Montag22. Dezember 2025

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Abschied von Gustavo GimenoDer scheidende Dirigent zeigt sich glücklich und zufrieden über seine zehn Jahre beim Luxembourg Philharmonic

Abschied von Gustavo Gimeno / Der scheidende Dirigent zeigt sich glücklich und zufrieden über seine zehn Jahre beim Luxembourg Philharmonic
Gustavo Gimeno: Der Chefdirigent führte das Luxembourg Philharmonic zehn Jahre lang an Foto: Alfonso Salgueiro 

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Ende Mai folgte das Luxembourg Philharmonic seinen Anweisungen zu einem der letzten Male: Der scheidende Chefdirigent des Orchesters beendet seine Karriere in Luxemburg. Im Interview wagt er einen Rückblick und gesteht: Die Zeit ist reif für einen Wechsel. 

Tageblatt: Herr Gimeno, in unserem ersten Interview sagten Sie, Ihre Ziele für die kommenden Jahre seien die Werke von Bruckner, Schostakowitsch und Mahler, aber auch Mozart und Haydn. Ihre Kernaussage war, dass Sie das Orchester für jeden Spielstil und jedes Repertoire fit machen wollen.

Gustavo Gimeno: Ja, wir haben darüber hinaus auch noch andere Komponisten wie beispielsweise Rossini gespielt und auch aufgenommen, auch die Komponisten der Zweiten Wiener Schule, Dutilleux, Komponisten wie Glanert und Coll. Wir haben Oper gemacht und zusammen Don Giovanni, Macbeth, Simon Boccanegra aufgeführt. Zudem hat das Luxembourg Philharmonic seinen Platz im Orchestergraben gefunden und auch unter anderen Dirigenten Oper gespielt. Denken Sie beispielsweise an Le Nozze di Figaro oder Tristan und Isolde. In dieser Zeit haben wir auch etliche CD-Aufnahmen gemacht, die alle in der internationalen Kritik sehr gut angekommen sind. Bruckners 1. Symphonie, Mahlers 4. Symphonie, die großen Werke von Strawinsky, die Messen von Rossini, eine CD mit Stücken von Francesco Coll, jetzt vor kurzem das Cellokonzert und die 1. Symphonie von Dutilleux – da ist schon einiges zusammengekommen. Ein Höhepunkt war sicher auch die Aufführung aller fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven mit Krystian Zimerman. Wir haben große Tourneen durch Südkorea und Südamerika gemacht, sind in Europa getourt. Wir haben die Festivals in San Sebastian und Ravenna sehr erfolgreich eröffnet. Mit Yuja Wang haben wir eine enorm erfolgreiche Tour mit elf Konzerten durchgestanden. In den zehn Jahren habe ich weit über 200 Konzerte mit dem Luxembourg Philharmonic dirigiert. Und es sind unwahrscheinlich viele talentierte Musiker engagiert worden, sodass sich das Orchester auch erneuert hat.

Was hat sich denn in Sachen Spieltechnik und allgemeine Qualität verbessert?

Ich nenne zuerst die Klangbalance. Früher klangen die Gruppen sehr verschieden und waren nur auf sich bezogen. Da gab es die Gruppe der Streicher, es gab das Holz und es gab das Blech. Auch in den Streichern gab es wiederum Untergruppen, die für sich spielten. Der Zusammenhang und somit auch das Zusammenspiel fehlten. Jetzt haben wir ein Orchester, bei dem sich die verschiedenen Stimmen organisch vermischen. Jeder hört auf den anderen, alles fließt zusammen und das ergibt einen gemeinsamen Klang. Früher hat man oft beklagt, dass das Luxembourg Philharmonic keinen eigenen Klang und somit keine Individualität habe. Jetzt hat das Orchester das, zumindest eine sehr solide Basis, auf die die Musiker weiterhin aufbauen können. Das Klangbild des Luxembourg Philharmonic hat aber auch an Tiefe gewonnen, zudem ist der Klang viel wärmer, runder und voller geworden. Dies alles wäre nicht möglich gewesen, wäre das Orchester nicht so offen, so motiviert und lernbegierig. Die Musiker des Luxembourg Philharmonic folgen ihrem Dirigenten. Dieses gegenseitige Vertrauen ist enorm wichtig für unsere gemeinsame Entwicklung gewesen. Die Musiker sind jetzt in vielen Repertoires zu Hause und können mühelos von einem zum anderen Stil wechseln.

Haben Sie Ihre 10. und somit letzte Spielzeit anders vorbereitet?

Eigentlich nicht. Mir ging es immer um Kontinuität. Und das sollte auch in der Spielzeit ’24/’25 so sein. Wir haben in meiner ersten Spielzeit Bruckner gemacht und wir wollten auch diese Saison mit Bruckner abschließen. Überhaupt soll diese ganze letzte Spielzeit einen Bogen über das letzte Jahrzehnt gemeinsamen Musikzierens spannen. Wir haben die Aufbauarbeit in diesem Jahr etwas zurückgenommen und wollen es einfach genießen, zusammen zu musizieren, und die Früchte der letzten zehn Jahre auf der Bühne der Philharmonie zeigen. 

Wissen Sie, ein Dirigent kann sehr einsam sein, wenn er keine Unterstützung erfährt

Gustavo Gimeno, scheidender Chefdirigent des Luxembourg Philharmonic

Spürt man als Chefdirigent, wann es Zeit ist, aufzuhören?

Ja, ich denke schon. Das hängt natürlich immer auch vom Orchester ab. Deshalb gibt es die Vertragsverlängerungen, wodurch man Jahre vorausplanen kann. Zehn Jahre Gustavo Gimeno beim Luxembourg Philharmonic, das genügt. Ich spüre das auch. Das Meiste von dem, was wir uns als Ziel gesetzt haben, damit meine ich natürlich auch Stephan Gehmacher und Matthew Studdert-Kennedy, haben wir in dieser Zeit erreicht. Das Orchester ist fit. Die Qualität stimmt. Die Musiker sind lernbegierig und wollen mehr. Vor allem hat das Luxembourg Philharmonic jetzt das nötige Selbstvertrauen. Die Unsicherheit, die Verkrampfung, die ich am Anfang bemerkt habe, wenn es darum ging, ein schwieriges oder unbekanntes Werk einzustudieren, sind weg.

Worin besteht denn die Gefahr, wenn man zu lange bleibt?

Irgendwann treten eine Routine und eine gewisse Langeweile ein. Die Musiker kennen mich dann so gut, dass sie genau wissen, was ich will. Umgekehrt weiß ich irgendwann genau, wie jede Phrase klingen wird. Dann wird man nachlässig, verliert die Neugierde und alles klingt plötzlich zwar gut, aber ohne rechte Innenspannung. Aber wie gesagt, das ist sehr individuell und hängt auch vom jeweiligen Dirigenten und Orchester ab. Es ist auch nicht schön für das Publikum, schon im Voraus zu wissen, wie das Konzert klingen wird. Ein Orchester ist ein lebender Organismus, die Musiker wechseln, entwickeln sich weiter. Und dem muss man Rechnung tragen. Für Luxemburg waren zehn Jahre ideal. Natürlich erreicht man nie alles, was man sich vorgenommen hat, aber ich ziehe vor, das hervorzuheben, was wir erreicht haben.

Und wie haben Sie sich in diesen zehn Jahren weiterentwickelt?

Ich habe gemerkt, dass die Musiker und ich uns gemeinsam entwickelt haben. Rückblickend bin ich überzeugt, dass wir vor zehn Jahren die richtige Entscheidung getroffen haben und dass wir damals eine ideale Partnerschaft eingegangen sind. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Ich stand am Beginn meiner Karriere und musste ebenfalls vieles lernen. Aber ich wusste, wohin ich wollte. Das Orchester hat mir geholfen, meine Sichtweise in Musik umzusetzen, aber auch zu zeigen, was geht und was nicht. Ich hatte meine eigenen Ansichten und Überzeugungen und das Orchester ist mir gefolgt. Das hat mir gutgetan und geholfen. Parallel dazu konnte ich meine internationale Karriere ebenfalls verfolgen, habe viel und bei verschiedenen internationalen Orchestern debütiert. Das war wichtig, aber in Zukunft soll mein Leben auch etwas geregelter ablaufen. Ich will mich jetzt einerseits voll auf das Toronto Symphony Orchestra konzentrieren, was das symphonische Repertoire betrifft, und andererseits meine zweite große Leidenschaft, nämlich die Oper, am Teatro Real Madrid ausleben, wo ich ’25/’26 als Chefdirigent beginnen werde. Daneben werde ich einige wenige Gastkonzerte dirigieren, wie beispielsweise beim Los Angeles Philharmonic, San Francisco Symphony oder dem New York Philharmonic.

Ein letztes Wort, Herr Gimeno.

Ich bin glücklich, dass ich diese letzten zehn Jahre zusammen mit dem Luxembourg Phiharmonic gehen und gestalten konnte, weil ich auch immer das Gefühl hatte, es war richtig, es passt. Ich habe hier vom Team der Philharmonie von Anfang an immer Unterstützung erfahren und ich möchte ganz herzlich Stephan Gehmacher und Matthew Studdert-Kennedy danken, die für mich wunderbare Partner in dieser Zeit waren. Ich möchte mich bei den Musikern des Luxembourg Philharmonic bedanken, die mir trotz unruhiger Zeiten und eines Prozesses des Suchens immer ein gutes Gefühl gegeben haben. Und ich möchte mich natürlich auch beim Publikum bedanken, das mir von Anfang an wohlgesonnen war. Wissen Sie, ein Dirigent kann sehr einsam sein, wenn er keine Unterstützung erfährt. Das Luxembourg Philharmonic befindet sich in einer hervorragenden Verfassung und ich bin überzeugt, das Orchester wird seinen weiteren Weg gehen. Mit Kompetenz und hocherhobenen Hauptes.

Info

Das unbearbeitete Interview in Gesamtlänge gibt es in dem Buch von Alain Steffen: „Luxembourg Philharmonic – Das Zukunftsorchester“; 272 Seiten; Rombach-Verlag, Freiburg 2025