Die Verabredung sei „eine gute Nachricht“, kommentierte Zentralbankgouverneur Andrew Bailey, aber das Umfeld bleibe schwierig: „Die Zölle liegen weiterhin höher.“ Zurückhaltend gab sich auch Finanz-Staatsminister Darren Jones. Zwar habe der Deal 150.000 bestehende Jobs gesichert. Die ersehnte Rückkehr zu den alten Zeiten vor Donald Trumps Handelserschwernissen hingegen sei „keine Option“ gewesen.
Bereits zu Wochenbeginn hatte London eine deutlich umfassendere Vereinbarung zur Beseitigung von Handelshemmnissen mit Indien geschlossen. Damit hat die Labour-Regierung von Premierminister Keir Starmer binnen weniger Tage zum zweiten Mal den Brexit-Spielraum Großbritanniens genutzt. Dabei war der EU-Austritt vor fünf Jahren in der Arbeiterpartei ganz überwiegend und bei Starmer selbst gänzlich ungeliebt gewesen; inzwischen teilt eine klare Mehrheit der Bevölkerung dieses Brexit-Bedauern.
Vermittlerrolle
Noch in diesem Monat will Starmer bei seinem Gipfel mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Annäherung an Brüssel in die Wege leiten. Geplant ist vor allem ein Sicherheitsabkommen, das britischen Unternehmen die Kooperation mit europäischen Firmen und damit den Zugang zu EU-Geldern eröffnen soll. Außerdem wünscht sich London bessere Konditionen für Künstler und Musiker auf Tournee. Umgekehrt will Brüssel jungen Leuten den auf zwei oder drei Jahre begrenzten Aufenthalt im jeweils anderen Land ermöglichen.
Wichtig für die Briten war deshalb, dass die neuen Vereinbarungen mit Neu-Delhi und Washington nicht dem als vorrangig empfundenen besseren Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt im Wege stehen. Deshalb verweigerte Starmer das in letzter Minute am Mittwochabend geäußerte Anliegen Trumps, den amerikanischen Produzenten von Hormonfleisch und Chlorhühnern entgegenzukommen. Beides lässt sich mit den hohen EU-Lebensmittelstandards nicht vereinbaren. Hingegen darf die US-Agrarindustrie mehr Ethanol an die Insel liefern.
Den britischen Verhandlern, unterstützt vom neuen Botschafter in Washington, dem früheren EU-Handelskommissar Peter Mandelson, gelang es vor allem, die US-Zölle für die Autoindustrie von 27,5 auf 10 Prozent zu senken. Dies gilt für 100.000 Vehikel pro Jahr; im vergangenen Jahr wurden 101.870 Automobile über den Atlantik verschifft.
Damit hat eine wichtige Exportbranche eine Verschnaufpause erhalten. Die betroffenen Firmen, darunter Luxusmarken wie Rolls-Royce und Bentley, aber auch die Mini-Fabrik in Oxford sowie Jaguar Land Rover (JLR), hatten nach Trumps Zollankündigung Anfang April bereits Pläne für bevorstehende Entlassungswellen geschmiedet. Wie schon vor Monatsfrist stattete Starmer dem JLR-CEO noch am Donnerstag einen Besuch ab. Adrian Mardell lobte den Besucher für dessen „erheblichen Fortschritt“.
Erfolg mit Ruhe
Starmer musste sich in den vergangenen Wochen für seinen vergleichsweise ruhigen, auf Kompromisse bedachten Kurs („kühlen Kopf bewahren“) gegenüber der rabiaten US-Administration viel Schelte anhören. Zu den Kritikern gehörten hinter vorgehaltener Hand auch eine Reihe von Parteifreunden.
Unbeirrt behielt der frühere Kronanwalt zwei strategische Ziele im Auge: einerseits das überwältigende wirtschaftliche Interesse seines ganz auf freien Welthandel ausgerichteten Landes, andererseits die im Land völlig unumstrittene unbedingte Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Aggressor. Um die mindestens mittelfristig unabdingbare militärische Hilfe der USA zu sichern, so lautet die Einschätzung in London, müsse man mit Trumps Administration im Gespräch bleiben.
Die konservative Oppositionsführerin Kemi Badenoch sprach in etwas vulgärem Englisch davon, das Land sei „aufs Kreuz gelegt“ worden (we were shafted). Scharf ablehnend äußerte sie sich zu Wochenbeginn auch zum deutlich umfassenderen Abkommen mit Indien. Pikanterweise hatte die heute 45-Jährige unter Starmers Vorgängern Liz Truss und Rishi Sunak selbst knapp zwei Jahre lang als Handelsministerin amtiert, ohne etwas Vergleichbares zuwege zu bringen.
De Maart
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