
Dies alles konnte man sehr gut und hautnah in der Philharmonie erleben, wo Wagners erstes Meisterwerk in konzertanter Form gegeben wurde. Großes Lob an allererster Stelle für den jungen Dirigenten Tarmo Peltokoski, dessen exzellente Leistung man wirklich hervorheben muss. Peltokoski gelang es während der 140 Minuten, eine in allen Punkten ideale Balance zwischen Sängern, Orchester und Chor zu erreichen. Sein spannendes und enorm sängerfreundliches Dirigat bestach durch höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Auch weiß der junge Finne, wo er das Orchester von der Leine lassen kann und wo die Musiker zurücknehmen und begleiten müssen. Das Luxembourg Philharmonic begeisterte durch einen vollen und runden Klang, herrliche dynamische Abstufungen, ein sehr transparentes und feines Spiel. Es war kein üppiger Wagner vom alten Schlag. Obwohl Peltokoski die Ouvertüre mit Fug und Tempo vorwärtsdrängte, so waren es doch die wunderbaren kammermusikalischen Feinheiten, die sein Dirigat auszeichneten. Und das kam besonders den Sängern zugute.
Die unattraktive Rolle der Mary, oft für altgediente, matronenhafte Sängerinnen reserviert, wurde makellos von Catriona Morison gesungen, das mit frischer und gesunder Stimme. Großartig auch David Fischer als Steuermann, dessen heller, lyrischer Tenor eine Idealbesetzung darstellte. Für den erkrankten Christoph Fischer sprang Altmeister Albert Dohmen als Daland ein, der immer schon ein sehr kluger Sänger gewesen ist und so heute mit 68 Jahren noch immer über ein beeindruckendes Stimmmaterial verfügt. Das beste Beispiel dafür, dass man auch Wagner-Rollen bis ins hohe Alter auf höchstem Niveau singen kann. Viele renommierte Tenöre hatten und haben oft besondere Mühe mit der Partie des Erik, die nicht zu unterschätzen ist. Und ich muss zugeben, ich habe bisher noch keinen Tenor gehört, der diesen Part so schön und fehlerfrei gesungen hat, wie der finnische Tenor Tuomas Katajala. Dazu besitzt Katajala eine makellose Stimmführung, eine sichere Höhe und ein sehr angenehmes Timbre. Erstaunlich, dass man diesem Sänger noch nicht öfters im Wagner-Repertoire begegnet ist.
Sensationelle Senta
Die wohl ungewöhnlichste Besetzung war Brian Mulligan als Holländer. Man mag ihn vielleicht als Fehlbesetzung erlebt haben, denn von der Schwärze und der teuflischen Präsenz der großen Holländer-Interpreten von Hans Hotter und George London über Thomas Stewart und Bernd Weikl bis hin zu Bryn Terfel, Albert Dohmen und Michael Volle besitzt Mulligan recht wenig. Sein Heldenbariton ist eher hell, biegsam und lyrisch angelegt und so interpretiert er auch die tragische Figur des Holländers. Hier tritt das Menschliche an die Oberfläche, Mulligans Figur ist verzweifelt, angsterfüllt und unsicher und sein Vortrag lässt in jedem Moment erahnen, wie sehr sich dieser Holländer nach Liebe und Erlösung sehnt.
Und so gesehen wirft Mulligan eine interessante Perspektive auf diese Figur und lässt dabei oft an den großen Theo Adam denken. Dass er leider im Duett mit Senta plötzlich einen Frosch in den Hals bekam oder sich verschluckte, war unglücklich, denn er erholte sich nur schwer von diesem Missgeschick und sang ab dann mit zurückgenommener Stimme. Seine Partnerin Gabriela Scherer als Senta war eine Sensation. Endlich eine Sängerin, die diese Partie ohne Geschreie durchsingt und dabei immer wieder feinste Nuancen erkennen lässt. Die Stimme ist sehr gut fokussiert und fließt unangestrengt von Höhepunkt zu Höhepunkt. Dabei nahm sie ab der Mitte des Duetts im zweiten Akt hörbar Rücksicht auf Brian Mulligan, so dass beide Stimmen trotzdem weiterhin sehr gut harmonisierten.
Auch psychologisch interpretierte Gabriela Scherer eine in allen Momenten glaubhafte Senta. Eine hervorragende Leistung kam auch vom Polish Radio Choir Lustavice und von dem Katowice City Singers’ Ensemble Camerata Silesia, die Tarmo Peltokoski zu einer Höchstleistung anspornte. Fazit: Eine in allen Hinsichten überragende und fast perfekte Aufführung von Wagner „Fliegendem Holländer“.
Auftragswerk
Das Geburtstagskonzert des luxemburgischen Kammerorchesters, eigentlich ein Streifzug durch die Musik aus vier Jahrhunderten, begann mit dem virtuosen Stück Navarra für zwei Violinen des spanischen Geigenvirtuosen Pablo de Sarasate, hier in der Bearbeitung für zwei Violinen und Streichorchester. Seine berühmte Carmen-Fantasie und auch die Zigeunerweisen sind eher volkstümliche Werke, die pittoreske Stimmungsbilder seiner Heimat mit einem Feuerwerk an spanischen Tänzen kombinieren. Die beiden exzellenten Solisten waren die beiden Konzertmeister des OCL, Pascal Monlong und Lyonel Schmit, die sich nicht nur als fingerfertige Virtuosen, sondern zudem als wunderbare Gestalter von Sarasates Musik bewiesen. Bei „Navarra“ spielte das Orchester ohne Dirigent.
Erst mit W. A. Mozarts Ouvertüre zu „Le Nozze di Figaro“ trat der Dirigent Carlo Rizzari in Erscheinung. Und erwies sich als Glücksfall für dieses Konzert. Bereits mit der Ouvertüre konnte Rizzari Akzente setzen und ließ das OCL regelrecht aufblühen.
Nach diesem virtuosen Einstand folgte das komplexe Cellokonzert von Robert Schumann. Man vergaß allerdings schnell, dass dieses etwas sperrige und melancholische Werk vielleicht nicht das idealste Stück für ein Geburtstagskonzert war, denn der junge Solist Matis Griso, Gewinner des Prix Anne & Françoise Groben 2024, bot eine atemberaubende und stilistisch perfekte Interpretation dieses Werkes. Vor allem der lyrische, innige Grundton und der schöne, warme Klang, den Griso auf seinem Cello hervorzauberte, zeigten einen jungen Cellisten, der ohne Zweifel eine große Karriere vor sich hat. Insbesondere auch, weil er es trotz seines jungen Alters schaffte, die seelischen Stimmungen des Komponisten auf überzeugende Weise deutlich zu machen.
Auf Schumanns Cellokonzert folgte „Changes of State or What Might Become of us“, ein Auftragswerk des Kulturministeriums von Catherine Kontz, die erneut mit ihren außergewöhnlichen Einfällen überraschte. Das recht tonale Stück, das irgendwie wie eine Collage aus verschiedenen Musikstilen erschien – hier hörte man Beethoven-Akkorde, dort feinste Debussy-Klänge –, schien sich geradlinig von einer griffigen Tradition bis zur totalen Auflösung des Klanges zu bewegen. Abschließend dann die 1. Symphonie „Klassische“ von Serge Prokofieff, die die Virtuosität, Klangschönheit und Flexibilität des OCL noch einmal in den Mittelpunkt stellte. Zwischendurch gab es eine Videovorführung zur Geschichte des OCL; hierfür hatte David Laborier eine „Zwischenmusik“ geschrieben. Und zum Schluss des Konzertes gab es noch Laboriers ganz persönliche Bearbeitung von „Happy Birthday“. Zum Mitsingen, versteht sich.

De Maart
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