Montag22. Dezember 2025

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Im KinoWes Anderson will in „The Phoenician Scheme“ zu viel des Guten

Im Kino / Wes Anderson will in „The Phoenician Scheme“ zu viel des Guten
Benicio Del Toro und Mia Threapleton in „The Phoenician Scheme“ von Wes Anderson Foto: Courtesy of TPS Productions/Focu

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Wes Anderson bestätigt in seinem neuen Film „The Phoenician Scheme“ seine Vorlieben für manierierte Gedankenspiele, extravagante Bilder und ein großes Hollywood-Staraufgebot. Das ist selten komisch und zutiefst zwanghaft.

Der Regisseur Wes Anderson ist eine ziemlich singuläre Erscheinung im zeitgenössischen Kino. Wer „Asteroid City“ (2023), „The French Dispatch“ (2021) oder „Grand Budapest Hotel“ (2014) gesehen hat, wird von Wes Andersons neuem Werk „The Phoenician Scheme“, das soeben in Cannes Premiere feierte, kaum überrascht sein. Alles ist wie gehabt, man bekommt genau das vorgesetzt, was man von Anderson kennt, nämlich seinen rigiden Formüberschuss – vielleicht sogar noch ein wenig mehr davon. Denn wenn dem Film etwas überzeugend gelingt, dann sich in seinem ohnehin manierierten und kunstvoll selbstverliebten Stil noch grotesker und surrealer zu überbieten.

In „The Phoenician Scheme“ begleiten wir den exzentrischen Rüstungs- und Luftfahrtmogul Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro), der durch eine geheime Infrastrukturmission ins Visier von Tycoons, Terroristen und Attentätern gerät. Um sein Erbe zu sichern, ernennt er seine Tochter Liesl (Mia Threapleton) – eine Nonne mit unumstößlichen Wertvorstellungen – zur Alleinerbin seines Imperiums. Gemeinsam begeben sie sich auf eine surreal anmutende Reise, die zugleich moralische Korrumpierung und grotesker Roadtrip ist. Dabei trifft das Vater-Tochter-Gespann auf allerlei Figuren, die von Hollywoodgrößen verkörpert werden – allerdings stilisiert als Monster, Freaks, Karikaturen.

Große Namen, nichts dahinter

Es sind Puppen, sorgfältig arrangiert, in feste Bildkompositionen eingebettet. Dazu kommt ihr rigides und mechanisches Schauspiel: Gesten und Mimik sind zwanghaft angespannt, die Dialoge sind aufgesagt, nicht gesprochen, sie werden zelebriert in all ihrer Künstlichkeit. „The Phoenician Scheme“ ist ein intellektuelles Kuriositätenkabinett, in dem Stars wie Scarlett Johansson, Michael Cera, Bryan Cranston, Benedict Cumberbatch, Charlotte Gainsbourg oder Bill Murray in einem Schaufenster reinster Typisierungen aufblitzen. Es sind leblose Figuren, die im großen Puppenhaus von Wes Anderson arrangiert werden, ein Schaulaufen großer Namen ohne Verweise auf Realweltliches. Thematisch Relevantes, Dringliches – etwa Fragen nach Macht, Moral und moralischer Läuterung, nach spannungsgeladenen Familiendynamiken – ist auf inhaltlicher Ebene kaum noch zu erkennen, all das verschwindet hinter der Andersonschen Maskerade aus neunmalklugem Wortwitz und gekünstelter Dauer-Ironie.

„Too much“

In der visuellen Gestaltung bleibt Anderson sich treu: Jedes Bild ist ein kleines Gemälde. Wiederholte Kameraschwenks, symmetrische Tableaus, ein Sammelsurium aus Farben, Formen, Arrangements. Der Film gerät so zur Aneinanderreihung liebevoll gestalteter Vignetten – stilistisch faszinierend, inhaltlich leer. Es ist ein Kino des schönen Scheins, der reinsten Puppenschau, in dem jedes Detail museal erstarrt und der narrative Fluss zur bloßen Staffage gerinnt. Die Welt, die gezeigt wird, ist völlig kontrolliert – und gerade deshalb emotional hermetisch. Darin liegt das Ärgernis der Filme von Wes Anderson: Die Form steht über dem Inhalt, sie ist sich selbst zum Zweck geworden, sie referiert nur noch auf sich selbst.

Und das ist vielleicht das größte Problem des Films: das „Zuviel“. Zu viele neunmalkluge Sprüche, zu viel Ironie, zu viel Verspieltheit. Alles ist zu bewusst durchchoreografiert, zu gewollt originell. Was bei all dieser stilistischen Kontrolle auffällt, ist die Maßlosigkeit des Regisseurs. Die Form dominiert so radikal, dass jedweder inhaltlicher Ansatz darunter implodiert. Seit seinen Anfängen – etwa mit „Rushmore“ (1998), „The Royal Tenenbaums“ (2001) oder „Moonrise Kingdom“ (2012) – hat Anderson einen Formüberschuss kultiviert, der in „The Grand Budapest Hotel“ (2014) seinen stilistischen Höhepunkt und größten Publikumserfolg fand, heute jedoch oft wie eine ermüdende Marotte erscheint. Am Ende bleibt von der grotesken Überfülle – nichts.