Freitag19. Dezember 2025

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KanarenIhr Tod wurde live im TV übertragen: Flüchtlinge ertrinken im Hafen der Urlaubsinsel EL Hierro

Kanaren / Ihr Tod wurde live im TV übertragen: Flüchtlinge ertrinken im Hafen der Urlaubsinsel EL Hierro
Dieser Ausschnitt aus einem von Television Canaria veröffentlichten Video zeigt das überfüllte Boot mit Migranten im Hafen von La Restinga Foto: Handout/ Television Canaria/ AFP

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Das Drama im Hafen La Restinga auf der spanischen Kanareninsel El Hierro wurde live im Fernsehen übertragen: Man sah Dutzende Menschen, die im Wasser um ihr Leben kämpften. Sie klammerten sich verzweifelt an Rettungsringe, Leinen und das gekenterte Holzboot.

Man hörte Hilferufe, panisch und flehend. Mindestens sieben Menschen gingen vor laufender Kamera unter – sie konnten später nur noch tot geborgen werden. Was war geschehen? Der Regionalsender RTVC hatte seine Kameras im Hafen aufgebaut, nachdem die Behörden die Ankunft eines großen Flüchtlingsboots angekündigt hatten. Der überladene Kahn mit etwa 160 Menschen an Bord war vom spanischen Seenotrettungsdienst rund elf Kilometer südlich der Insel entdeckt und in Schlepp genommen worden, um ihn sicher in den Hafen zu bringen.

Doch nur wenige Meter vor der rettenden Kaimauer geriet das Boot ins Wanken. Viele Insassen – überwältigt von der Hoffnung, endlich Europa erreicht zu haben – sprangen plötzlich auf. „Nein, nein, hinsetzen!“, war noch zu hören. Aber da war es schon zu spät. Das Boot kenterte. Männer, Frauen, Kinder und Babys stürzten ins Wasser.

Fahnen auf halbmast

Die vorläufige Bilanz dieses Dramas: Mindestens sieben Tote – darunter drei Kinder. Zunächst bestand der Verdacht, dass weitere Opfer unter dem Wrack eingeschlossen sein könnten. Doch diese Sorge bestätigte sich nach Abschluss der Bergungsarbeiten am Donnerstag nicht.

Der Präsident der Kanarischen Inseln, Fernando Clavijo, sprach von „großer Ohnmacht“ angesichts einer Tragödie, die sich buchstäblich einen Sprung vom Ufer entfernt ereignete. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez zeigte sich tief betroffen über den „Verlust von Menschenleben, die bei dem verzweifelten Versuch starben, eine bessere Zukunft zu finden“. Die Behörden von El Hierro riefen zwei Trauertage aus. Auf der Urlaubsinsel hängen die Fahnen auf halbmast.

Hotspot für irreguläre Migration

Es ist nicht das erste Mal, dass das Anlegemanöver eines Flüchtlingsbootes in einer Katastrophe endet. „Dieser Moment ist der heikelste bei einer Rettung“, erklärte Anselmo Pestana, Sprecher der kanarischen Sicherheitsbehörden. Viele der Bootsinsassen seien nach tagelanger Fahrt völlig erschöpft, könnten nicht schwimmen – und würden beim Sturz ins Wasser sofort untergehen.

Das Boot war nach bisherigen Erkenntnissen von der Küste des westafrikanischen Staates Guinea gestartet. Die gefährliche Atlantikroute von Westafrika zu den Kanaren dauert oft mehr als eine Woche. An Bord befanden sich Menschen aus mehreren Armuts- und Krisenstaaten: Guinea, Mali, Mauretanien und Senegal.

Die Kanaren sind derzeit Spaniens größter Hotspot für irreguläre Migration über das Meer. Allerdings gehen die Zahlen zurück: Bis Ende Mai 2025 haben rund 11.000 Menschen die Inselgruppe per Boot erreicht – etwa ein Drittel weniger als im Vorjahr. An allen spanischen Küsten wurden seit Jahresbeginn knapp 15.000 Bootsmigranten registriert – ein Rückgang von 28 Prozent.

Tödliche Route

Auch EU-weit sanken die Zahlen: Laut der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sank die Zahl irregulärer Einreisen in den ersten vier Monaten 2025 um 27 Prozent. Die EU sieht darin eine Bestätigung, dass die zunehmende Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten Früchte trägt.

Doch die Gefahren bleiben. Die Route von Westafrika zu den Kanaren gilt als die tödlichste Europas. Laut der UN-Migrationsorganisation IOM starben im vergangenen Jahr 739 Menschen auf dieser Strecke – allerdings zählen die UN nur bestätigte Todesfälle. Die spanische Hilfsorganisation Caminando Fronteras schätzt auf der Basis von Vermisstenmeldungen, dass 2024 rund 10.000 Bootsmigranten beim Versuch, die Kanarischen Inseln zu erreichen, ums Leben kamen.