Nach vorgezogenen Neuwahlen hat Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa den konservativen Politiker Luís Montenegro erneut zum neuen Premierminister ernannt. Der 52 Jahre alte Vorsitzende der Aliança Democrática (AD) und gelernte Anwalt wurde vom Staatschef beauftragt, eine Regierung zusammenzustellen, die sich mit ihrem Programm allerdings noch dem Parlament stellen muss.
Montenegro, der die Neuwahl am 18. Mai mit 32 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, kündigte an, erneut mit einem Minderheitskabinett zu regieren – inmitten politischer Unsicherheit und überschattet durch einen starken Rechtsruck in Portugal. Die rechtspopulistische Partei Chega war in der Neuwahl zur zweitstärksten Kraft aufgestiegen.
In Portugal entscheidet laut Verfassung nicht das Parlament, sondern der Staatspräsident darüber, wer Regierungschef wird. Im portugiesischen Grundgesetz ist verankert, dass der Präsident den Premierminister ernennt, wenn auch unter Berücksichtigung des Wahlergebnisses und nachdem er die im Parlament vertretenen Parteien angehört hat.
Als Voraussetzung für eine Ernennung gilt, dass der Premier eine tragfähige parlamentarische Mehrheit in Aussicht hat. Die beiden großen Oppositionsparteien, die Rechtsbewegung Chega und als drittstärkste parlamentarische Kraft die Sozialisten, sicherten zu, dass sie Montenegros Regierungsstart zunächst nicht behindern werden. Man wolle zur Stabilität beitragen, hieß es. Auch die kleine lniciativa Liberal (IL), die in der Neuwahl auf dem vierten Platz landete, signalisierte Unterstützung.
Regierung auf wackeligen Beinen
Die Zustimmung des Parlaments zum Regierungsprogramm scheint also zunächst einmal gesichert. Doch Montenegros Regierung steht trotzdem auf wackeligen Beinen: Mit 91 von 230 Parlamentssitzen verfügt Montenegros konservative Allianz AD über keine absolute Mehrheit. Eine Koalition mit der rechtspopulistischen Chega, die bei der Wahl auf 23 Prozent kam und 60 Sitze eroberte, hatte Montenegro im Wahlkampf ausgeschlossen.
Montenegro kündigte an, keine festen Regierungsbündnisse einzugehen. „Wir werden mit allen Parteien sprechen, aber keine dauerhaften Abkommen schließen“, erklärte er nach seiner Ernennung. Seine Regierung wolle die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben, das Gesundheitssystem stärken, Wohnungsbau fördern, Migration regulieren und durch Steuervergünstigungen junge Talente im Land halten oder aus dem Ausland anlocken.
Die vorgezogenen Wahlen Mitte Mai waren nötig geworden, nachdem Montenegros vorherige Minderheitsregierung im März nach nur einem Jahr im Amt an einem Misstrauensvotum gescheitert war – ausgelöst durch Korruptionsvorwürfe gegen Montenegro. Trotzdem konnte der Konservative seinen Stimmenanteil von 29 auf 32 Prozent ausbauen. Ganz offenbar wollten die Portugiesen der konservativen Regierung eine zweite Chance geben – wohl auch, weil sich keine Alternative abzeichnete: Das linke Lager ist zerstritten.
Vor allem das Abschneiden der Rechtsaußenpartei Chega hatte bei der Neuwahl ein politisches Erdbeben ausgelöst. 2019 zog Chega mit ihrem redegewandten Vorsitzenden André Ventura erstmals mit einem Abgeordneten ins Parlament ein. Nun, sechs Jahre später, holte Chega 60 Sitze. Die Rechtspopulisten werden künftig als stärkste Oppositionskraft eine zentrale Rolle in Portugal spielen.
Die Wahl in Luxemburg
Im Großherzogtum leben laut aktuellen Bevölkerungsdaten von Statec insgesamt 89.700 Menschen portugiesischer Nationalität. Sie bilden damit trotz in den vergangenen Jahren leicht sinkender Zahlen noch immer die mit Abstand größte Ausländergruppe vor Franzosen und Italienern. Bei der Parlamentswahl stimmberechtigt und eingeschrieben waren knapp 37.000 in Luxemburg lebende Portugiesen. Eine Stimme abgegeben haben etwas mehr 13.000. Damit ist die Wahlbeteiligung der Exil-Portugiesen im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen 2024 noch einmal gesunken und liegt deutlich unter dem Wert in Portugal selbst. Auch beim Wahlverhalten gibt es große Unterschiede: Beinahe jeder dritte wählende Portugiese in Luxemburg gab seine Stimme der rechtspopulistischen Chega. In nur einem einzigen Land der Welt haben noch mehr Exil-Portugiesen die Chega gewählt: in der Schweiz. In Luxemburg haben die Rechtspopulisten im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt: von 19,6 auf 31,3 Prozent. Für das Gesamtergebnis lässt sich feststellen: Die Auslandsportugiesen sicherten der Chega den zweiten Platz bei der Parlamentswahl. (judo)
Mit ihren 60 Mandaten überschreitet Chega die Schwelle von einem Fünftel der Abgeordneten, die nötig ist, um parlamentarische Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Chega-Boss Ventura ließ offen, ob er davon Gebrauch machen werde, um Korruptionsvorwürfe gegen Montenegro unter die Lupe zu nehmen.
Die politische Landschaft in Portugal befindet sich – wie fast überall in Europa – in einem tiefgreifenden Wandel. Das frühere Zweiparteiensystem, jahrzehntelang dominiert von den sozialdemokratisch orientierten Sozialisten und den Konservativen, wurde durch das starke Abschneiden von Chega und das Wachstum kleinerer Parteien wie der Iniciativa Liberal aufgebrochen.
Mehrheitsfähige Koalitionen sind momentan nicht in Sicht und damit auch keine stabilen Mehrheiten. Montenegro steht daher vor einer enormen Herausforderung: Mit einer Minderheitsregierung muss er wichtige Reformen durchsetzen, das Vertrauen der Bevölkerung stärken – und dabei eine erstarkte Rechte im Parlament im Blick behalten. Ob ihm dieser Balanceakt gelingt, wird die Zukunft zeigen.
De Maart
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