Es war ein makabrer Anblick, den sich Olivia Mitte Mai in Esch-Lallingen bot: 17 tote Krähen, verstreut auf der Straße und im Rasen daneben. Die einen waren von Autos überfahren worden, andere lagen einfach tot auf dem Rücken, ohne jegliches Anzeichen einer Verletzung. Seither ist die Escher WhatsApp-Gruppe „Dauwenrettung“, in der Olivia die Fotos ihres Fundes postete, in Aufruhr, denn so richtig erklären kann sich die Situation niemand. „Wurden die Vögel vergiftet? Gibt es eine neue Seuche oder Vogelgrippe? Aber warum lagen dann alle an exakt derselben Stelle? Es ist wirklich ein Rätsel“, so die Escherin.

Auf Anweisung der anderen Gruppen-Mitglieder alarmierte Olivia erst die Gemeinde, dann die Polizei, den Luxemburger Tierschutz, die Düdelinger Pflegestation für Wildtiere, den Escher Förster sowie die Veterinär- und Lebensmittelverwaltung (ALVA). Von der Gemeindeverwaltung gab es nun jedoch Entwarnung: Es handelt sich wohl nicht um einen Fall von Giftködern. „Wir hatten eigentlich auch angenommen, dass die Tiere vergiftet worden sind und bereits ein Warn-Schreiben an die Bevölkerung vorbereitet, denn Gift ist auch gefährlich für andere Tiere, doch die Analysen vom LNS (Laboratoire national de santé; Anm. d. Red.) sind negativ“, erklärt Jeannot Behm vom Escher „Service écologique“.
Achtung, Ästlinge!
Man habe sowohl auf unterschiedliche Erkrankungen als auch auf das gängige Rattengift Alpha-Chloralose getestet, doch der toxikologische Befund sei eindeutig. „Wir können natürlich nur spekulieren, aber unsere Annahme ist, dass die Krähen im Moment anfangen, flügge zu werden, und es passieren kann, dass sie von Autos überfahren werden, wenn sie auf dem Boden sitzen“, meint Behm. Eine Erklärung zu jenen Vögeln, die nicht auf der Straße lagen, habe man nicht. Es komme in Esch allerdings äußerst rar zu „Konflikten“ zwischen Mensch und Krähe. Wenn, dann werde in der Regel die Gemeinde eingeschaltet: „In den Perioden März bis Juni bauen Krähen ihre Nester und fangen an, zu brüten, dann können sich die Anwohner schon mal von ihnen gestört fühlen.“
Ausschließen kann man natürlich nie alle Optionen, aber wären sie vergiftet worden, hätten wir noch viel mehr tote Vögel gefunden
Die sogenannte Ästlingsphase, in der die jungen Krähen ihre ersten Flugversuche tätigen, häufig dabei aber auf dem Boden landen und dort weiter von ihren Eltern gefüttert werden, zieht sich bis Ende Mai respektive Anfang Juni, sodass die Theorie des Gemeindedienstes stimmen könnte. „Ausschließen kann man natürlich nie alle Optionen, aber wären sie vergiftet worden, hätten wir noch viel mehr tote Vögel gefunden“, so Behm. Um dennoch künftig ein besseres Zusammenleben von Mensch und Vogel im städtischen Raum zu fördern, arbeitet die Gemeinde derzeit an einem Saatkrähen-Management-Plan zur Umsiedlung des sogenannten „Hierschtkueb“, wie er in Esch zu finden ist. Die Tiere sind jedoch standorttreu und clever, sodass Behm dem Erfolg des Vorhabens mit gemischten Gefühlen entgegensieht: „Krähen bleiben dort, wo sie zu fressen finden, deshalb ist Füttern auch strengstens verboten.“
„Leben und leben lassen“

Man könne zwar Bäume zurückschneiden, in denen sich große Kolonien von Krähen befinden, alle möglichen Nistplätze zu eliminieren, sei jedoch nicht die Lösung. Man müsse die Bevölkerung eher sensibilisieren, denn Krähen stehen hierzulande unter Natur- und Vogelschutz, wie auch ein Sprecher von „natur&ëmwelt“ betont: „Es ist verboten, die Tiere zu töten, bestehende Nester zu entfernen oder ihnen auf sonst eine Weise zu schaden. Darauf stehen zum Teil hohe Geldstrafen.“ Es gilt also die Devise „Leben und leben lassen“, auch wenn die Mitarbeiter des Escher Umweltdienstes verstehen, dass der Schmutz, der durch Krähen teilweise entsteht, stören kann. „Wichtig ist es, dass die Leute ihre Mülleimer nicht offen lassen und kein Futter auf die Gehwege stellen“, so Behm.
Für die Vogelfreunde in Lallingen hinterlässt der aktuellste Fund einen schlechten Beigeschmack, vor allem da es erst im April Fälle von vergifteten Tauben und Krähen in Bonneweg gab und auch der Fund einer Taube ohne Kopf nahe der Escher Brillschule noch nicht allzu lange her ist. Man wolle weiterhin achtsam bleiben, meint Olivia, die sich aktiv für den Schutz von Krähe, Taube und Co. einsetzt: „Es sind sehr intelligente Tiere und wir sollten sie respektieren, nicht vertreiben wollen.“
De Maart

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