Am Freitagmorgen ging es im Escher Gemeinderat – erneut – um das Erbe oder die Altlasten der Europäischen Kulturhauptstadt Esch 2022. Erbe sagt die CSV-DP-Grüne-Mehrheit um den liberalen Kulturschöffen Pim Knaff und CSV-Bürgermeister Christian Weis, Altlasten die Opposition um den sozialistischen Fraktionssprecher Steve Faltz und den linken Gemeinderat Marc Baum.
FrEsch war vor fünf Jahren als ASBL gegründet worden – offiziell, um den 2017 verabschiedeten und 2022 geupdateten Escher Kulturplan „Connexions“ umzusetzen, aber vor allem um bestimmten Kulturprojekten der Stadt Esch im Kulturjahr eine Finanzbeteiligung der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“ zu sichern. Sozusagen als Ergänzung der ASBL Esch 2022, die zum Bedauern des Gemeinderats kaum Großprojekte im Escher Stadtzentrum geplant hatte. Weshalb der damalige Schöffenrat unter CSV-Bürgermeister und Esch-2022-Präsident Georges Mischo kurzfristig beschlossen hatte, das frühere Möbelhaus Espace Lavandier zu kaufen, um ihre eigene „Konschthal“ darin aufzubauen und in einem Verwaltungsgebäude der früheren Arbed auf der Industriebrache Esch-Schifflingen den Tiers-lieu Bâtiment 4 (B4) einzurichten, der als Herzstück des Infrastrukturprogramms galt. Zusätzlich verwaltete frEsch noch die Künstlerresidenz Bridderhaus.
Intransparenz
Am Ende des Kulturjahres geriet frEsch in die Kritik, einerseits wegen Intransparenz, weil die Vereinigung seit ihrer Gründung noch keine Bilanzen veröffentlicht hatte, andererseits weil der von Pim Knaff präsidierte Verwaltungsrat vor allem aus hohen Gemeindebeamten und Mitgliedern der im Gemeinderat vertretenen Parteien zusammengesetzt war, was ein Risiko für Interessenkonflikte darstellte. Schon damals deutete sich an, dass die Stadt Esch das kritische Künstlerkollektiv Richtung22, das seit der Gründung des Tiers-lieu im B4 untergebracht war, nicht weiter unterstützen und am liebsten aus Esch raushaben wollte.
Vor zwei Jahren reagierte der Escher Schöffenrat erstmals auf die Intransparenz-Vorwürfe, die zuerst von Richtung22 geäußert und später von LSAP und Linken im Gemeinderat aufgegriffen wurden: Einstimmig beschlossen die Räte im April 2023, Konschthal und Bridderhaus zu „institutionalisieren“ und ihre Verwaltung der Gemeinde zu unterstellen. FrEsch fusionierte mit der Francofolies ASBL und der Kulturnuecht ASBL und war fortan dafür zuständig, die Franchise-Veranstaltung Francofolies auf dem Galgenberg und die „Nuit de la culture“ zu veranstalten, die seit 2022 deutlich größer ausfällt als zuvor.
Eskalation
Im April 2024 wurde bekannt, dass frEsch die Konvention mit Richtung22 nicht mehr verlängern will. Die ASBL und das Kunstkollektiv lieferten sich einen öffentlichen Schlagabtausch in den Medien und den sozialen Netzwerken, der vor einem Jahr in einer Sitzung des Escher Gemeinderats eskalierte. Marc Baum warf dem Kulturschöffen Pim Knaff vor, zwei ihm „weisungsuntergebene“ hohe Beamte in den Vorstand berufen zu haben, mutmaßlich um sich eine Abstimmungsmehrheit zu sichern. Steve Faltz kritisierte, frEsch sei vor allem gegründet worden, um öffentliche Ausschreibungen zu umgehen. Als Reporter kurze Zeit später enthüllte, dass Knaff im April wegen schwerer Steuerhinterziehung verurteilt worden war, erlitt dessen politische Glaubwürdigkeit weiteren Schaden.

An ihrer Entscheidung, die Konvention mit Richtung 22 nicht zu verlängern, hält frEsch bis heute fest. Weil das Kollektiv sich weigert, das B4 zu verlassen, hat frEsch rechtliche Schritte eingeleitet. Am Freitag im Gemeinderat wurde darüber nur am Rande gesprochen. Tatsächlich reagiert frEsch aber nun erneut auf die von Richtung22 zuerst vorgebrachten Intransparenz-Vorwürfe: Pim Knaff stellte dem Gemeinderat neue Statuten für FrEsch vor, die das Risiko von Interessenkonflikten reduzieren sollen. Der Verwaltungsrat der ASBL soll sich künftig aus fünf Beamten oder Beschäftigten der Gemeinde sowie vier Vertretern der Zivilgesellschaft zusammensetzen. Letztere sollen den Präsidenten stellen, der Vize-Präsident soll ein Mitarbeiter der Stadt sein. Für Mitglieder der im Gemeinderat vertretenen politischen Parteien wird ein „Comité d’accompagnement stratégique“ von acht bis elf Mitgliedern geschaffen, das zwar lediglich eine beratende Funktion haben, jedoch die Kontrolle über die Finanzen behalten soll, wie Pim Knaff am Freitag versicherte. Die Konvention mit FrEsch, die der Gemeinderat mit den Stimmen von CSV, DP und Grünen annahm, sieht eine Beteiligung der Stadt Esch von 3,9 Millionen Euro für dieses Jahr vor.
Ein Blatt
Wofür frEsch diesen Betrag ausgibt, wurde der Öffentlichkeit am Freitag vorenthalten – genau wie die neuen Statuten. Doch erhielt der Gemeinderat eine Auflistung der Ausgaben, die Marc Baum aber nicht weit genug ging. Die Akte bestehe lediglich aus einem Blatt, monierte der linke Rat, weitere Details habe er bislang nicht gesehen, auch der Kulturkommission seien sie noch nicht zugänglich gewesen. Steve Faltz bemängelte, dass frEsch für das vergangene Jahr noch keine Bilanzen vorgelegt hat. Sowohl Baum als auch Faltz zweifelten am Freitag an, dass die neuen Satzungen frEsch transparenter machen. Knaff konnte bisher noch nicht sagen, wer die neuen Verwaltungsratsmitglieder sind.
„Frënn a Bekannter“
Der LSAP-Sprecher informierte den Gemeinderat auch darüber, dass frEsch schon vergangenes Jahr von der „Commission des soumissions“ des Ministeriums für öffentliche Arbeiten kontaktiert worden sei. Seit August warte die Kommission auf Informationen, die bislang noch nicht geliefert worden seien, berichtete Faltz. Er hatte schon vergangenes Jahr darauf hingewiesen, dass frEsch sich an das Gesetz über öffentliche Ausschreibungen halten müsse, doch der Kulturschöffe hatte abgewiegelt: Für Vereinigungen ohne Gewinnzweck gelte das nicht, weil sie nicht gewinnorientiert seien. Faltz belehrte den Schöffenrat am Freitag eines besseren: „Dës Reegele bestinn aus engem gudde Grond: fir ze verhënneren, dass am ëffentleche Secteur (…) net einfach u Frënn a Bekannter Marchéë verdeelt ginn.“
Am Ende riet Faltz dem Schöffenrat, dass er frEsch einfach auflösen und die 3,9 Millionen in Escher Vereine und in ihre Kulturhäuser investieren solle: „An da ma mer dat zou!“ Die Francofolies könne man zusammen mit der Rockhal in Belval organisieren, die „Nuit de la culture“ könne die Kulturfabrik übernehmen. Marc Baum schlug seinerseits vor, das B4 der Gemeinde zu unterstellen, die auch die Festivals selbst organisieren könne. Pim Knaff lehnte das schließlich ab, mit der Begründung, der bürokratische Aufwand einer Gemeinde sei zu groß, um Festivals zu veranstalten. Dem Gemeinderat sicherte er erneut größtmögliche Transparenz hinsichtlich der Tätigkeit und der Konten von FrEsch zu. „Wir kriegen das schon hin, dass der Gemeinderat mit der Transparenz zufrieden ist. Wir haben gar nichts zu verstecken“, beschwichtigte Knaff.
Studie über Freizeitgewohnheiten
Zu Beginn der Sitzung am Freitag wurde der neue LSAP-Rat Aldin Avdic vereidigt, der den langjährigen Kulturschöffen Jean Tonnar ersetzt. Anschließend stellte dessen DP-Nachfolger Pim Knaff eine 2019 und 2022 durchgeführte Studie über die kulturellen, sportlichen und anderen Freizeitgewohnheiten der Escher vor, aus der hervorgeht, dass zwei Drittel der Bürger mit dem kulturellen Angebot in Esch zufrieden sind. Allerdings nimmt nur ein Viertel regelmäßig an kulturellen Veranstaltungen teil. Deshalb will die Stadt Esch ihre Events künftig stärker in den sozialen Netzwerken bewerben.

De Maart

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