Samstag25. Oktober 2025

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VerteidigungsdoktrinGroßbritannien denkt über eine Ausweitung der atomaren Abschreckung nach

Verteidigungsdoktrin / Großbritannien denkt über eine Ausweitung der atomaren Abschreckung nach
Unter Premierminister Keir Starmer soll wieder massiv in die Aufrüstung investiert werden  Foto: Leon Neal/AFP

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Großbritannien muss massiv aufrüsten. Zu diesem Schluss kommt die neue Verteidigungsdoktrin der Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer. 

Geplant sind unter anderem der rapide Bau von sechs neuen Munitionsfabriken, energische Maßnahmen zur Erhaltung der Personalstärke in den Streitkräften, vor allem der schrumpfenden Armee, sowie eine neue Zivilschutztruppe (Home Guard). Die Royal Navy soll neue Kriegsschiffe erhalten. Zudem wird über eine Ausweitung der atomaren Abschreckung nachgedacht. Das Königreich wolle ausdrücklich eine Mitteilung an Moskau aussenden, sagte Verteidigungsminister John Healey am Sonntag der BBC: „Wir sind, falls nötig, zum Kampf bereit.“

Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des früheren NATO-Generalsekretärs George Robertson hat knapp ein Jahr lang an dem 130-seitigen Dokument gearbeitet. Es wird am Montag dem Unterhaus präsentiert. Vorab veröffentlichten die Londoner Medien übereinstimmende Details sowie ausführliche Interviews mit Minister Healey. Dazu gehört die Bezeichnung des Kriegsaggressors Russland als „unmittelbare und dringliche Gefahr“ (immediate and pressing). Das nationalkommunistische Regime Chinas stelle „eine durchdachte, dauerhafte Herausforderung” (sophisticated and persistent) dar, nicht zuletzt wegen seiner Unterstützung Moskaus beim Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Stärkung der heimischen Rüstungsindustrie

Das Beispiel des mittlerweile im vierten Jahr gegen die russische Invasion kämpfenden Landes benutzt Healey als Argument für eine Stärkung der heimischen Rüstungsindustrie: „Die Streitkräfte eines Landes sind nur so stark wie die dahinterstehende Industrie.“ Die Labour-Regierung will deshalb insgesamt sechs Milliarden Pfund (7,12 Mrd Euro/6,64 Mrd Franken) in die Auffrischung der ausgelaugten Reserven für Artillerie-Geschosse sowie Panzermunition investieren. Ein Viertel davon ist für den Bau neuer Fabriken vorgesehen, wodurch mehr als 1.000 neue Jobs in strukturschwachen Gebieten entstehen sollen.

Geplant ist auch der Bau von bis zu 7.000 neuer „Storm Shadow“-Marschflugkörper, die der russischen Marine im Schwarzen Meer erhebliche Verluste zufügten. „Ein starker Verteidigungssektor trägt zu einer starken Wirtschaft bei“, fasst die Leiterin des Verteidigungsinstituts RUSI, Rachel Ellehuus, das Regierungsdenken zusammen. Finanzministerin Rachel Reeves wünscht sich die Insel als „Supermacht der Rüstungsbranche“. Die staatlichen Verteidigungsausgaben (im laufenden Finanzjahr bei 2,36 Prozent des BIP) sollen 2027 die Marke 2,5 erreichen.

Neue Milliardenanschaffungen

Die gewöhnlich gut informierte Sunday Times berichtete außerdem über den Plan, die atomare Abschreckung auszuweiten. Anders als die NATO-Verbündeten USA und Frankreich verfügt Großbritannien bisher ausschließlich über strategische Waffen, die auf U-Booten stationiert sind. Als Antwort auf die dauernden Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit taktischen Nuklearbomben wollen die Briten nun offenbar solche Waffen zusätzlich beschaffen; sie würden von entsprechend ausgerüsteten Jets ins Ziel gebracht.

Zum Kauf der Bombenflugzeuge vom Typ F-35A der US-Firma Lookheed Martin machte Healey in Medieninterviews keine Angaben. Offenbar sind aber längst die entsprechenden Gespräche mit dem Pentagon in Washington geführt worden. Dies würde auch die Vorsicht erklären, mit der Starmer sich gegenüber den Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump positioniert. Neue Milliardenanschaffungen durch die einstige Kolonie könnte den Berserker im Weißen Haus milde stimmen für die zukünftigen Handelsgespräche.

Das jüngste Jahrbuch „Military Balance“ des Londoner Strategieinstituts IISS bezifferte die Männer und Frauen im Dienst der Armee auf 74.600 Armee-Angehörige. Inzwischen zählt die personalintensivste Waffengattung noch 72.500 Menschen, Tendenz fallend. „Jeden Monat verlieren wir mehr Vollzeitsoldaten als wir neu einstellen“, räumt Healey ein. Der Minister will diesen Trend der vergangenen Jahre stoppen, später sogar umkehren. Erste Neuerungen widmen sich dem Rekrutierungsprozess für die Berufsarmee. Angaben des Ministeriums zufolge haben im vergangenen Jahrzehnt rund eine Million junger Leute ihr Interesse am Dienst unter Waffen bekundet; drei Viertel davon aber gaben bald auf, weil ihnen die Angelegenheit zu lange dauerte.

Inzwischen wurden bürokratische Hürden abgebaut und die Gehälter erhöht. Zum Reformprogramm der Streitkräfte zählt die dringend nötige Sanierung der vielfach maroden Unterbringung für Berufssoldaten und deren Familien. Vor allem wünscht sich Healey eine Veränderung des politischen Klimas: Die Nation müsse die Einstellung zu ihren Männern und Frauen in Uniform verändern.

Der Weg dorthin dürfte steinig werden. Einer Umfrage der Firma YouGov unter 18- bis 24-Jährigen zufolge mochten lediglich elf Prozent zusichern, „für mein Land zu kämpfen“. Weitere 27 Prozent antworteten mit Ja unter der Einschränkung, sie müssten mit den Beweggründen einer kriegerischen Auseinandersetzung einverstanden sein. Hingegen wollten 41 Prozent „unter keinen Umständen“ die Waffe fürs Königreich in die Hand nehmen.

Grober J-P.
2. Juni 2025 - 10.25

"Ausweitung der atomaren Abschreckung" Und auf beiden Seiten glaubt man, dass man beim atomaren Desaster davon kommen könnte?
Freund Gregory aus Manchester sagt er wäre stolz, dass er etwas von seiner 800 £ Rente abgeben könnte, für den Einkauf von Uran. Seine kaputte Hüfte sei jetzt nicht mehr sooo wichtig. Hofft auf den schnellen Schlag. Was, so sarkastisch war er noch nie.