Khamenei ist es zu verdanken, dass sich der Iran seit fast vier Jahrzehnten auf Konfrontationskurs mit Israel befindet, das er als auszurottendes „Krebsgeschwür“ der Region bezeichnet. Gleichzeitig gelang es dem Regime, einen Showdown abzuwenden, der vom iranischen Volk nicht gewünscht und aus Sicht der nationalen Interessen des Iran auch nicht zu rechtfertigen war. Dabei konnten sich die iranischen Machthaber auf Bluff und Drohgebärden ebenso verlassen wie auf Stellvertreter wie die Hisbollah, die Hamas und das Assad-Regime in Syrien, den Widerwillen vieler Israelis, einen umfassenden Krieg zu riskieren, und ihre eigene Möglichkeit, mit dem Atomprogramm Zugeständnisse von den westlichen Mächten zu erpressen.
Bis jetzt.
Das Regime hatte jede Menge Warnsignale für seine beispiellose Schwäche im eigenen Land und seine Isolation in der Region. Dazu gehörten Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus, Israels brutale, aber effiziente Zerschlagung der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gazastreifen, der wirtschaftliche Zusammenbruch im eigenen Land – erkennbar an einer starken Abwertung der Währung, einem Streik der Lkw-Fahrer und weitreichenden Benzin- und Stromengpässen – sowie eine anwachsende Welle zivilen Ungehorsams der Frauen gegen die Verschleierungspflicht.
Griff in die alte Trickkiste
Doch anstatt ihre Haltung zu lockern, griffen die iranischen Führer in ihre alte Trickkiste: Sie prahlten großspurig damit, eine Atombombe bauen zu können, während sie allen Ernstes behaupteten, ihr Atomprogramm habe niemals eine militärische Komponente gehabt. Und sie verschwendeten viel Zeit mit der dummen Frage, ob die Verhandlungen mit der Trump-Regierung über ein neues Atomabkommen „direkt” oder „indirekt” geführt würden. Schließlich hatte Khamenei angeordnet, dass es keine direkten Gespräche mit dem „Großen Satan“ geben dürfe.
Während das Regime in seinem Labyrinth der Selbsttäuschung das Ausmaß seiner Schwäche übersah, erkannte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Lage sehr wohl. Angesichts der immer lauter werdenden Forderungen der Israelis nach einem Ende der humanitären Katastrophe, die Netanjahu in Gaza mitverschuldet hatte, sah er den Moment gekommen, einen lang erwarteten und sorgfältig vorbereiteten Angriff zu starten. Dank der bemerkenswerten Infiltration des iranischen Sicherheitsapparats gelang es Israel, die iranischen Verteidigungskräfte innerhalb kürzester Zeit zu enthaupten. Etwa zwei Drittel der obersten Militär- und Geheimdienstkommandeure des Landes wurden in den ersten Tagen getötet. Und ob beabsichtigt oder nicht, scheint Trumps Verhandlungsangebot das Regime in Selbstzufriedenheit gewiegt zu haben.
Das iranische Regime und seine ideologischen Schergen haben für jedes Versagen stets anderen die Schuld zugeschoben, insbesondere dem Westen, Israel und Saudi-Arabien. Und jedes dieser Länder und Regionen hat sich selbst manchmal ungeheuerliche Fehler zuschulden kommen lassen. Beispielhaft erwähnt sei die anhaltende Gewalt Israels gegen unschuldige Palästinenser in Gaza, die ebenso wie die Iraner Geiseln einer radikalen nihilistischen Ideologie sind. Auch Netanjahu hat einen Brunnen vergiftet, den andere mit mehr Weisheit und Umsicht wieder instand setzen müssen.
Wie im Falle der Palästinenser muss auch das Leben unschuldiger iranischer Bürger geschützt werden. Das iranische Volk und seine demokratischen Bestrebungen sind die einzige Hoffnung auf einen Regimewechsel. Israel, die USA oder Russland können und dürfen nicht über die Zukunft des Iran entscheiden, aber der Westen und Israel brauchen eine klare kurz- und langfristige Strategie, um dieses Ziel voranzubringen.
Eine derartige Strategie sollte die sofortige Einstellung der Gewalt gegen Zivilisten vorsehen. Freilich hat das iranische Regime, ähnlich wie die Hamas im Gazastreifen, zahlreiche militärische Einrichtungen und Anreicherungszentren in Wohngebieten angesiedelt. Die 14 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Teherans zur Evakuierung aufzufordern, damit Israel diese Einrichtungen zerstören kann, hieße, eine Kur zu verordnen, die schlimmer als die Krankheit ist.
Iranische Diaspora
Andererseits wird jedes Abkommen mit diesem brutalen, heuchlerischen Regime gebrochen werden, sobald seine Führer glauben, dass sie sich aus ihrer derzeitigen misslichen Lage befreit haben. Die einzige Lösung für das iranische Nuklearrätsel ist ein demokratischer Iran. Dazu bedarf es der Unterstützung demokratischer Stimmen innerhalb des Iran und der Hilfe von Stimmen aus der iranischen Diaspora. Vor mehr als zehn Jahren schrieben mein Kollege Siegfried Hecker und ich einen Artikel, in dem wir darlegten, dass der Iran, beginnend mit dem Schah in den 1970er Jahren, dem Beispiel Südkoreas folgen und zugunsten der Nukleartechnologie auf hochangereichertes Uran verzichten hätte sollen. Die Anreicherung, so unsere Argumentation, weckt nur Zweifel an den friedlichen Zielen eines Atomprogramms.
Wie eine demokratische Gesellschaft selbst in den besten Zeiten mit einem derart komplexen Thema umgehen würde, lässt sich nicht vorhersagen, doch entscheiden kann diese Debatte nur ein demokratischer Iran. Ohne einen Regimewechsel durch das iranische Volk für das iranische Volk kann es dort und in der Region keine langfristige Stabilität und keinen Wohlstand geben.
Demokratische Gesellschaften entscheiden sich weitaus eher für die von Aristoteles als „goldene Mitte“ bezeichnete Lösung, im Rahmen derer ein Mittelweg zwischen den Extremen gesucht wird. In jedem Fall kann der Iran, der seit einem Jahrhundert eine Vorreiterrolle in der Region spielt und dessen Bevölkerung im Durchschnitt 32 Jahre alt ist, vom Ende eines Regimes, das in der Dogmatik eines Klüngels aus Neunzigjährigen feststeckt, nur profitieren.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
*) Abbas Milani ist Leiter des Programms für Iranistik an der Stanford University und Research Fellow an der Hoover Institution.
Copyright: Project Syndicate, 2025. www.project-syndicate.org
De Maart
Nun ja aber das Trumpeltier hat jetzt mal angefangen Bomber zu schmeissen im Iran und ob das die Demokratie hervor bringen wird darf man doch bezweifeln.....
Der Iran hat zusammen mit Israel die am besten ausgebildete Jugend in der Region . Iranische Unis koennen ohne Probleme mit westlischen mithalten . 60 % ! der Studierenden sind Frauen .( Dass Frauen nach dem Studium keine Perspektive haben und ihnen weniger kompetente Maenner vorgezogen werden , ist ein anderes Kapitel )-Die Diaspora moecht eigentlich die Rueckkehr der Phalavi Dynastie , immer noch besser als die Mullahs .