Sonntag26. Oktober 2025

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Rede zur Lage der NationCSV-Premier Luc Frieden verspricht Souveränität, Sozialabbau und Privatisierung

Rede zur Lage der Nation / CSV-Premier Luc Frieden verspricht Souveränität, Sozialabbau und Privatisierung
CSV-Premierminister Luc Frieden am Dienstag in der Abgeordnetenkammer Foto: Editpress/Alain Rischard

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Luc Friedens zweite Rede zur Lage der Nation enthielt keine Zugeständnisse an die Gewerkschaften, weder in arbeitsrechtlichen noch in rentenpolitischen Fragen. Vorrangiges Ziel der CSV-DP-Regierung bleibt die Stärkung der Wirtschaft – Renten, Verteidigung und Forschung sollen mit öffentlicher Unterstützung weiter privatisiert werden.

50 Jahre nachdem der frühere DP-Staatsminister Gaston Thorn die erste Erklärung zur Lage der Nation in der Luxemburger Abgeordnetenkammer hielt, war es am Dienstag an Luc Frieden, der diese Übung nun schon zum zweiten Mal machen durfte. Nach „Einfach. Besser. Modern“ stand seine Rede dieses Jahr unter dem Motto „Fortschrëtt duerch Stabilitéit. Stabilitéit duerch Fortschrëtt“, sie war etwas länger als die vom Vorjahr. Erwartungsgemäß blieb der CSV-Premier seiner rechtsliberalen Linie treu und verkaufte der Nation seine Vision einer bürgerlichen Utopie. Trotz stabiler Umfragewerte bei der „Sonndesfro“ vergangene Woche erinnerte der erste Teil der Rede an eine Wahlkampfveranstaltung: „An dës Regierung liwwert!“, wiederholte der Premier mehrmals, während er die Maßnahmen aufzählte, die CSV und DP in den letzten anderthalb Jahren umgesetzt haben.

D’Carrière, déi ee muss absolvéiert hunn, fir en Urecht op eng Pensioun ze hunn, wäert iwwert eng Rei Joren all Joers stufeweis ëm dräi Méint verlängert ginn

Anders als vor 50 Jahren, als DP und LSAP während der Stahlkrise den Sozialdialog und den sozialen Fortschritt stärkten, ist der „Fortschrëtt“ von CSV und DP heute vor allem ein technologischer. Die „Stabilitéit“, die sie damit erreichen will, ist keine gesellschaftliche, sondern eine wirtschaftliche. Den Forderungen der Gewerkschaften, ihre Errungenschaften zu behalten, erklärte Luc Frieden am Dienstag eine Absage. Die Euphemismen und (falschen) Bekenntnisse, mit denen der Premier seine Rede ausgestaltet hatte, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der gesellschaftliche Dialog, den CSV und DP für sich beanspruchen, meist nur vorgeschoben ist. An ihren Plänen, die Öffnungszeiten und die Sonntagsarbeit im Einzelhandel zu liberalisieren, hält die Regierung trotz des Widerstands der Gewerkschaften fest. Ähnlich verhält es sich mit den Kollektivverträgen: Sie sollen zwar „an den exklusiven Hänn vun de Gewerkschaften“ bleiben, doch gleichzeitig sollen sie geschwächt werden: Im Rahmen von Betriebsvereinbarung sollen Unternehmer die Möglichkeit erhalten, „Detailer“ direkt mit ihren Beschäftigten und ohne Gewerkschaften zu vereinbaren.

„Avantagéise Steiertarif“

Zur Rentenform werde CSV-Sozialministerin Martine Deprez noch vor dem Sommer detaillierte Vorschläge vorstellen, sagte Frieden am Dienstag. Klar sei aber jetzt schon, dass das effektive Renteneintrittsalter nach und nach erhöht werde: „D’Carrière, déi ee muss absolvéiert hunn, fir en Urecht op eng Pensioun ze hunn, wäert iwwert eng Rei Joren all Joers stufeweis ëm dräi Méint verlängert ginn.“ Um das Rentensystem „op 15 Joer“ finanziell abzusichern, will die Regierung den Anteil der Einnahmen aus der CO2-Steuer verwenden, der eigentlich für soziale Ausgleichsmaßnahmen gedacht war. „Eng cibléiert Sozialhëllef“ sollen die bekommen, die in Altersarmut abzurutschen drohen. Privatrenten sollen (steuerlich) attraktiver werden für die wenigen, die sie sich leisten können. Nicht zuletzt sollen die „Stellschrauben“ aus der umstrittenen Rentenreform von 2012 beibehalten werden.

Zur Individualbesteuerung will CSV-Finanzminister Gilles Roth „der Kammer und den Sozialpartnern“ ab Juli „verschidde Pisten“ vorstellen. Eine Möglichkeit könne „een neien avantagéise Steiertarif sinn, no un der aktueller Steierklass 1A“, sagte Frieden. Weil das „fir d’Leit, déi bestuet oder gepacst sinn“, eine Steuererhöhung bedeuten würde, soll der neue Tarif an eine „laang Iwwergangsperiod“ gekoppelt werden.

„Ordnungsruf“ an Spautz

An den CSV-Fraktionspräsidenten Marc Spautz, der sich in den vergangenen Monaten hinter die Forderungen der Gewerkschaften gestellt hatte, richtete der CSV-Premier einen drohenden Appell: „D’Majoritéit an dëser Chamber huet eng Verantwortung a se wäert doru gemooss ginn, ob se där Verantwortung gerecht gëtt.“

Die außenpolitische Lage hat sich gegenüber dem Vorjahr vor allem durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten verändert. Die Vereinigten Staaten gelten seit Januar nicht mehr als vertrauenswürdiger transatlantischer Partner. Die EU sieht darin die Gelegenheit, eine wichtigere Rolle innerhalb der NATO einzunehmen. Und Luxemburg will mitmachen. Vor einem Jahr hatten CSV und DP angekündigt, Luxemburgs NATO-Beitrag bis 2030 auf zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen (die Vorgängerregierung wollte dieses Ziel erst Mitte der 2030er Jahre erreichen). Jetzt geht die CSV-DP-Regierung noch weiter: Sie will die zwei Prozent schon bis Ende dieses Jahres ausgeben. Falls sich beim NATO-Gipfel herausstellen sollte, dass andere Länder noch mehr in die transatlantische Verteidigung investieren wollen, „wäerten och mir als vertrauenswürdegen Alliéierten a Partner dee Wee matgoen“, sagte Frieden. Finanzieren will die Regierung diese Mehrausgaben über eine Verteidigungsanleihe im Rahmen des Staatshaushalts, eine neue Priorisierung der staatlichen Investitionen (die nicht zulasten des Sozialstaats gehen soll) und einen nationalen Fonds bei der SNCI. Investieren möchte sie vor allem in Cybersicherheit und Überwachungssatelliten: In Zusammenarbeit mit der SES will die Regierung nach GovSat-1 einen zweiten Kommunikationssatelliten zu militärischen Zwecken in das Weltall schicken. Der damalige LSAP-Wirtschaftsminister Etienne Schneider hatte schon 2018 laut über einen GovSat-2 nachgedacht.

Die mutmaßlich von Russland ausgehende Gefahr nutzte der Premier, um ein Bedrohungsszenario zu konstruieren, das die Stärkung von Luxemburgs nationaler Souveränität innerhalb der EU legitimieren soll. Durch die Einbindung aller im Parlament vertretenen Parteien will er eine Art „National Unioun“ erreichen, was der frühere Premier Xavier Bettel (DP) schon zu Beginn der Corona-Pandemie versucht hatte. Sicherheitspolitisch kündigte Frieden „déi éischt national Resilienzstrategie“ an, bei der „déi ganz Gesellschaft“ mit einbezogen werden soll. Am Militär sollen private Akteure künftig noch stärker beteiligt werden.

AI schreibt Gesetze

Die Privatisierung im Rahmen von „public-private partnerships a spin-offs“ will Luc Frieden auch in der Forschung vorantreiben – insbesondere bei der künstlichen Intelligenz (AI). Ein „Deep Tech Lab“ soll die Zusammenarbeit zwischen „akademeschen a wirtschaftlechen Acteure“ vereinfachen, um „Recherche, Innovatioun an Entrepreneuriat ze fërderen“. Mit dem „Data Hub“ will die Regierung ein zweites wirtschaftliches Standbein neben dem Finanzplatz schaffen. Bis 2030 will sie drei Milliarden Euro „vun ëffentlechen a privaten Acteure mobiliséieren“, um eine der ersten „AI Factories“ in der EU zu gründen – mit einem „Supercomputer am Quanteberäich“. Ein AI-unterstütztes „Large Language Model“ soll beim Schreiben von Gesetzentwürfen zum Einsatz kommen und der ADEM dabei helfen, Arbeitslosen eine Stelle zu suchen.

Zur Souveränität gehört auch die Energieversorgung, die aus Kostengründen künftig zum größten Teil aus Erneuerbaren bestehen soll. Keine „Verbotspolitik“, aber einen leicht autoritären Ansatz kündigte der Premier am Dienstag an. Die Genehmigungsprozeduren für Solaranlagen und Windräder werde „konsequent vereinfacht, verkierzt an digitaliséiert“, größere Projekte sollen bevorzugt (als „intérêt public majeur“) behandelt werden, für den Bau von Windrädern soll der gesetzlich vorgeschriebene Abstand zu Straßen und Wäldern verringert und die zulässige Höhe erweitert werden. Gleichzeitig soll die gerichtliche Prozedur für Einsprüche gegen Großprojekte verkürzt werden.

Zur Senkung der zuletzt durch den Wegfall der Strompreisbremse gestiegenen Stromkosten hat die Regierung beschlossen, „ronn 150 Milliounen Euro an de Grapp ze huelen“, um einen Teil der Netzkosten und den „mécanisme de compensation“ zu bezahlen, der derzeit noch von den Verbrauchern übernommen wird. Ferner sollen entlang der Autobahnen sowie an Parkplätzen Solaranlagen angebracht werden. Um die Energie zu speichern, gibt die Regierung sich auch in diesem Bereich eine nationale Strategie.

„Keen Iwwerwaachungsstaat“

Souveränität will sie auch in der Landwirtschaft erreichen. Das bei Bauern umstrittene Mercosur-Abkommen will die Regierung trotzdem unterzeichnen: „A wann déi lokal Produktioun vun eise Fleeschbaueren awer ënnert dem Traité leide sollt, da wäerte mir hinnen natierlech entgéintkommen“, versprach Luc Frieden.

Zur nationalen Souveränität gehört laut Frieden auch die Bekämpfung illegaler Migration und die Ausweisung von Menschen, die kein Recht auf Asyl haben. Um sie schneller finden zu können, plant CSV-Innenminister Léon Gloden den verstärkten Platzverweis, die Ausdehnung der Kameraüberwachung und die Gemeindepolizei. „Mir schafe keen Iwwerwaachungsstaat, an deem d’Leit hir Recht op Privatsphär verléiere“, beteuerte Frieden. Es sei nämlich genau umgekehrt: „Déi momentan Situatioun op spezifesche Plazen, sou wéi am Garer Quartier, limitéiert d’Fräiheet vun de Leit, déi do liewen. Mir wëllen déi Rechter op fräi Beweegung an e fräit Liewen assuréieren.“

canis-lupus
6. Juni 2025 - 8.53

ma do geschit gouër a glat Näicht, well "ONS" Souën sën elo fort auf nimmer Wiedersehen an d'Ukräine fiir Waffen zë kaafen

dat doten, wat ons Regierung ons verkaafe wëll ass just "Palaver"

vero
14. Mai 2025 - 17.21

Wer wählt nur diese Pfaffen?
Wir brauchen einen einzigen Wahlbezirk, dann sind die alle weg mit ihrem 'Gott'.

Grober J-P.
14. Mai 2025 - 11.04

@ oh mei /
Warum haben Sie was gegen Windspargel? Man soll doch auf das Klima achtgeben, oder? Wenn mir noch was von der Rente am Ende des Jahres übrigbleibt, werde ich jede Menge Aktien von Soler kaufen und somit den Verkaufspreis mitbestimmen! Sollten wir alle machen, Leute investiert in Soler Aktienpakete, auch Kleinaktionäre können was erreichen, es müssen nur alle mitmachen. 😊

Herry
14. Mai 2025 - 9.51

Schwadronieren und Schmalzen, Friedens Spezialität.

Grober J-P.
14. Mai 2025 - 8.52

"auch die Bekämpfung illegaler Migration…."
Herr Laboulle, könnten Sie mir denn verraten was man hier mit ILLEGAL meint. Habe nach allen Seiten hin gefragt, kommt nur Gelaber zurück.

Grober J-P.
14. Mai 2025 - 8.47

"D’Carrière, déi ee muss absolvéiert hunn, fir en Urecht op eng Pensioun ze hunn, wäert iwwert eng Rei Joren all Joers stufeweis ëm dräi Méint verlängert ginn"
So spricht ein Schreibtischfurzer. Hatte vor knapp 3 Jahren einen Fliesenleger bestellt, 53 Jahre, Knie kaputt, sagte mir er würde es kein Jahr mehr schaffen ohne OP. Nach der OP keine Garantie auf einen Arbeitsvertrag! Was würde der kleine CEO dem Mann empfehlen um seine Rente zu sichern?

Theobaldo
14. Mai 2025 - 8.33

Wie gewohnt, konzeptloses,verschmalztes Gelaaber.
Nix wesentliches oder konkretes was Probleme lösen könnte.
Der Steuerzahler wird sowieso weiterhin gebeutelt.

Oh mei
14. Mai 2025 - 8.02

"..für den Bau von Windrädern soll der gesetzlich vorgeschriebene Abstand zu Straßen und Wäldern verringert und die zulässige Höhe erweitert werden. " Armes Ländchen. Windspargel statt Wald.
Der Banker hat zugeschlagen.