In nur einem Augenblick könnte der französische Radsport seine zwei besten Chancen auf eine vordere Platzierung verloren haben: Bardet, der seinen letzten Giro bestreitet, und Gaudu, für den es die erste Teilnahme ist, gingen etwa 40 Kilometer vor dem Ziel bei einem scheinbar harmlosen Sturz zu Boden. Beide Fahrer wurden von ihren Teamkollegen wieder an das Peloton herangeführt, wobei Gaudu von einer geschlossenen Teamleistung der Groupama-FDJ (mit Kevin Geniets) profitierte, die einem Mannschaftszeitfahren gleichkam. Doch im Ziel der siebten Etappe war bei beiden der Schaden deutlich spürbar.
„Ich habe mir das Knie ganz schön angeschlagen. Ich kann es kaum erwarten, Eis draufzulegen. Ich hoffe, es ist nur eine Prellung. Aber ich spüre etwas an der Kniescheibe, das mich stört“, erklärte Bardet, der über fünf Minuten Rückstand auf den Etappensieger hatte. „David ist vor mir gestürzt. Ich habe es nicht wirklich verstanden. Er hat sich entschuldigt. Wie in 90 Prozent der Fälle herrscht im Feld unnötige Spannung, was zu Lücken führt. Es ist einfach dumm, so zu stürzen“, fügte der sichtlich genervte Kletterer aus der Auvergne hinzu.
Gaudu: „Es ist zum Kotzen“
Gaudu war den Tränen nahe, völlig niedergeschlagen nach diesem erneuten Sturz, obwohl er die Etappe noch auf Platz 25 mit 51 Sekunden Rückstand auf Ayuso beenden konnte. Der Bretone war bereits Anfang Februar wegen eines „streunenden Tiers“ – konkret einer Katze – gestürzt, dann bei den Strade Bianche und vor allem bei Tirreno-Adriatico, wo er sich die linke Hand brach. „Ich weiß nicht, warum es immer die Hände erwischt. Diesmal ist es die rechte Hand. Man sieht die Sehne! Es ist zum Kotzen, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, sagte der Vierte der Tour de France 2022 mit blutender Hand. „Ein Fahrer hat vor mir einen Schlenker gemacht, ich habe das Rad berührt und bin gestürzt. Ich war den ganzen Tag konzentriert, dann der Sturz – es gibt keine Ausrede“, fügte er hinzu, bevor ihn sein luxemburgischer Teamkollege Kevin Geniets tröstete.
Während noch unklar ist, ob sie das Rennen fortsetzen können, scheinen die beiden Franzosen, die auf Etappensiege gehofft hatten, ihre Chancen im Gesamtklassement bereits verloren zu haben – ein Klassement, das nun wieder vom Slowenen Primoz Roglic angeführt wird.
Doch der Slowene, Top-Favorit dieses Giro, konnte am Freitag nicht mit seinem größten Rivalen Juan Ayuso mithalten. Der Spanier holte sich sogar einen typischen „Roglic-Sieg“, indem er 600 Meter vor dem Ziel angriff und sich mit vier Sekunden Vorsprung vor einer kleinen Gruppe um Roglic durchsetzte. „Ich wusste, dass ich an so einem steilen Anstieg nur eine Chance habe, und ich bin voll gegangen. Es ist mein erster Sieg bei einer großen Rundfahrt – das werde ich nie vergessen“, freute sich der UAE-Kapitän, der vor seinem jungen mexikanischen Teamkollegen Isaac del Toro und dem Kolumbianer Egan Bernal gewann.
Roglic holt Rosa Trikot zurück
Roglic, Vierter der Etappe, holte sich derweil das Rosa Trikot zurück, das er bei diesem Giro bereits einmal getragen hatte. Er löst damit den Dänen Mads Pedersen ab, der sich am Fuß des 11,9 km langen Schlussanstiegs nach Tagliacozzo erwartungsgemäß zurückfallen ließ. „Ich wollte gewinnen, das hat nicht geklappt, aber es war trotzdem ein guter Tag. Der Kampf geht weiter“, kommentierte Roglic entspannt. Er liegt nun vier Sekunden vor Ayuso und neun Sekunden vor Del Toro in der Gesamtwertung.
Schlechte Nachrichten gab es am Freitag vor dem Start der siebten Etappe aus luxemburgischer Sicht. Am Tag zuvor war es auf regennassen Straßen zu einem Massensturz gekommen, in den offenbar auch Michel Ries verwickelt war. Der 27-Jährige fuhr die Etappe zwar noch zu Ende, konnte einen Tag später aber nicht mehr an den Start gehen. Das teilte sein Team Arkéa-B&B Hotels am Freitagmorgen mit. „Ich bin hart mit dem linken Knie aufgeschlagen – nichts gebrochen, aber ich brauche ein paar Tage völlige Ruhe, um mich richtig zu erholen“, schrieb Ries selbst bei Instagram. „Es ist eine große Enttäuschung, das Rennen auf diese Weise nach nur wenigen Etappen zu verlassen.“ Vor seinem Ausstieg hatte Ries mit 5:51 Rückstand auf dem 57. Platz der Gesamtwertung gelegen. Geniets, der vor allem als Helfer von Gaudu in Erscheinung trat, fuhr mit einem Rückstand von etwas mehr als vier Minuten als 45. ins Ziel. (AFP/jw)
Ergebnisse
108. Giro d’Italia, 7. Etappe: Castel di Sangro – Tagliacozzo (168 km): 1. Juan Ayuso (Spanien/UAE Team Emirates-XRG) 4:20:25, 2. Isaac Del Toro (Mexico/UAE Team Emirates-XRG), 3. Egan Bernal (Kolumbien/INEOS Grenadiers), 4. Primoz Roglic (Slowenien/Red Bull-Bora-hansgrohe), 5. Giulio Ciccone (Italien/Lidl-Trek) alle 0:04 Sekunden zurück … 45. Kevin Geniets (Luxemburg/Groupama-FDJ) 4:03, Aufgabe: Michel Ries (Luxemburg/Arkéa-B&B Hotels)
Stand in der Gesamtwertung nach 7 von 21 Etappen: 1. Roglic 24:32:30, 2. Ayuso 0:04 Minuten zurück, 3. Del Toro 0:09, 4. Tiberi 0:27, 5. Poole 0:30 … 42. Geniets 6:55
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