Djokovic (SRB) oder auch Jannik Sinner (I).
Mit dem Einzug ins Hauptfeld will sich Rodesch aber noch nicht zufriedengeben. „Ich spiele hier (in Wimbledon) gutes Tennis und denke, dass ich die Chance habe, weiter gute Dinge zu zeigen. Ich muss weiter fokussiert bleiben und auf das Beste hoffen“, sagt er. „Ich will das Ganze genießen, darf aber jetzt noch nicht zufrieden sein, sondern muss weiter arbeiten.“
De Maart

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