Donnerstag6. November 2025

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DeutschlandEin historischer Stolperstart für Friedrich Merz

Deutschland / Ein historischer Stolperstart für Friedrich Merz
„Herr Bundeskanzler, mit etwas Verspätung ...“ – Friedrich Merz erhält seine Ernennungsurkunde vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier Foto: John MacDougall/AFP

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Es ist ein Tag der Premieren: Die neue Regierung soll vereidigt werden, Ministerien übergeben, das neue Kabinett erstmals zusammenkommen. Im Mittelpunkt steht die Wahl von Friedrich Merz. Doch dann wird es eine ganz andere Premiere als erwartet.

Ein denkwürdiger Tag im politischen Berlin beginnt bei strahlend blauem Himmel: Dienstagmorgen gegen acht Uhr wird es oben im Reichstag unter der Kuppel geschäftig. Die Unionsfraktion kommt zusammen. Zählappell. Die Fraktion ist vollzählig da. Der Optimismus ist noch groß: An diesem Tag soll CDU-Chef Friedrich Merz (69) zum Bundeskanzler einer schwarz-roten Regierung gewählt werden. Carsten Linnemann, der CDU-Generalsekretär, äußert dazu eine nach eigenen Worten „kecke These“. Er sei der festen Überzeugung, „Friedrich Merz wird zu den erfolgreichsten Kanzlern gehören“. Eine hohe Messlatte.

Unten im Plenarsaal versammeln sich nach und nach die Abgeordneten des neuen Bundestags. 630 Personen haben bei der Wahl am 23. Februar ein Mandat erhalten. Die Zwölf ist die Zahl des Tages: Das ist die Zahl der Stimmen, die Union und SPD die Mehrheit im Bundestag sichern. Denn insgesamt haben CDU/CSU und SPD zusammen 328 Sitze im Parlament. Für die Kanzlermehrheit sind mindestens 316 Stimmen nötig. Merz hat damit zwölf weitere Stimmen als Sicherheitsnetz.

Um neun Uhr eröffnet Parlamentspräsidentin Julia Klöckner (CDU) die zweite Sitzung des Bundestags in dieser Wahlperiode. Tagesordnungspunkt 1: Wahl des Bundeskanzlers. Auf der Besuchertribüne als Zuschauerin mit dabei ist Altkanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Frau, die Merz einst politisch geschasst hat, die ihm im Bundestagswahlkampf in die Parade fuhr – beide hatten nie ein gutes Verhältnis. Neben Merkel sitzt die frühere Parlamentspräsidentin und inzwischen 88-jährige Rita Süssmuth (CDU). Zu den prominenten Gästen gehören DFB-Präsident Bernd Neuendorf und auch der Astronaut Alexander Gerst. Bei der Stimmabgabe am Morgen sind alle noch guter Dinge. Zur Auszählung wird die Sitzung unterbrochen. Alles Routine. Noch.

Doch um 10.05 Uhr kommt es zum historischen Debakel: Merz ist bei der Kanzlerwahl durchgefallen. In geheimer Abstimmung kommt der Sauerländer nur auf 310 Ja-Stimmen. Das sind sechs weniger als die nötige Mehrheit. Ratlosigkeit im Plenum. Dass ein Kandidat durchrasselt, hat es bei einer Kanzlerwahl so noch nie gegeben. Das Entsetzen ist vielen ins Gesicht geschrieben, unten im Plenarsaal, oben auf der Ehrentribüne, wo die Ehefrau von Merz, Charlotte, und die zwei Töchter die Ereignisse verfolgen. Was nun? Das bleibt stundenlang offen.

Es herrscht allseits Ratlosigkeit

Während sich die Koalitionsfraktionen Union und SPD zu Beratungen zurückziehen, tritt die AfD-Chefin Alice Weidel triumphierend vor die Kameras. Die gescheiterte Kanzlerwahl spreche für den politischen Zustand Deutschlands. „Herr Merz sollte direkt abtreten und den Weg freimachen für Neuwahlen“, sagt die Oppositionsführerin. Die Politikwende von Merz sei bereits am ersten Tag gescheitert, höhnt der Co-AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla.

Etwa zwei Kilometer vom Reichstag entfernt im Schloss Bellevue stehen Journalisten in einem fast leeren Saal. Eigentlich sollte hier der zehnte Bundeskanzler um 10.30 Uhr seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten. Auch hier herrscht Ratlosigkeit: Passiert das heute noch? Zunächst heißt es noch, dass an dem Tag wohl kein zweiter Wahlgang mehr vorgesehen ist. Artikel 63 im Grundgesetz regelt die Kanzlerwahl im Fall eines Scheiterns so: „Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen 14 Tagen nach dem Wahlgang mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.“

Ich finde, das zeigt ziemlich deutlich, dass die Gesprächskanäle zwischen den demokratischen Fraktionen da sind, und die Frage ist für mich damit geklärt

Heidi Reichinnek, Linken-Chefin, über den Bestand des CDU-Unvereinbarkeitsbeschlusses

Bis zum Nachmittag wird unter den verschiedenen Fraktionen beraten und juristisch geprüft, ob man im Laufe des Tages doch noch einen zweiten Wahlgang starten kann. Dafür ist eine Fristverkürzung nötig, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Denn laut Geschäftsordnung des Bundestags könnte ein neuer Vorschlag erst drei Tage nach seiner Einbringung beraten werden. Das wäre am Freitag. Es gibt aber einen Ausweg: Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit kann der Bundestag von dieser Frist abweichen. Doch das führt zu einem Dilemma: Im neuen Bundestag haben AfD und Linke zusammen eine Sperrminorität. Eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD lehnen die meisten Abgeordneten ab. Zur Linken gibt es wiederum einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU. Wird der die Fristverkürzung zum Scheitern bringen?

Auch eine Klatsche für SPD-Chef Klingbeil

In unterschiedlich besetzten Runden wird im Büro von Merz diskutiert, mal Union und SPD allein, mal mit Grünen und Linken. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, sagt auf die Frage, ob mit dieser Annäherung der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU Geschichte sei: „Ich finde, das zeigt ziemlich deutlich, dass die Gesprächskanäle zwischen den demokratischen Fraktionen da sind, und die Frage ist für mich damit geklärt.“

Gegen 14 Uhr ist eine Einigung gefunden. Aus Fraktionskreisen heißt es, ein zweiter Wahlgang soll noch am Nachmittag folgen. Die Grünen haben dem zwar zugestimmt. Doch damit endet auch ihre Unterstützung für Union und SPD, die das Kanzlerwahl-Debakel nun händeringend wiedergutzumachen versuchen. Dass sie im zweiten Wahlgang gar für Merz stimmen werden, schließt die Grünen-Fraktionsspitze klar aus. Selbstverständlich werde man einem Kanzler „nicht unser Vertrauen aussprechen“, von dem man denke, dass er mit seinem Plan „in eine falsche Richtung für unser Land geht“, macht Fraktionschefin Katharina Dröge auf der Fraktionsebene des Bundestags klar.

SPD-Chef Lars Klingbeil tritt später ebenfalls vor die Kameras und sagt, er gehe davon aus, dass Merz im zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit bekommen werde. Merz’ Scheitern im ersten Wahlgang ist auch eine Klatsche für Klingbeil, der es offenbar nicht geschafft hat, alle Sozialdemokraten im Parlament von der schwarz-roten Koalition unter einem Kanzler Merz zu überzeugen. Dann tritt auch der neue Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) vor Journalisten und kündigt den zweiten Wahlgang für 15.15 Uhr an.

Bundespräsident sorgt für Lockerheit

Gegen 16 Uhr sind die Stimmen der Abgeordneten im zweiten Wahlgang der Kanzlerwahl abgegeben. Der Antrag zur Geschäftsordnung des Bundestags, der die Fristverkürzung erlaubt, ist zuvor von allen Fraktionen angenommen worden. Um 16.16 Uhr hat Merz sein Ziel erreicht: Im zweiten Anlauf wird er im Bundestag zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Er erhält in geheimer Abstimmung 325 Ja-Stimmen. Neun mehr als die nötige Mehrheit. Einer der ersten Gratulanten ist sein Vorgänger Olaf Scholz (SPD). Vor-Vorgängerin Merkel fehlt diesmal – laut ihrer Sprecherin aus zeitlichen Gründen. „Hier geht nichts unter historisch“, soll Merkel beim Verlassen der Tribüne nach der ersten Abstimmung gesagt haben.

Kurz nach 16.30 Uhr bringt der Bundespräsident ein wenig Lockerheit in diesen für alle anstrengenden Tag. „Herr Bundeskanzler, mit etwas Verspätung …“, scherzt Steinmeier, als er dem frisch gewählten Kanzler Merz seine Ernennungsurkunde überreicht. „So, vielen Dank, halten Sie durch, in einer Stunde sind wir wieder hier“, ruft der Bundespräsident den Journalisten zu, die hier ausharren, um später auch bei der Ernennung der 17 Minister dabei zu sein. Für den späten Abend ist bereits die erste Kabinettssitzung geplant. Der Termin im Schloss Bellevue hat kaum eine Minute gedauert.

Als der sonnige Tag in Berlin sich dem Ende neigt, geht alles weitere recht schnell: Kurz nach der Ernennung durch den Bundespräsidenten ist Merz wieder im Bundestag. Er leistet seinen Eid auf die Urschrift des Grundgesetzes, Klöckner hat sich deshalb extra weiße Handschuhe angezogen. Den Schwur beendet Merz mit dem Zusatz: „So wahr mir Gott helfe.“

JJ
7. Mai 2025 - 12.55

Das war eine Trauervorstellung von einigen spät pubertären Racheengeln die dem Merz seinen AfD-Faux Pas heimzahlen wollten. Nach dem Motto : "Mit uns nicht" haben sie jetzt einen geschwächten Kanzler ins Rennen geschickt. Eine Watschn bevor er überhaupt übernehmen kann. Gerade die SPD,nach drei Jahren Scholz-Stillstand,verpasst dem Merz eine Lektion. Dann zeigt jetzt mal was ihr drauf habt. Es bleibt viel zu tun.Warten wir´s ab.

RCZ
7. Mai 2025 - 8.34

Gott kann dem Friedrich nicht helfen, er ist zurzeit voll mit der Papstwahl beschäftigt!🕊️🙏😇