Es ist erst acht Uhr morgens am Freitag, doch der Hauptplatz in Gorlice im Südosten Polens an der Grenze zur Slowakei ist gut besucht. „Ganz Polen ohne Rafal!“, skandiert die Menge. Gemeint ist Rafal Trzaskowski, der liberale Präsidentschaftskandidat und Warschauer Oberbürgermeister, ein verhasster Mann in der konservativen Kleinstadt. Vor allem ältere Bürger haben sich versammelt, aber auch viele Junge sind da. „Ja, wir werden siegen“, bestätigt kurz nach acht Karol Nawrocki, der gefeierte Star der polnischen Rechten und Rechtsextremen. „Diese Welle des breiten Widerstands, die Welle der Patrioten hält nichts auf!“, ruft Nawrocki in die jubelnde Menge.
Es ist der letzte Wahlkampftag und der neue Starpolitiker wirkt guter Dinge. Gerade wurde eine Umfrage veröffentlicht, die ihm den Wahlsieg am Sonntag verspricht, mit einem hauchdünnen Vorsprung von 1,2 Prozent. „Nichts bricht uns, weder Propaganda, Fälschungen noch Lügen; wir werden siegen!“, ruft Nawrocki nun ins Publikum und reckt den Arm aus zu einem Siegesgruß. „Hier ist Polen, ganz Polen ohne Rafal!“, ruft die Menge zurück und stimmt die Nationalhymne an.
Rafal Trzaskowski, von Nawrocki eben als „Feigling“ und machtloser Tusk-Stellvertreter verhöhnt, steht eine Stunde später in der zentralpolnischen Stadt Wloclawek und fordert seine Anhänger mit ruhiger, besorgter Stimme dazu auf, bis zum Sonntag mit Bekannten, Arbeitskollegen, Familie und Freunden zu reden. „Diese Wahlen haben ein enormes Gewicht; wenn wir alle hingehen, gewinnt ganz Polen“, sagt der liberale Kandidat. „Wir wollen doch alle einen ehrlichen Präsidenten, einen der Polens Zukunft im Auge behält“, sagt Traskowski noch, dann ist das Meeting zu Ende.
Rennen um Präsidentenamt noch völlig offen
Am Vortag der entscheidenden Stichwahl um das wichtige und mächtige Präsidentenamt in Polen ist das Rennen laut den meisten Umfragen immer noch völlig offen. Noch im März hatte Trzaskowskis Vorsprung auf Nawrocki über zehn Prozent betragen, doch in der ersten Runde wurden daraus gerade noch 1,8 Prozent. Schwerer wiegt indes, dass rechte und -extreme Oppositionskandidaten über 50 Prozent der Stimmen erobert hatten, während die drei Regierungskandidaten zusammen nur auf 40 Prozent kamen. Seither herrscht helle Aufregung in Tusks Mitte-links-Koalition.
Denn der Wahlausgang am Sonntag entscheidet darüber, ob die von Tusk gegenüber Brüssel und den eigenen Wählern versprochenen Reformen im Justizwesen, bei der Demokratisierung des Staatsapparates und weltanschaulichen Fragen wie Abtreibung und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften endlich umgesetzt werden können. Seit Herbst 2023 hatte diese der abtretende konservative Staatspräsident Andrzej Duda mit Vetos und und der Anrufung des Kaczynski-hörigen Verfassungsgerichts blockiert.
Nun soll der ex-Boxer und parteilose, rechte Historiker Nawrocki laut dem Willen Jaroslaw Kaczynski von der rechtspopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) diese Rolle des konservativen Blockierers übernehmen. Auch wird von Nawrocki erwartet, dass er sich einer vertieften Integration der EU widersetzt.
Laut Umfragen sind immer noch bis 11 Prozent der Polen unentschieden. Um diese Stimmen ist auf der Zielgeraden ein äußerst harter Kampf entbrannt. Vor allem regierungsfreundliche Kreise haben eine regelrechte Schmutzkampagne gegen Nawrocki gestartet. Dazu förderten YouTube-Debatten neue Facetten der beiden Stichwahlgegner zutage. Der 55-jährige Trzaskowski zeigte sich zwar als Vollblut-Politiker, aber auch als abgehoben wirkender Hauptstadt-Bonvivant. Der 42-jährige Oppositionskandidat rühmte sich dagegen allen Ernstes seiner bisher wenig bekannten Vergangenheit als Fußball-Hooligan.
Klar ist immerhin, dass Nawrocki das von manchen als pro-russisch kritisierte Acht-Punkte-Programm des starken, aber ausgeschiedenen Kandidaten Slawomir Mentzen (15%) unterschrieben hat, das sich einem NATO-Beitritt der Ukraine widersetzt. Trzaskowski dagegen weigerte sich, dem östlichen Nachbarn Polens in den Rücken zu fallen, versprach indes den patriotischen Mentzen-Wählern, dass er den Zloty verteidigen werde. „Niemand will den Euro einführen, denn der Zloty garantiert Polen Krisen-Resistenz“, sagte Trzaskowski. Damit könnte er sich laut Umfragen rund 30 Prozent der mehrheitlich jungen Mentzen-Wähler gesichert haben. Völlig unklar ist jedoch, wie viele von ihnen überhaupt an der Stichwahl teilnehmen.
Zwei Tage vor der Schicksals-Wahl über Polens künftige Stellung in der EU ist vor allem eines klar: Putin würde sich über einen Nawrocki-Sieg freuen, denn dieser bedeutet noch mehr Streit zwischen Liberalen und Konservativen. Ein geschwächtes Polen an der Nato-Ostflanke ist im Interesse des Kreml.
De Maart
Dafuer dass die Ukraine nicht in die Nato kommt sorgen zum glueck die USA.