Was ein Abend! Am Ende hat sich JJ mit „Wasted Love“ an die Spitze eines starken ESC-Feldes gesetzt und sich den Sieg gesichert. Damit steht fest, der ESC 2026 wird in Österreich stattfinden. Der 24-Jährige mit dem bürgerlichen Namen Johannes Pietsch landete in der Nacht zu Sonntag deutlich vor Israel, Estland und den lange favorisierten Komikern KAJ aus Schweden.
Jury und Publikum uneins
Österreich war auch der definitive Juryliebling mit 258 Punkten. Nach den Jurypunkten lagen die Schweiz und Frankreich auf Platz zwei und drei. Bei der Punktevergabe der nationalen Jurys wurde deutlich, dass es in diesem Jahr keinen ganz klaren Favoriten gab. Also nicht so wie in den vergangenen Jahren, wo viele „12 points“ an das gleiche Land gingen und es so nur zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen von zwei oder drei Songs wurde. 2025 lagen mehrere Länder am Ende des ersten Teils der Punktevergabe in direkter Schlagdistanz. Acht Songs hatten am Ende mehr als 100 Jurypunkte. Island bekam als einziges Land keinen einen einzigen Punkt von den Jurys.
Beim Publikum hatte Israel die Nase weit vorne und räumte 297 Punkte ab – und stand so lange auf dem vorläufigen Platz eins. Bei der Abstimmung der Zuschauer landete JJ allerdings nur auf Platz vier – und holte dennoch ausreichend Publikumspunkte, um sich an die Spitze des Feldes zu setzen. Das Silberherz des Publikums gehörte mit 258 Punkten Estland und die favorisierten Schweden kamen am Ende beim Publikum nur auf Platz drei mit 195 Punkten.
Das sagt der Sieger
JJ holte am Ende den dritten Sieg Österreichs beim weltweit am meisten beachteten Musikwettbewerb. Zuletzt hatte 2014 Conchita Wurst für das Land den ESC gewonnen, der erste österreichische Gewinner war Udo Jürgens. „Aller guten Dinge sind drei“, sagte der ESC-Gewinner. Er hob außerdem hervor, dass erstmals ein Halb-Filipino in der 69-jährigen Geschichte des ESC gewinnen konnte. JJ ist der Sohn eines Österreichers und einer Philippinerin. Der gebürtige Wiener wuchs in Dubai auf. Als Jugendlicher kehrte er nach Wien zurück, machte eine Ausbildung an der Opernschule der Wiener Staatsoper, wo er bis heute auftritt.
JJ galt vor dem ESC-Finale hinter Schweden in den Wettbüros als Top-Favorit für den Sieg. Er sagte nach dem Sieg, dieser liege jenseits seiner „wildesten Träume“. Seine Botschaft an die Menschen sei, „dass die Liebe nie vergeudet ist. Liebe ist wirklich die stärkste Kraft, die es da draußen gibt.“ Die Menschen sollten ihre Liebe teilen.
Wie muss eine ESC-Jury aussehen?
Eine ESC-Jury setzt sich aus Expertinnen und Experten verschiedener kultureller Bereiche zusammen. Dabei muss eine ausgewogene Alters- und Geschlechterverteilung gewährleistet sein. Zudem schreiben die EBU-Regeln vor, dass die Juryzusammensetzung jährlich wechselt.
Luxemburg im Voting
Luxemburgs Laura Thorn holte trotz ihres starken Auftritts nur 47 Punkte und Rang 22 – und teilt den Rang mit Dänemark. Damit bleibt es in diesem Jahr bei einem Resultat auf der „rechten“ Seite des „Scoreboards“. Von den nationalen Jurys gab es am Ende nur 23 Punkte, davon nicht ein einziges Mal die „12 points“. Sechs Punkte gab es aus den Niederlanden, drei aus der Ukraine, einen aus Österreich, drei aus Lettland, vier aus Montenegro, vier aus Großbritannien, zwei aus Israel. Das Publikum schenkte ihr dann nochmal 24 Punkte – acht aus Albanien, zwölf aus Montenegro, einen aus Österreich und Frankreich, drei aus der Ukraine und Lettland, vier aus Großbritannien und Slowenien, fünf aus Israel und sechs aus den Niederlanden. Zum Vergleich: Laura hatte im zweiten Halbfinale insgesamt 62 Punkte geholt und sich als Siebte fürs Finale qualifiziert. Das bestätigen die in der Nacht veröffentlichten Statistiken.
Luxemburgs Jury gab zwölf Punkte nach Frankreich, zehn gingen nach Österreich, acht in die Schweiz, sechs nach Großbritannien, vier nach Deutschland, drei nach Estland, zwei nach Lettland und einer nach Israel. Die Jury setzte sich aus folgenden Personen zusammen: Jules Serrig (Musikchef bei RTL), Monique Melsen (Schauspielerin, Sängerin und frühere ESC-Kandidatin), Tom Gatti (Musikproduzent), Catherine Nothum (Radio 100,7), Tom Leick-Burns (Direktor der städtischen Theater).
Das Publikum verteilte seine Punkte wie folgt: zwölf an Israel, zehn an Griechenland, acht an Portugal, sieben an Albanien, sechs an Frankreich, fünf an Estland, vier an Litauen, drei an Polen, zwei an Österreich und einen an Lettland. Es gab also eine starke Präferenz für Balladen beim Luxemburger Publikum.
Das sagt Laura zu ihrer Platzierung
„Ich bin jetzt nicht mega enttäuscht, aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich mir mehr erhofft. Das ist klar“, sagt Laura Thorn im Anschluss an den ESC. „Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn ich es gar nicht erst ins Finale geschafft hätte.“ Das teils überraschende Voting helfe ihr außerdem dabei, das „Resultat zu schlucken“. Und manche Länder hätten trotz toller Performances noch weniger Punkte bekommen. „Also denke ich mir: Du hast auf der Bühne alles gegeben und wir können stolz sein.“
Direkt nach ihrem Auftritt war Laura den Tränen nahe und bedankte sich bei ihrem „Team“. „Ich wusste, es ist das letzte Mal, dass ich auf dieser Bühne stehe – das hat mich so emotional gemacht. Es war eine Riesenerfahrung, die dich mit Leuten verbindet, auch wenn du sie nicht so gut persönlich kennst. Und die ist jetzt vorbei“, sagt Laura. „In diesem Moment wollte ich mich einfach bei allen, die mir wichtig sind, bedanken.“ Ein wenig Angst vor einem „Post-ESC-Down“ hätte sie schon. „Ich glaube, das wird richtig schlimm und ich werde im Bus bestimmt weinen, dass jetzt das hier alles vorbei ist.“ Deswegen sei sie froh, dass es auf der Arbeit gleich heißt: Weitermachen. So wäre sie dann beschäftigt und vielleicht werde es so weniger schlimm.
Musikalisch wolle sie nun an diese Erlebnisse anknüpfen, verrät Laura. Ihre eigene Musik schreiben, neben der Arbeit. Und dem ESC erhalten bleiben: „Ich will auch beim LSC und ESC 2026 wieder irgendeine Rolle spielen. Auch, wenn ich einfach nur herumstehe. Das melde ich jetzt schon an“, sagt sie und grinst das RTL-Team an.
Zum Gewinner hat Laura eins zu sagen: „Er hat es absolut verdient. Ich habe gehofft, dass JJ gewinnt, weil er ist so talentiert.“

„Wir sind zufrieden“
Ähnliche Worte wie Laura Thorn findet auch RTLs Head of Eurovision David Gloesener. Man habe sich mehr erhofft, sei aber vor allem sehr zufrieden und stolz, das Finale erreicht zu haben. „Wir müssen uns mit der Leistung von Laura nicht verstecken.“ Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich ja zehn Länder erst überhaupt nicht qualifiziert haben.
Eine künftige ESC-Teilnahme wolle er nun nicht garantieren, das sei immerhin eine Entscheidung, die man gemeinsam mit der Regierung treffen müsse. „Aber so wie im vergangenen Jahr beginnen die Vorbereitungen auf 2026, sobald wir zu Hause sind“, sagt Gloesener. „Wenn ich sehe, was der ESC und LSC für einen Einfluss auf die Luxemburger Musikszene und die Luxemburger Künstler hat und für welche Visibilität unsere Teilnahme sorgt, dann sind wir gut beraten, weiter dabei zu sein.“
Ob man an der eigenen Marketing-Strategie feilen müsse? „Es stellt sich immer die Frage, was kann man in den nächsten Jahren besser machen. Wir werden eine Bilanz machen und dann sehen, wo wir etwas verändern können. Es hängt halt teilweise auch vom Künstler und vom Lied ab.“

Demos am Rande und mitten im ESC
Israels Teilnahme am ESC spaltet die Gemüter – auch in Basel. Während der Woche war es weitestgehend ruhig geblieben. Doch am Samstagabend kam es sowohl innerhalb der Veranstaltung als auch in der Stadt zu Konfrontationen: „Am Ende des israelischen Auftritts versuchten ein Mann und eine Frau, über die Absperrung auf die Bühne zu gelangen“, erklärte ein Sprecher des Schweizer Fernsehens SRF gegenüber der dpa. Dort hatte gerade Yuval Raphael Israels Beitrag „New Day Will Rise“ vorgetragen. Die Aktivisten wurden aufgehalten, so das SRF. „Einer der beiden warf mit Farbe und ein Mitglied der Crew wurde dabei getroffen. Letzterem geht es gut und niemand wurde verletzt. Der Mann und die Frau wurden aus der Halle begleitet und der Polizei übergeben.“ Nach Angaben des unabhängigen Nachrichten-Blogs „ESC kompakt“ wurde rote Farbe – offensichtlich als Symbol für Blut – verspritzt und traf Menschen im Publikum.
Während im Saal die Musikparty mit anderen Acts weiterging, heizte sich die Lage auf den Straßen Basels weiter auf. Mehrere hundert Menschen zogen durch die Innenstadt, um gegen Israels Teilnahme am Wettbewerb zu demonstrieren. Medienberichte sprechen von annähernd 800. Die Polizei stellte sich der Kundgebung entgegen, um die Menschen daran zu hindern, in Richtung des Veranstaltungsgeländes zu ziehen. Sie bildete Absperrungen, setzte Pfefferspray ein und drohte zeitweise den Einsatz eines Wasserwerfers an. Die Uniformierten begannen mit Personenkontrollen in der Demo, fast 400 sollten es am Ende werden. Die Demonstranten versuchten mehrfach, in Richtung der Eurovision-Plätze zu ziehen. Einige Menschen zündeten Fackeln mit buntem Rauch. Laut 20Minuten wurden Israel- und USA-Flaggen verbrannt. Drei Polizisten sollen von geworfenen Böllern getroffen und durch ein Knalltrauma verletzt worden sein. Am späten Abend wurde der Demonstrationszug aufgelöst. (joé/dpa)
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