Mittwoch5. November 2025

Demaart De Maart

IndopazifikZwischen Algorithmen und Allianzen: Pekings Weg zur globalen Führungsmacht

Indopazifik / Zwischen Algorithmen und Allianzen: Pekings Weg zur globalen Führungsmacht
Der außenpolitische Kurs von Chinas Staatspräsident Xi Jinping ist zunehmend konfrontativ Foto: AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Während Peking im Inneren mit Algorithmen die Erinnerung an das Tiananmen-Massaker auslöscht, baut es weltweit und vor allem im Indopazifik seinen Einfluss aus – mit Milliardenkrediten, strategischen Allianzen und einer Außenpolitik, die zunehmend auf Konfrontation mit den USA zusteuert.

Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Tiananmen-Massaker löscht die chinesische Führung systematisch die Erinnerung an die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung vom 4. Juni 1989. Was einst als ikonisches Bild um die Welt ging – ein einzelner Mann, der sich auf dem Platz des Himmlischen Friedens, dem Tiananmen-Platz, vier Panzern in den Weg stellt –, ist heute Ziel hochentwickelter Zensuralgorithmen.

Wie die australische ABC berichtet, klassifiziert die Cyberspace Administration of China das Bild des sogenannten „Tank Man“ inzwischen als „subversiv“. Ein 2022 geleaktes Trainingshandbuch für Content-Moderatoren auf der chinesischen Kurzvideoplattform Douyin (TikTok) warnte ausdrücklich vor „jedem visuellen Verweis“ auf die Szene – selbst dann, wenn sie symbolisch dargestellt ist, etwa durch „eine Banane und vier Äpfel in einer Linie“.

Digitale Amnesie im Inneren

Mehr als 230 Seiten interner Dokumente chinesischer Social-Media-Plattformen wurden dem Sender zugespielt. Sie zeigen, wie umfassend die Löschmechanismen inzwischen greifen. Die Algorithmen sind darauf trainiert, Text, Bild und Video zu analysieren und auffällige Inhalte blitzschnell zu entfernen – besonders rund um den 4. Juni. Ziel sei es, so ABC, die Erinnerung an die gewaltsame Niederschlagung zu tilgen und eine historische Amnesie herbeizuführen.

Das Massaker auf dem Tiananmen-Platz war das brutale Ende einer landesweiten Protestbewegung, die im Frühjahr 1989 ihren Anfang nahm. Ausgelöst durch offizielle Trauerfeierlichkeiten im April, versammelten sich zunächst Zehntausende Studierende in Peking, um gegen Korruption zu demonstrieren und politische Reformen wie mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fordern. Innerhalb weniger Wochen griffen die Proteste auf zahlreiche andere Städte über. Allein in Peking versammelten sich Mitte Mai mehr als eine Million Menschen – bis die Regierung am 20. Mai das Kriegsrecht verhängte.

In der Nacht zum 4. Juni schlug die Führung mit aller Härte zurück: Panzer der Volksbefreiungsarmee rollten in die Stadt, Soldaten eröffneten das Feuer auf unbewaffnete Zivilisten. Wie viele Menschen bei dem gewaltsamen Vorgehen ums Leben kamen, ist bis heute nicht zweifelsfrei bekannt. Schätzungen reichen von 200 laut offiziellen Angaben bis zu 10.000 Todesopfern, wie die britische BBC 2017 berichtete. Das Massaker bleibt bis heute ein Tabuthema in China. Öffentliche Gedenkveranstaltungen sind verboten, Proteste werden sofort unterdrückt und Medienberichte unterliegen strikter Zensur. Selbst im Internet werden Hinweise systematisch gelöscht – ein Umstand, den die aktuelle Recherche des australischen Senders eindrücklich belegt.

China als Gläubiger – die andere Seite der Machtprojektion

Während China im Innern unliebsame Narrative mithilfe von Algorithmen löscht, baut es im Äußeren wirtschaftliche Abhängigkeiten auf und positioniert sich vor allem im Indopazifik zunehmend als Gegengewicht zu westlichen Staaten wie Australien oder die USA. So vollzieht die Volksrepublik außenpolitisch derzeit einen Wandel vom Entwicklungshelfer zum Schuldeneintreiber. 2025 werden die ärmsten Länder der Welt laut einer Analyse des australischen Lowy Institute Rekordbeträge an China zurückzahlen müssen – insgesamt 35 Milliarden US-Dollar, davon 22 Milliarden von den 75 ärmsten Staaten. „Die Belt and Road Initiative (BRI) hatte ihren Höhepunkt in den 2010er-Jahren – den Gipfel der Rückzahlungen erreichen wir Mitte der 2020er“, sagt Riley Duke, Autor der Studie „Peak repayment: China’s global lending“. „Für den Rest dieses Jahrzehnts wird China eher als Schuldeneintreiber denn als Banker auftreten.“

China wird weiterhin massiv in Technologie investieren, um sich einen Vorteil gegenüber den USA und ihren Verbündeten zu verschaffen – sowohl wirtschaftlich als auch militärisch

Richard McGregor, China-Experte am Lowy Institute

Dukes Zahlen zeigen: Während China 2012 nur in 18 Entwicklungsländern ein Netto-Gläubiger war, stieg die Zahl bis 2023 auf 60. Das stellt Peking vor ein Dilemma: Einerseits wächst international der Druck, nicht tragfähige Schulden zu restrukturieren – andererseits erwartet man im Inland die Rückzahlung, insbesondere von den halbstaatlichen Kreditgebern. Ein Rückzug westlicher Entwicklungshilfe in vielen Regionen verschärft die Lage zusätzlich – und verschafft Peking geopolitischen Spielraum, wie der australische Thinktank aufzeigt.

Konfrontationskurs mit Washington

Außenpolitisch ist der Kurs unter Chinas Präsident Xi Jinping zunehmend konfrontativ – vor allem gegenüber den USA. Der China-Experte Richard McGregor schreibt in einem Lowy-Institute-Feature: „China wird weiterhin massiv in Technologie investieren, um sich einen Vorteil gegenüber den USA und ihren Verbündeten zu verschaffen – sowohl wirtschaftlich als auch militärisch.“

McGregor geht davon aus, dass Xi, der in seinen Augen „mehr Kontrolle über das Politbüro als jeder andere chinesische Führer seit Mao Zedong“ hat, seine derzeitige Strategie trotz wachsender Spannungen fortsetzen und unter Umständen sogar verschärfen wird. „Die Beziehungen zu Putins Russland werden weiter gestärkt. Und die Bemühungen, alternative Machtzentren unter Schwellenländern zu etablieren, werden beschleunigt.“ Peking baue nicht nur militärisch auf: China treibe die Etablierung eigener multilateraler Finanz- und Diplomatie-Institutionen voran, insbesondere mit Fokus auf Entwicklungsländer. „Es versucht, die Werte der Vereinten Nationen umzudeuten – weg von Demokratie, hin zu Entwicklung“, so McGregor.

Besonders deutlich werde Chinas neuer Machtanspruch im Süd- und Ostchinesischen Meer, nahe Südkorea und entlang der Grenze zu Indien. „Peking hat seine umstrittenen Souveränitätsansprüche aggressiv ausgebaut und überwacht sie rigoros“, sagt der China-Experte. Die Konfrontation mit Washington, so sein Fazit, könne „rasch oder schleichend“ kommen – aber sei unter Xi und angesichts der fortbestehenden US-Militärpräsenz in Asien im Bereich des Möglichen.

Luxmann
19. Juni 2025 - 7.05

Von den USA ist ohnehin nichts gutes zu erwarten und das wird sich auch in zukunft nicht aendern.
Positiv dass ein land wie China ihnen immer staerker paroli bietet...und das in jeder hinsicht.