Spricht man mit Fanny Arendt über ihre bisherige sportliche Karriere, dann kommt man nicht umhin, gleich über Verletzungen zu sprechen. Denn während mehrerer Jahre waren es genau diese, die den Alltag der 23-Jährigen prägten. Als sie 2021 den großen Sprung in die USA, an die Texas Tech University, wagte, war sie bereits angeschlagen, plagte sich mit einer leichten Fußverletzung herum. Dass dann aber drei Jahre folgen würden, in denen ihr häufig nur die Zuschauerrolle übrig blieb, davon war in dem Moment noch nicht auszugehen. „Ich war das Training, wie es an der Uni abgehalten wird, auch überhaupt nicht gewohnt. Wir haben viermal pro Woche Krafttraining gemacht, vorher waren es bei mir eher ein- bis zweimal. Es war einfach eine komplett andere Welt. Das erste Jahr war schwer, überhaupt auch richtig dort anzukommen“, erklärt die Athletin, die in Luxemburg für die Fola startet.
2:00,91
Fanny Arendt verbesserte ihre Bestzeit über 800 Meter in dieser Saison um fast sieben Sekunden. Es ist die zweitschnellste Zeit, die eine Luxemburgerin über diese Distanz gelaufen ist.
Doch auch in ihrem Sophomore-Jahr wurde es für die junge Leichtathletin nicht besser. „Ab Oktober bekam ich Rückenschmerzen. Im März wurde dann endlich eine Röntgen gemacht, bei der herauskam, dass meine Wirbel teilweise zusammengewachsen sind. Wir nahmen an, dass dies der Grund sei.“ Besser wurde die Situation jedoch nicht und so wurde in Luxemburg bei einer MRT-Untersuchung herausgefunden, dass Arendt an einer Stressreaktion im Rücken litt. „Ich nehme an, dass dies die gesamte Saison über der Grund für meine Schmerzen war. Dennoch bin ich in diesem Jahr eine persönliche Bestzeit gelaufen. Eine mini-kleine, 2:07,50, aber dennoch eine.“ Doch trotz längerer Lauf-Pause und intensiven Rückentrainings im Sommer blieben die Schmerzen auch bei Beginn ihres dritten College-Jahres im Herbst 2023 ein ständiger Begleiter. „Es war noch nicht verheilt, weshalb ich wieder zwei Monate komplett mit dem Laufen aufhören musste und mich einmal mehr komplett auf Krafttraining und Radfahren konzentriert habe.“
Als die Rückenprobleme im November endlich weg waren und Hoffnung aufkam, verletzte sich Fanny Arendt schließlich an der Achillessehne. „Da konnte ich dann wieder bis April nicht laufen, das war schon ziemlich lange. In dieser Saison habe ich dann auch kein einziges Outdoor-Rennen für mein College-Team bestritten. Ein einziges Rennen bin ich für mich mitgelaufen, da ist mir dann auch noch einer auf den Fuß getreten und ich bin umgeknickt.“ Das Junior-Jahr der Luxemburgerin an der Texas Tech glich somit eher einer Seuchensaison.
Vom Seuchenjahr zu Rekorden
Mental waren diese Jahre für die inzwischen 23-Jährige nicht ganz einfach wegzustecken. „Das Schwierigste war, dass ich eigentlich immer alleine war. Ich habe meine Übrungen alleine gemacht, bin alleine Rad gefahren. Ich war schon isoliert von den anderen, da ich einen ganz anderen Zeit- und Trainingsplan hatte. Zudem bin ich in den USA, um zu laufen und gerade das konnte ich nicht, was ja quasi auch mein Job ist. Damit war auch nicht einfach umzugehen.“ Umso dankbarer ist Fanny Arendt für die Unterstützung ihres luxemburgischen Trainers Yves Göldi. „Er hat mich schon sehr gepusht. Er hat mir all meine Radtrainings geschrieben und ich wusste ganz genau, wenn ich eine Einheit nicht richtig mache oder sogar ganz auslasse, dann erhalte ich eine Nachricht von ihm“, gibt sie mit einem Lachen zu.
Meine Rückenmuskulatur war unterentwickelt und ich habe dafür auch zu wenig getan – im Nachhinein weiß man das natürlich besser
Doch in dieser schwierigen Zeit hat Arendt auch gelernt, noch mehr auf ihren Körper zu hören als sonst und hat damit ihr komplettes Training umgestellt. Weniger Laufeinheiten, mehr Rad und Schwimmtraining. „Ganz vieles von dem, was wir hier in den USA machen, findet auf der Piste statt und ist immer sehr schnell, das sind schon fast immer High-Intensity-Einheiten. Das ist schwer für den Körper und der Rücken kriegt da recht viele Schläge ab. Das Radtraining hilft schon, dass er nicht zu sehr belastet wird.“ Dass gerade der Rücken bei Fanny Arendt ein Körperteil ist, auf den sie ganz besonders achten muss, das weiß sie übrigens schon seit Kindesbeinen. Denn die Läuferin leidet an einer doppelten Skoliose. „Von meinem fünften bis 16. Lebensjahr musste ich ein Korsett tragen. In den Jahren, in denen ich am meisten gewachsen bin, sogar 23 Stunden pro Tag. Meine Rückenmuskulatur war unterentwickelt und ich habe dafür auch zu wenig getan – im Nachhinein weiß man das natürlich besser. Wenn ich nicht so laufen würde, wie ich es mache, wäre das kein Problem“, gibt die 800-Meter-Spezialistin zu. „Aber auf den 800 m wird die Rückenmuskulatur schon stark beansprucht. Wenn du auf den letzten 100, 200 Metern am Limit läufst und müde wirst, dann merkst du deine Schwachstellen deutlich.“
Explosionsartige Sprünge
Dass Fanny Arendt eine Kämpferin ist, wird schnell deutlich. Umso glücklicher ist die Mittelstreckenläuferin, dass sie im laufenden Kalenderjahr nun endlich ohne Schmerzen angreifen und zeigen konnte, was für ein Potenzial eigentlich in ihr steckt. In den letzten Monaten lief die 23-Jährige dann auch von persönlicher Bestmarke zu Bestmarke und machte deutlich, dass sie eines der größten luxemburgischen Leichtathletik-Talente ist. „Ich wusste, dass ich schneller laufen kann als meine persönlichen Bestleitungen, bei denen ich so lange festhing“, beschreibt die 23-Jährige ihr Gefühl vor der Saison. Seit 2021 stand sie über 800 Meter bei einer Zeit von 2:07, war sich bewusst, dass, wenn der Körper mitspielt, eine bedeutende Bestzeit herausspringen könne. „Dass ich dann aber gleich sieben Sekunden besser sein würde, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.“
Doch genau das schaffte Arendt im Mai, lief auf ihrer Paradestrecke nach 2:00,91 Minuten ins Ziel und damit die zweitschnellste Zeit, die eine Luxemburgerin bisher über diese Distanz gelaufen ist. Nur Charline Mathias war mit ihrem Landesrekord von 2:00,13 noch schneller. In den USA schaffte die junge FLA-Athletin damit den Sprung ins prestigeträchtige NCAA-Finale. Doch auch über 400 Meter schlug Fanny Arendt zu, pulverisierte sowohl in der Halle als auch auf der Außenbahn den nationalen Rekord. Letzterer liegt nun bei 52,84 Sekunden. Eine Zeit, von der sie bisher ebenfalls nicht zu träumen gewagt hatte.
Ich zweifele noch immer zu sehr an mir. Wenn andere zu schnell anlaufen, denke ich, die sind so viel schneller als ich – ich kann da nicht mithalten.
Es sind schon explosionsartige Sprünge, die der 23-Jährigen in diesem Jahr gelungen sind, dessen ist sich die Luxemburgerin bewusst. Somit besteht ihr erstes Ziel auch darin, erst einmal konstante Zeiten laufen zu können. „Es klingt komisch, doch ich war in dieser Saison nicht wirklich konstant. Es ging nicht rauf und runter, sondern ich war immer etwas schneller“, erklärt die Studentin der Psychologie. „Für die nächsten Rennen, die ich ja auch noch in Luxemburg laufe, wäre es wichtig, meine Zeiten im Bereich zwischen 2:00 und 2:03 zu stabilisieren. Denn das Ganze ist für mich auch noch alles ziemlich neu, daran muss ich mich auch noch gewöhnen, damit es sich irgendwann natürlich anfühlt.“ Selbstvertrauen tanken möchte Fanny Arendt in den nächsten Monaten weiter. „Ich zweifele noch immer zu sehr an mir. Wenn andere zu schnell anlaufen, denke ich, die sind so viel schneller als ich – ich kann da nicht mithalten. Und dann laufe ich auch nicht mit. So habe ich Rennen schon selbst sabotiert. Ich muss mich einfach noch sicherer in diesen Zeiten fühlen, die ich jetzt auch gelaufen bin.“
Fünftes Uni-Jahr
Inzwischen hat Fanny Arendt ihr viertes und damit eigentlich letztes Jahr an der Uni hinter sich, die Luxemburgerin wird jedoch noch ein fünftes Jahr dranhängen. Denn da sie eine Sommersaison verpasst hat, darf sie noch eine weitere dranhängen, auch wenn sie nicht mehr an der Indoor-Meisterschaft teilnehmen darf. „Ich darf diese jedoch für mich bestreiten, was toll ist, da die Infrastruktur an unserer Uni enorm ist und wir fast wöchentlich hochwertige Meetings dort haben. Ich habe dann auch mehr Freiheiten in meiner Saison als bisher, könnte vielleicht auch am CMCM-Meeting teilnehmen.“
Da Fanny Arendt seit Anfang des Jahres quasi ohne Pause gelaufen ist, weil es die Unistrukturen schlichtweg so verlangen, in denen die Indoor- ohne Pause in die Outdoor-Saison übergeht, dürfte sie ihre Saison in diesem Jahr nach den nationalen Meisterschaften beenden, auch wenn sie sich noch für die WM im September in Tokio qualifizieren könnte. „Meine Saison war gar nicht auf die WM ausgerichtet und da ist es schwierig, noch zwei Monate dranzuhängen. Ich möchte auch nicht zu einer Weltmeisterschaft fahren, um da nicht in Form zu sein. Langfristig, glaube ich, ist es besser, schon auf die nächste Saison zu blicken, auch weil ich noch im Uni-System drin bin.“ Große Meisterschaften dürften für eine Fanny Arendt, deren Traum die Olympischen Spiele 2028 in L.A. sind, in dieser Form aber sicherlich noch kommen.
Erst einmal wird die Mittelstreckenläuferin am Dienstag und Mittwoch bei den European Team Championships in Maribor an den Start gehen. Ein Termin, auf den die Vorfreude enorm groß ist und bei dem sie nicht die 800 Meter, sondern die 400 Meter bestreiten wird. Denn Fanny Arendt hat gelernt, auf ihren Körper zu hören, und der wurde mit vielen 800-Meter-Läufen in den letzten Wochen stark beansprucht.
European Team Championships
Am Dienstag und Mittwoch wird die FLA bei den European Team Championships der 3. Division in Maribor antreten, wo die luxemburgischen Leichtathleten gegen 14 weitere Mannschaften um den Aufstieg in die Division 2 kämpfen werden. Aus dieser war die FLA-Mannschaft vor zwei Jahren in Polen abgestiegen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können