Tageblatt: Jenson, Sébastien, zusammen mit Ihrem Teamkollegen und zweifachen Le-Mans-Sieger Earl Bamber sind Sie ein sehr erfahrenes und starkes Team. Wie sieht Ihre Zusammenarbeit aus?
Sébastien Bourdais: Oh, es ist ganz schlimm, keiner ist rennerfahren (lacht). Nein, Spaß beiseite, wir haben alle sehr viel Rennerfahrung aus verschiedenen Rennserien. Jenson hat eigentlich die wenigste Erfahrung bei Endurance-Rennen, Earl ist der erfahrenste Langstrecken-Pilot. mit einem Zweifachsieg in Le Mans und sehr viel GT3-Erfahrung. Ich selbst war sehr lange im Formelsport (IndyCar und Formel 1), fuhr LMP1 bei Peugeot und in der amerikanischen IMSA-Serie. Wir haben alle einen unterschiedlichen Background, aber ein sehr hohes Level an Erfahrung im Rennsport. Unsere Fahrerzusammensetzung ist vielleicht neu, aber ich finde, wir arbeiten sehr gut zusammen. Bis Le Mans sollten wir unsere volle Stärke zeigen können.
Jenson Button: Ja, wie Seb bereits sagte, bin ich der Fahrer mit der wenigsten Endurance-Erfahrung, aber die beiden andern sind sehr stark, ich lerne viel von ihnen. Unsere Renningenieure tun mir manchmal leid, denn sie bekommen so viel Informationen von uns, vor allem von Seb und Earl, um das Auto zu verbessern. Doch es ist genau das, was uns nach vorne bringt. Ich glaube, in Le Mans werden wir wirklich stark sein und das Auto perfekt verstehen können.
Das Jota-Team setzt dieses Jahr die Werks-Cadillac ein. Was sind die Stärken des Teams im Vergleich zum letzten Jahr? Jenson, Sie sind letztes Jahr für das Team Jota gefahren, aber damals noch mit dem Porsche 963 LMDh. Sébastien, Sie kennen den Cadillac aus der IMSA gut, doch für Sie ist das Jota-Team neu.
S.B.: Ich kann nur für mich sprechen, in Amerika sind die Abläufe und Prozeduren anders, das Team arbeitet auch verschieden, aber das Auto ist das gleiche geblieben, dies ist also die Konstante für mich. Das Schwierigste ist, wie wir (in der WEC; Anm.) das Auto am besten verstehen und das Set-up optimieren, um schneller zu sein. In der IMSA wussten wir genau, wo wir standen und wo wir hinwollten, aber in der WEC war dies letztes Jahr anders. Dort hatten wir nur ein Auto und die Systeme waren weniger unter Kontrolle, es gab viel mehr Fragezeichen bei den Set-ups. In der WEC ist die Konkurrenz (LMH und LMDh) auch größer als in der IMSA (dort fahren nur LMDh). Die Rennen sind anders. In der WEC sind wir weiterhin damit beschäftigt, das Paket zu verbessern und zu verstehen, welches Set-up am besten funktioniert. In der WEC musst du oft Dubbelstints fahren, da du mit den Reifen limitierter bist, und das ist das Wichtigste, was du beim Anpassen des Set-ups berücksichtigen musst. Es ist ein neues Team für mich, ich lerne neue Leute kennen, mit denen ich zusammenarbeiten muss.

J.B.: Ja, bei mir ist es genau das Gegenteil. Für mich ist die Konstante das Team, aber das Auto ist für mich komplett neu. Der Cadillac ist ein LMDh-Auto, aber es verhält sich komplett anders als der Porsche (ein LMH). Mit dem Porsche musste ich sehr aggressiv fahren. Er hatte auch bei geringer Geschwindigkeit sofort Überlenkung. Der Cadillac ist komplett anders, er ist sanfter zu fahren, was viel besser zu meinem Fahrstil passt. Natürlich braucht es seine Zeit, bis du weißt, wie du deinen Fahrstil ans Auto anpassen musst und was am besten funktioniert. Es geht hierbei aber nicht nur mir so, sondern dem gesamten Team, wir mussten unsere komplette Philosophie umstellen und hatten dabei nicht viele Möglichkeiten zum Testen. Ich bin aber erstaunt, welche Fortschritte wir seit Tag eins gemacht haben. Man muss wissen, es wäre sehr einfach für das Team gewesen, die Daten vom Cadillac von den vorherigen Jahren zu benutzen, aber Jota möchte alle Tests selbst machen und alles perfekt verstehen können.
Cadillac hatte eine starke Pace beim Auftaktrennen in Katar. Ohne den Auffahrunfall Ihrrer beiden Autos wäre sicherlich ein gutes Ergebnis möglich gewesen. Imola lag Ihnen nicht so gut. Wie sieht es für die Zukunft aus?
S.B.: Ich glaube, es ist bekannt, dass Imola dem Cadillac nicht liegt, es gibt viele Curbs, du musst sehr viele Kompromisse eingehen. Wir waren gar nicht mal so schlecht nach den Tests, aber danach sind wir mit der Abstimmung einfach in die falsche Richtung gegangen. Wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken, wissen wir, dass wir in Spa auch nicht sehr erfolgreich waren, aber in Le Mans werden wir das Tempo mitgehen können. Wir wissen, dass wir, wenn wir unsere Arbeit gut machen, das Potenzial haben, um anzugreifen und um den Sieg zu kämpfen.
Sébastien, Sie fahren in der IMSA (in der LMP2) und in der WEC (LMDh), kann man beides vergleichen? Sind die vielen Reisen von Kontinent zu Kontinent nicht zu stressig?
S.B.: Nein, es ist nicht allzu stressig, das Einzige, was anstrengend war, war, dass wir am Tag nach den 24 Stunden von Daytona nach Abu Dabi zum Testen reisten. Die europäischen Länder sind eigentlich nicht sehr stressig. Wir fahren nicht sehr viele Rennen und testen auch nicht sehr viel. Amerikanische Rennen sind komplett anders als die europäischen Rennen. Wenn du dort z.B. ein technisches Problem, einen Unfall oder einen Plattfuß hast, dann hast du immer noch die Möglichkeit, dich nach vorne zu kämpfen, auch wenn du einige Runden Rückstand hast (da die vielen Safetycar-Phasen das Feld immer wieder zusammenbringen und man so mit cleverer Taktik Rundenrückstände wieder aufnehmen kann; Anm.d.Red.). Wenn du in der WEC eine Runde Rückstand hast, dann weißt du, dass dein Rennen vorbei ist. Die beiden Serien haben eine andere Philosophie. Ich schätze mich glücklich, in den USA immer noch auf einem hohen Niveau Rennen fahren zu können und ich hoffe, dass ich auch hier in der WEC einen solchen Erfolg haben kann.
Verfolgen Sie als ehemalige Formel-1-Fahrer eigentlich weiterhin die Formel 1?
J.B.: Oh ja (lacht). Ich war z.B. sonntags in Maimi bei der F1 und habe dort die Post-Race-Interviews gemacht, war dann montags kurz in LA und bin dann dienstags nach Spa gereist (um auch dort die Interviews zu machen). Also zur vorigen Frage: Ja, ich muss sehr viel reisen, da ich die Formel-1-Rennen verfolgen muss. Denn in dieser Saison werde ich an acht Rennen vor Ort sein, da ich mit Sky Sports, Williams und auch für die F1 selbst arbeite. Bei fast allen F1-Rennen, an denen ich jetzt vor Ort war, habe ich die Post-Race-Interviews gemacht. Ich mag es sehr, wenn die Fahrer frisch aus dem Auto steigen, das Adrenalin noch durch die Adern fließt und sie ihre ungefilterte Meinung sagen und Emotionen zeigen.
Sébastien, Sie kommen aus Le Mans, wie wichtig wäre es für Sie, die 24 Stunden von Le Mans zu gewinnen?
S.B.: Ich werde nach Le Mans reisen und mir sagen: Ob ich gewinne oder nicht, für mich ist dies okay. Ich bin dankbar, dass ich mit 46 Jahren immer noch die Möglichkeit habe, die 24 Stunden zu gewinnen. Vor Jahren, als Peugeot sich von Le Mans zurückgezogen hat, habe ich mir gesagt, jetzt ist meine Chance vorbei, Le Mans zu gewinnen – und jetzt kehre ich seit 2023 mit Cadillac wieder zurück und dies mit einem siegfähigen Auto. Ich bin immer noch so schnell wie vor Jahren, fühle mich gut und habe ein schnelles Team, also werde ich weiter um den Sieg kämpfen und den Moment genießen. Es ist ein spezielles Rennen für jeden, aber es ist noch wichtiger für mich!

Eine Woche nach Le Mans finden in der „Grünen Hölle“ die Nürburgring 24h statt. Wären Sie daran interessiert, diese einmal zu bestreiten?
S.B.: Nein, hätte mich vor einigen Jahren jemand gefragt, dann hätte ich wohl Ja gesagt, aber jetzt nicht mehr. Irgendwann musst du dich auf eine Art Rennwagen konzentrieren und ich fahre bereits LMP2 und Hypercar. Und um ehrlich zu sein, es ist ein verrücktes Rennen. Ich schätze mich glücklich, mit nur wenigen sehr schlechten Momenten, um nicht zu sagen einem einzigen, durch meine Karriere gekommen zu sein und ich muss mein Glück nicht herausfordern.
J.B.: Ich bin nicht daran interessiert. GT3-Autos sind nichts für mich. Aber es ist auch so mit dem Indy 500, das ist nichts für mich. Ich wurde gefragt, dieses Jahr die 500 Meilen von Indianapolis mit einem konkurrenzfähigen Auto zu bestreiten, aber ich sage mir, ich bin sehr zufrieden mit meiner Karriere und muss dieses Rennen nicht bestreiten. Vielleicht hätte ich in meinen 20ern Ja gesagt, aber jetzt mit 45 Jahren nicht mehr. Indy 500 verfolge ich jedes Jahr, aber ich verfolge es lieber, als es zu bestreiten!
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