Montag10. November 2025

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Tennis„Bitte geh sterben“: Wie Alcaraz, Jabeur und Co. mit Hass umgehen

Tennis / „Bitte geh sterben“: Wie Alcaraz, Jabeur und Co. mit Hass umgehen
Ons Jabeur dachte aufgrund von Hassnachrichten bereits über ein Karriereende nach Foto: AFP/Dimitar Dilkoff

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Carlos Alcaraz kennt es. Aryna Sabalenka auch. Tennisprofis werden nicht selten beleidigt und bedroht. Nicht nur im digitalen Raum. Vor Wimbledon gibt es Lösungsansätze, aber Instagram muss mitspielen.

Morddrohungen sind traurige Realität. Sexismus und Rassismus sowieso. Und auch Hass-Kommentare wie „Hoffentlich bekommst du Krebs“ gehören zum Online-Alltag eines Tennisprofis. Egal, ob Carlos Alcaraz, Aryna Sabalenka oder Coco Gauff – sie alle werden beschimpft, beleidigt und bedroht. Nicht immer bleibt die Hetze im digitalen Raum.

Wenn am 30. Juni die Hauptrunde des Rasenklassikers von Wimbledon beginnt, stehen die besten Tennisspieler erneut im Rampenlicht von Millionen Fans weltweit. Auch von jenen, die ihren Hass im Netz verbreiten. Viele Profis nutzen genau deshalb diesen Moment, um auf die eskalierende Welle an Anfeindungen aufmerksam zu machen und fordern besseren Schutz und härtere Konsequenzen. 

„Jeder Spieler erlebt Hass. Ich hatte deswegen auch Gedanken an ein Karriereende“, offenbarte die ehemalige Wimbledon-Finalistin Ons Jabeur. Die Tunesierin ist Muslimin, sie müsse auch aufgrund ihrer Religion in den Kommentarspalten einiges ertragen, berichtete sie.

„Löschen, blockieren“

Bei der Britin Katie Boulter lösen diese Nachrichten inzwischen Angstzustände aus. Etwa, wenn Unbekannte damit drohen, das Grab ihrer Großmutter zu schänden und mit Aufforderungen wie „Bitte geh sterben“ bombardieren. Genau wie ihre Kolleginnen löscht die 28-Jährige eigenständig die Hass-Kommentare. Beziehungsweise versucht sie es, denn es sind zu viele. 

Selbst Trainer oder Freunde übernehmen mittlerweile die Funktion eines Social-Media-Managers. „Die ersten 20, 30 Minuten nach einem Match gibst du dein Handy der Mama, dem Papa, dem Freund, der Freundin, dem Trainer. Dann geht es los: Löschen, blockieren, löschen, blockieren“, berichtete Deutschlands frühere Top-Spielerin Andrea Petkovic dem Portal „t-online“. 

Der fünfmalige Grand-Slam-Turniersieger Carlos Alcaraz empfahl, nicht in die sozialen Medien schauen, wenn es nicht gut laufe. „Weil die Leute können manchmal wirklich gefährlich sein“. 

Wütende Wetter

Die Profiorganisation WTA weiß um die Bedrohungen und die psychischen Folgen für die Spielerinnen. Eine Studie, die Beiträge unter Social-Media-Konten von rund 8.300 Spielerinnen analysierte, verdeutlicht die Ernsthaftigkeit des Problems. Von 1,6 Millionen Kommentaren wurden 8.000 als gewalttätig oder bedrohlich eingestuft. Im Laufe des Untersuchungszeitraums (Januar bis Dezember 2024) waren 458 Spielerinnen Ziel von Missbrauch oder direkten Drohungen.

Fünf Spielerinnen waren 26 Prozent der identifizierten Missbrauchsfälle ausgesetzt, während 97 aktive Konten für 23 Prozent aller erfassten Missbrauchsfälle verantwortlich waren. In 15 der schwerwiegendsten Fälle wurden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet – in drei Fällen war das FBI involviert, 12 weitere Fälle wurden von nationalen Behörden bearbeitet.

Laut WTA-Bericht sind „wütende Wetter“ für 40 Prozent der Beschimpfungen verantwortlich. Ein Ergebnis, das sich mit dem Eindruck der Spielerinnen deckt. „Du kriegst Nachrichten, in denen sie schreiben, wie viel Geld sie wegen dir verloren haben, und sie drohen dir und sagen, du sollst es zurücküberweisen“, berichtete Eva Lys. Petkovic meint, dass das Geschäft mit Sportwetten „alle ins Social-Media-Verderben“ führe. 

Gauff bis nach Hause verfolgt

Der Tennisverband will nun „einen konstruktiven Dialog“ mit der Glücksspielindustrie starten, um gegen diese Personen vorzugehen. 

Besorgniserregend ist auch, dass immer mehr Tennisspielerinnen von Bedrohungen im echten Leben berichten. Zuletzt hatten Stalking-Vorfälle um die frühere Weltranglisten-Erste Iga Swiatek und die einstige US-Open-Siegerin Emma Raducanu in der Szene für Aufsehen gesorgt. French-Open-Champion Coco Gauff erzählte, wie eine Person sie einst nach Hause verfolgte. 

Bei den Berlin Open in der vergangenen Woche saßen deswegen bei jedem Match zwei Sicherheitskräfte am Platz. Bei den Pressekonferenzen sorgten ebenfalls Sicherheitsleute für den Schutz der Spielerinnen. „Man weiß nie, ob diese Person vor Ort ist. Man weiß nicht, ob sie in der Nähe ist oder ob sie weiß, wo man wohnt“, sagte Boulter.

Was können Instagram und TikTok tun? 

Boulters Landsfrau Harriet Dart sieht die Betreiber der sozialen Medien in der Pflicht und fordert die Einführung von Ausweiskontrollen bei der Einrichtung von neuen Accounts auf Instagram. „Solange Instagram nicht die Identität überprüft, können die Leute leider immer wieder neue Konten eröffnen“, beklagte Dart.

Auf ihre konkrete Kritik wollte Instagrams Mutterkonzern Meta auf Anfrage nicht eingehen. Eine Sprecherin teilte allerdings mit: „Mobbing und Hassrede sind inakzeptabel und auf unseren Plattformen nicht erlaubt. Wir gehen aktiv dagegen vor und arbeiten außerdem laufend daran, Menschen noch besser vor unangebrachten Inhalten in Direktnachrichten oder Kommentaren zu schützen“.

Nach dpa-Informationen beschäftigt Meta rund 40.000 Mitarbeiter im Bereich Sicherheit, darunter über 15.000 Inhaltsprüfer, die weltweit Meldungen prüfen. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und in über 60 Sprachen. (dpa)