Man konnte die außergewöhnliche Atmosphäre im sonst eher ruhigen Tadler förmlich spüren, denn direkt am Eingang des Festivalgeländes winkte die Fantasie. In den Straßen des 100 Mann starken Dörfchens in Esch/Sauer erklang eine verzauberte Melodie, hinter verschlossenen Türen wurde gekichert und geklatscht, in Bushäuschen und Garagen saßen fabelhafte Kreaturen – kurzum: Es war wieder einmal Zeit für das Luxemburger „Marionettefestival“, das Groß und Klein alle zwei Jahre begeistert. Vom 8. bis 10. Juni verwandelte sich Tadler in eine große Bühne, die sich der zeitgenössischen Marionettenkunst und dem Objekttheater widmete.
Eine, die sich in ihrer Arbeit unter anderem genau damit auseinandersetzt, ist die Luxemburger Musikerin Florence Kraus. Mit ihrem Spektakel „Minuit“ nahm die Künstlerin ihr Publikum zusammen mit Sophie Raynal, Grégoire Terrier und Nicolas Robache in der „Peifferscheier“ mit auf eine Reise in unser Inneres, in dem sich die Dualität zwischen Hell und Düster, Gut und Böse widerspiegelt. Bei der Show im Dunkeln der Scheune handelte es sich um „ein gezeichnetes Konzert, oder eine Zeichnung aus Musik, also einen Mix aus Zeichnung, der Bewegung von Objekten und einem Konzert“, so Kraus’ Erklärung. Die gelernte Saxophonistin studierte zuerst klassisch im Konservatorium in Luxemburg, dann an der „École des arts décoratifs“ in Paris und entdeckte schon früh ihre Liebe für multidisziplinäre Projekte.
Eine magische Erfahrung
Beim Festival in Tadler war sie bereits zum zweiten Mal dabei, denn die besondere Atmosphäre, die in den Räumlichkeiten – bereitgestellt von Privatleuten – entsteht, wirkt einfach anziehend. „Wir haben eine Vorführung gezeigt, die eigentlich atypisch für ein solch junges Publikum ist, und dennoch waren die Leute berührt und voll dabei“, so die Künstlerin, die gerne auf selbstgebastelten Instrumenten musiziert. Auch für Ariel Doron ist das „Marionettefestival“ etwas ganz Besonderes, denn „es herrscht dieselbe Energie wie bei einem Berliner Techno-Festival, nur halt für Familien und Kinder“. Gleich zwei Rollen übernahm Doron im Programm von Tadler: einmal die eines einsamen Mannes und einmal die einer Giraffe. „Man kann es nicht erklären, sondern muss es im Moment selbst erleben“, meint der Puppenspieler.
Seit 16 Jahren lebt Doron von seiner Kunst. Mal ist diese clownhaft witzig, mal geht es um Politik, mal schlüpft er hinters DJ-Pult, um sein Publikum zu bespielen. Die Leidenschaft fürs Puppenspiel entdeckte der Künstler bereits als Jugendlicher: „Es ist ein wahnsinnig großes Universum, das einem erlaubt, mit wenig Mitteln etwas Großartiges zu kreieren.“ Wie man dabei mit dem Gesicht voller Ketchup und in einem rosaroten Bademantel endet, will Doron nicht verraten – dafür muss man sich seine Show schon selbst ansehen. Zu sehen gab es in Tadler aber auch außerhalb der improvisierten Bühnenräume viel. Eine der Hauptattraktionen für die kleinen Besucher war wohl das „zersplitterte Karussell Zanimal“ des Théâtre de la Toupine. Bären, Schwäne, Enten: Sie alle rollten (fast) frei durch die Straßen, denn bei ihrem „Dompteur“ Thibaut dürfen diese sich von der festen Struktur ihres Karussells lösen.
Normal ist für andere
Seit 25 Jahren arbeitet der Künstler als Zirkusartist. Mit seiner Zirkuskompanie reist Thibaut durch ganz Europa und lässt mit der besonderen Manege Kinderaugen aufleuchten. „Die Kleinen können sieben Minuten mit den Tieren herumfahren und werden dabei von ihren Eltern gedrückt. Dann erklingt ein spezieller Klingelton und die Wagen müssen zurück“, erklärt der Künstler. Er selbst ist durch Zufall im Business der Illusionen gelandet, und zwar durch eine Verletzung am Fuß, die ihn vier Monate lang lahmlegte: „Ich habe dann angefangen, zu jonglieren und schließlich die Zirkusschule besucht.“ Nun arbeitet Thibaut als „intermittent du spectacle“ und verdient sein Geld bei Shows und Festivals, so wie es auch die meisten anderen Marionettenkünstler tun. Diese schlüpften zwischen den Auftritten immer wieder in gemütliche Alltags-Tenue: vom Hühnerkostüm zu Adiletten, vom Puppenspieler zum Hundeherrchen, mit dem man in der Pause kurz noch Gassi gehen musste.
In Tadler war halt alles irgendwie anders und doch so gewohnt wie immer, denn eines ist sicher: Die Bewohner des Dorfes lassen es sich nicht nehmen, ihr Zuhause einmal alle zwei Jahre in einen Ort der Imagination zu verwandeln und den durften alle in den Norden Gereisten am vergangenen Wochenende erblicken.
De Maart













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