Montag27. Oktober 2025

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Musik eines WiderstandskämpfersAriel Wagner spricht über das Konzert „Lëtz Mikis“

Musik eines Widerstandskämpfers / Ariel Wagner spricht über das Konzert „Lëtz Mikis“
Ihm widmet Ariel Wagner ein Konzert: dem griechischen Musiker und Politiker Mikis Theodorakis (1972) Quelle: boudewijnhuijgens.getarchive.net/Foto: Public Domain,The Algemeen Nederlandsch Fotobureau (ANeFo) 

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Mikis Theodorakis, einst ein bedeutender Komponist und Politiker Griechenlands, ist heute in Vergessenheit geraten. Warum ist sein Erbe dennoch so wichtig? Ariel Wagner gibt Antworten.

Tageblatt: Ariel Wagner, Sie organisieren ein Konzert zum 100. Geburtstag des griechischen Komponisten, Sängers, Schriftstellers, Dirigenten und Politikers Mikis Theodorakis. Der heutigen Generation ist Theodorakis kein Begriff mehr. Wer war dieser Mann, der in Griechenland immer noch wie ein Volksheld gefeiert und verehrt wird?

Ariel Wagner: Es stimmt, dass Mikis’ Leben und Werk weitgehend von der Geschichte Griechenlands im letzten Jahrhundert geprägt und mit ihr verbunden war – was vielleicht das von Ihnen erwähnte Paradoxon erklärt. Zweifellos ist es nur eine Minderheit der jungen Europäer von heute, die mit den Leiden Griechenlands während der italienischen und deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg, dem Bürgerkrieg von 1945-49 und der Diktatur der Obristen von 1967-1974 vertraut ist. Aber genau diese Ereignisse machten Theodorakis in Griechenland zu einer Legende. Er kämpfte für die Freiheit seines Landes und erlitt dabei unsägliches Leiden: Verhaftungen, Prügel, Gefängnis, Deportation, brutalste Folter im sogenannten „Umerziehungslager“ von Makronissos, unter deren Folgen er sein ganzes Leben lang litt. Wegen seines Widerstands gegen die Diktatur wurde er inhaftiert, verbannt, deportiert – und schließlich, dank internationaler Kampagnen zu seinen Gunsten, ins Exil geschickt. Nach seiner Erholung in einem Pariser Krankenhaus ging er mit seiner Musik auf Welttourneen und wurde zu einem Symbol des Widerstands gegen die Tyrannei. Und seine Musik spiegelte diesen Widerstand wider – was sogar die Obristen erkannten, als sie seine Musik in Griechenland verboten.

„Lëtz Mikis“

Am heutigen Mittwoch, 11. Juni, um 20.00 Uhr im Kulturzentrum „Tramsschapp“ (49, rue Ermesinde, Limpertsberg/L-1469). Mehr Infos: visitluxembourg.com/event/letz-mikis.

Theodorakis war auch in musikalischer Hinsicht ein Grenzgänger: Er komponierte klassische Werke, darunter Symphonien und viel Kammermusik, er widmete sich der Oper ebenso wie der Filmmusik. Aber es war doch die griechische Volksmusik mit ihren Liedern, die eine wirklich zentrale Stellung in seinem Schaffen einnahm.

Ja, Theodorakis komponierte Musik in allen Genres. Er absolvierte eine Ausbildung als klassischer Komponist in Athen und Paris, und seine Werke aus den 1940er- und 1950er-Jahren waren im Wesentlichen klassisch. Die Musik Beethovens hatte einen nachhaltigen Einfluss auf ihn. Ende der 1950er-Jahre begann er, die serielle und atonale Musik, die damals die klassische Szene dominierte, als steril zu empfinden und wandte sich stattdessen der griechischen Volksmusik sowie liturgischen Musik zu, die er von seiner Kindheit her kannte, als er mit seiner Familie durch Griechenland zog. Sein Vater war nämlich Beamter und wurde mit jedem Regierungswechsel an einen neuen Ort versetzt. So lernte der junge Mikis die musikalischen Traditionen des griechischen Festlandes und seiner Inseln kennen und absorbierte sie regelrecht. In den frühen 1960er-Jahren verband er diese beiden Stränge der Komposition in seinen großen „metasymphonischen“ Liederzyklen: westliche klassische Formen mit den Rhythmen, Farben und Instrumenten wie Bouzouki, Santouri und Baglama der griechischen Traditionen. Zumindest für mich verkörpern die Werke dieser Zeit die grundlegende Botschaft „Vereinigt euch“, die er sein ganzes Leben lang zu vermitteln versuchte; und somit sind diese Kompositionen vielleicht seine originellsten und am meist vollendeten Schöpfungen, sein großartigster Beitrag zur Musik.

Wie politisch war Theodorakis in seiner Musik? Er hat ja viele Texte von Pablo Neruda, einem vehementen Gegner des Faschismus, und auch Federico Garcia Lorca ins Griechische übersetzt und in seinen Werken benutzt.

Mikis war ein zutiefst politischer Mensch, in dem Sinne, dass er sich aktiv in der „Polis“, den Angelegenheiten der Stadt, engagierte. Dies und sein lebenslanger Kampf gegen Autoritarismus bestimmten natürlich weitgehend die Auswahl der Texte, die er vertonte. Sie stammten von freiheitsliebenden Dichtern der Welt, wie Neruda, Garcia Lorca, Brendan Behan und noch anderen. Es war ihm aber auch wichtig, die große Literatur seines eigenen Landes – Seferis, Elytis, Ritsos, Kambanellis – im Ausland bekannt zu machen, indem er sie mit seiner Musik verband.

Mikis Theodorakis (l.) und Guy Wagner (r.) in Passau, 1999
Mikis Theodorakis (l.) und Guy Wagner (r.) in Passau, 1999 Quelle: Guy Wagner/Privatarchiv

Theodorakis hegte eine langjährige Freundschaft zu Ihnen und Ihrem verstorbenen Mann Guy Wagner, der auch Anfang der Achtzigerjahre die erste vollständige Biografie in deutscher Sprache über ihn schrieb. Wie ist es denn zu dieser Freundschaft gekommen?

Guy hatte sich Mikis’ Liederzyklus „Pnevmatiko Emvatirio“ (Der Marsch des Geistes) aus einer Schallplattenbibliothek ausgeliehen, sich in das Werk verliebt und einigen Freunden von dem griechischen Genie Mikis Theodorakis vorgeschwärmt. Einer von ihnen gab ihm die Adresse von Mikis’ Agent in Paris – was dazu führte, dass Guy im Februar 1973 das erste Konzert in Luxemburg, im Grand Théâtre, organisierte; es sollten daraufhin noch viele Konzerte, Ausstellungen, Filme, Vorträge, Rundfunksendungen und andere Veranstaltungen folgen. Und es kam zu einer echten Freundschaft, die bis zu Guys Tod im Jahr 2016 andauerte. Gemeinsam reisten er und ich zusammen mit Mikis und seiner Musik durch ganz Europa – und Mikis brachte seine Musik nach Luxemburg. Und ja, die erste Fassung von Guys Biografie erschien 1983 in Anwesenheit des Komponisten; später folgte die aktualisierte Fassung auf Deutsch, „Ein Leben für Griechenland“, und ihre Übersetzung ins Französische und schließlich ins Griechische.

Während die Musik von Mikis Theodorakis besonders in den Siebziger- und Achtzigerjahren sehr beliebt war, ist es danach stiller um den Komponisten geworden. Wie aktuell ist seine Musik denn heute noch?

Die gleiche Frage könnte man wahrscheinlich auch über die Musik von Beethoven, Mozart oder Bach stellen. Geschmäcker und Moden ändern sich, aber das sagt nichts über die Bedeutung der Musik als Quelle der Harmonie und Schönheit aus. Und das Engagement für Freiheit und Gerechtigkeit in Mikis’ eher politisch geprägten Werken ist in der heutigen gespaltenen und zunehmend autoritären Welt vielleicht relevanter denn je. Wir hoffen deshalb sehr, dass unser Konzert neue Zuhörer für Mikis’ Musik begeistern wird.

Geschmäcker und Moden ändern sich, aber das sagt nichts über die Bedeutung der Musik als Quelle der Harmonie und Schönheit aus. Das Engagement für Freiheit und Gerechtigkeit in Mikis’ eher politisch geprägten Werken ist in der heutigen gespaltenen und zunehmend autoritären Welt vielleicht relevanter denn je.

Ariel Wagner, Organisatorin des Konzerts „Lëtz Mikis“

Was erwartet das Publikum heute Abend?

Wir haben drei Chöre, zwei Solisten, eine Bouzouki, ein Instrumententrio und einen Erzähler, die alle von unserem Arrangeur am Klavier dirigiert werden. Wir beginnen mit Liedern aus den großen Zyklen der frühen 1960er-Jahre – „I gitonia ton Aggelon“, „Mikres Kyklades“, „Axion Estí“, „Epiphania“, „Archipelagos“ – und fahren fort mit den Liedern, die jeder kennt, unter anderem aus Filmen und dem Zorba-Zyklus. Am Ende werden alle mitsingen.

canis-lupus
11. Juni 2025 - 8.39

gut esou, Ariel, op esou gud Noriicht hun ëch scho laang gewart..
ëch kann leider dën Owend nët dobäi sën, sën awer a Gedanken do..
"Axion Esti"

Christiane